Pferde können das ab?

Land auf, Land ab dasselbe Bild: Peitschen werden geschwungen, Gerten zecken, Zügel reißen, Sporen stechen – immer wieder kommen wir an Punkte oder in Situationen, die uns an unsere Grenzen bringen und uns Gewalt anwenden lassen.

Dabei ist eines auffällig: nämlich wie vielen von uns – so sehr wir unsere Pferde auch lieben – das doch ziemlich leicht fällt. Ein gewisser Einsatz von Kraft und Zwangsmaßnahmen im Umgang mit Pferden scheint eben „einfach dazu zu gehören“. Die meisten von uns dürften zum Beispiel damit aufgewachsen sein, denn schon die Kleinsten bekommen ja meist schon zu Beginn eine Gerte in die Hand, „um dem Pony zu zeigen, wer das Sagen hat“…

Wenn man Gewaltanwendung bei Pferden mal kritisch anspricht, hört man oft so etwas wie: „Pferde können das ab, sie gehen ja miteinander auch nicht zimperlich um“.

Klar! Dreijährige Kinder prügeln sich auch fürchterlich. Bedeutet das aber, wir dürfen dreijährige Kinder prügeln? Wohl kaum … 

Lassen Sie uns noch einmal genauer hinschauen, denn es ist schon auffällig, wie oft man erlebten kann, dass sich ein Pferd wegen eines Ungehorsams so richtig eine fängt und dass die Umwelt das vollkommen in Ordnung findet.

Ein Beispiel: Ein Pferd zieht am Strick, weil es zum Gras will. Oft kann man dann beobachten, wie das Pferd deutlich die Gerte zu spüren bekommt, und die umstehenden Beobachter nicht mit der Wimper zucken.

Stellen Sie sich nun bitte die Situation vor: Sie beobachten jemanden mit einem Hund an der Leine. Der Hund zieht und der Besitzer zieht den Hund mit aller Macht einen mit der Gerte über. Der Hund winselt und schreit. Was fühlen Sie? Würden Sie das Verhalten des Hundebesitzers als angemessen tolerieren? Oder hätten Sie nicht eher Mitleid mit dem Tier und würden den Hundebesitzer für sein Verhalten verurteilen?

Worin besteht der Unterschied, wenn wir so mit einem Pferd umgehen? Gibt uns die Größe des Tieres das Recht dazu? Seine Kraft? Oder ist es tolerierbar, weil das Pferd ja nicht schreit und winselt? Empfindet das Pferd deshalb weniger Schmerz?

Was ist bei all dem mit Respekt gegenüber dem Lebewesen – gilt das für Pferde weniger als für andere Tiere?

Was steckt hinter der Leichtfertigkeit, mit der Gewalt bei Pferden angewandt wird? Tun wir es, weil wir es können? Weil wir Angst haben? Weil wir glauben, es wäre richtig? Weil andere uns sagen, wir sollen es tun?

Wie viel Gewalt ist erlaubt und richtig? Welche Situationen rechtfertigen wirklich einen Einsatz von Gewalt?

Und gibt es nicht auch Alternativen?

Ich denke, es ist Zeit, sich mal Gedanken über das Thema „Gewalt“ zu machen, meinen Sie nicht?

19. Juni 2008 von Babette Teschen • Kategorie: Umgang 7 Kommentare »

 

7 Reaktionen zu “Pferde können das ab?”

 

Von Iris • 19. Juni 2008

Liebe Babette,

dass Menschen mit Pferden gewaltsam umgehen, hat meiner Meinung nach nur einen einzigen Grund: Pferde leiden stumm! Würden sie sich nur ansatzweise wie ein Hund mit Winseln oder Jaulen bemerkbar machen können, wäre es mit Sicherheit mit der Reiterei weitestgehend vorbei. Oder aber die Reiterei wäre weniger gewaltsam, weil es ja doch unangenehm wäre, wenn die gequälten Tiere auf den Reitplätzen laut vor sich hinstöhnen würden (ich tendiere aber doch eher zu ersterem).

Das Argument, dass Pferde untereinander auch nicht zimperlich miteinander umgehen, ist meines Erachtens keins. Wenn ein Pferd ein anderes tritt, so ist das keine Gewalt im menschlichen Sinne, sondern eine innerartliche Zurechtweisung, bei der das getretene Pferd genau weiß, wofür es sie erhält. Da der Mensch nun aber weder körperlich noch von der Reaktionsschnelligkeit her in der Lage ist, ein Pferd nach Pferdeart zurechtzuweisen, bedient er sich diverser Hilfsmittel wie Gerte, Sporen, Zwangsmitteln. Das Pferd wiederum kann aber die menschliche Gewalt überhaupt nicht verstehen, zumal sie meist in Situationen erfolgt, die für das Pferd kein Fehlverhalten seinerseits darstellen.

Daher bin ich der Meinung, dass Gewalt im Umgang mit Pferden (wie übrigens überhaupt mit allen Tieren und Menschen) absolut nichts zu suchen hat, weil sie einfach kontraproduktiv ist. Gewalt demütigt und erniedrigt, wie soll aus so einer Geisteshaltung dann noch Lernfreude und -willen und Vertrauen entstehen? Es gibt schon längst andere Methoden, mit Pferden umzugehen (man sehe sich hier auf Eurer tollen Seite um!!!), sie sind nur noch nicht bis überall hin vorgedrungen. Aggression ist nun mal leider ein menschlicher Wesenszug, niemand ist frei davon. Aber es ist unbedingt nötig, daran zu arbeiten, diesen Wesenszug zu kontrollieren, und zwar immer und überall.

Liebe Grüße,

Iris
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Liebe Iris,
Du schreibst mir aus dem Herzen! Und ja, es ist eine Tatsache, dass wir alle mehr oder weniger starke Aggressionen in uns tragen. Aber wir alle tragen auch viel Weichheit, Nachsichtigkeit, Verständnis und Liebe in uns und es ist unsere freie Entscheidung, welche Anteile von uns wir wie ausleben, oder? In unserer Welt lernen wir für meinen Geschmack zu oft, unsere Ellenbogen einzusetzen, beim Pferd sogar im wahrsten Sinne des Wortes…
Alles Liebe, Babette

 

Von Therese • 20. Juni 2008

Liebe Babette,
Gewalt bei Pferden ist ein Thema, über das ich mir in letzter Zeit häufig gedanken gemacht habe. Das liegt daran, dass vor ca. 1 1/2 Jahren mein Pflegepferd gestorben ist und ich keine Zeit für ein neues hatte. Deshalb habe ich angefangen Theoretisch weiter zu machen. Ich habe viel über alle möglichen Arten des reitens im Internet gelesen (so bin ich auch auf diese Seite gestoßen)und das hat mir die Augen geöffnet! Ich habe zum ersten Mal gemerkt, wie ich seit meiner Kindheit mit Pferden umgegangen bin. Natürlich, ich wusste es nicht besser, da es mir so beigebracht wurde und alle anderen haben es schließlich nicht anders gemacht. Ich dachte immer, ich sei eine „pferdefreuntliche“ reiterin, weil ich auch mit Halsring geritten, einfach am Halfter spazieren gegangen bin, oder einfach nur mein Pferd massiert habe (Ich hab schließlich jedes meiner Pferde innig geliebt). Alles schön und gut, aber um reiterlich weiter zu kommen, habe ich mein Pferd mit Ausbindern in eine unangenehme Haltung gezwungen, und ihr manchmal auch mit der Gerte gezeigt, wer der CHEF war. Ich habe es zwar immer nur einen „Klaps“ genannt, aber sicherlich macht es das nicht besser. Mich plagt manchmal ein schlechtes Gewissen, weil mir erst jetzt klar geworden ist, wie ich mein Stütchen in manchen Situationen behandelt habe. Und trotzdem: Sie hat es mir nie übel genommen! Sie hat mich immer freudig erwartet um zu schmusen und die Zeit mit mir zu verbringen. Das macht mir im Nachhinein nur ein noch schlimmeres schlechtes Gewissen. Aber jetzt habe ich es eingesehen und werde mein bestes tun um nicht dieselben Fehler noch einmal zu machen!

 

Von Therese • 20. Juni 2008

Und übrigens finde ich es wichtig, ein gutes Vorbild zu sein und gerade junge Mädchen darauf aufmerksam zu machen, das es nicht NORMAL ist, ein Pferd zu schlagen. Das ist besser, als sich nur hinter dem Rücken anderer aufzuregen, ohne zu zeigen, wie es auch geht!
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Liebe Therese,
das was Du berichtest macht traurig und nachdenklich. Und ich glaube wie Du, dass es der bessere Weg ist pferdefreundliche Alternativen vorzuleben, statt andere zu verurteilen.
Liebe Grüße, Babette

 

Von Inez Emperle • 23. Juni 2008

hallo,
ich bin auf Immenhof groß geworden, und ca 20 Jahre dort geritten… Bei uns war immer „heile Welt“, jedes Pony, und jedes Pferd hatte ein Recht auf artgerechte Haltung, artgerechten Umgang…
Wir wurden zu der Zeit von anderen Ställen insbesondere Turnierreitern belächelt, weil wir auch mal ein paar stunden an der weide, oder am paddock saßen um einfach nur diese wunderbaren Vierbeiner zu beobachten, ob es etwas neues gab. Hat ein Pferd mit einem anderen Stress, haben sich vielleicht Freundschaften gefunden, sodass man die Boxen anders verteilen sollte. Oder wir haben einfach nur geschaut und gelernt wie sie untereinander komunizieren, mit fein abgestimmter, für den Menschen kaum sichtbarer Mimik und Gestik. Brigitte hat uns damals schon gelehrt dass ein Pferd für alles was es tut einen Grund hat, es eine Erklärung gibt. Ein pferd schlägt nicht ohne Grund mit der Hinterhand nach einem anderen aus! Es geht um Rangordnung, Sozialverhalten, Überleben. Denn nur in einer Herde sind Sie stark und sicher. Es ging schließlich ums Überleben.
Pferde warnen immer vorher, wenn man sie beobachtet, kann man es sehen.
Einige warnen vielleicht öfter als andere, und somit sichtbarer für den Menschen. Die, die für uns „unscheinbarer“ warnen, bzw Zeichen durch Mimik, Körperhaltung geben, die wir nicht bemerken oder nicht erkennen, die schlagen für diese Menschen sicherlich „ohne Grund und Vorwarnung“ aus, und werden als zickig, agressiv, und unberechenbar abgestempelt und somit werden Ihnen „launen und Co“ unterstellt.
Mein Mino hatte früher oft Stresskolik, da er ja nunmal nicht „AUA“ sagen kann lag es an unserer Beobachtungsgabe zu beurteilen oder festzustellen dass er schmerzen hat.
Bei ihm äußern sich schmerzen, wenn sie nicht allzu stark sind auch mal nur dadurch,dass er seine Nüstern angespannt hat oder sich über der augenpartie zwei, drei „schmerzfalten“ bilden die sonst nicht da sind. Wenn man gerittene Pferde genau beobachtet kann man bei vielen viel deutlichere Signale von Schmerzen entdecken!
Viele kennen Kolikanzeichen:
unruhiges Pferd, Ohren halb hinten (nach dem Schmerz hörend), Schweifschlagen, treten richtung Bauch, sich fallen lassen und wälzen wollen, bei einigen bocken…
Jeder sollte sich mal unsere Turnierreiter in hohen Dressurprüfungen ansehen, beobachten und bitte dabei den Ton ausstellen!
Na, was gefunden? Natürlich sieht man es in jeder Sparte, in jeder Klasse…
Auf Turnieren sind die Richter für artgerechtes, harmonisches Reiten und den Umgang zuständig. Viel mehr Menschen würden sich vielleicht mal gedanken machen wenn Richter besser aussortieren würden.
Dass zB Pferde mit blutigen Sporenlöchern, gertenstriemen auf der Hinterhend, oder aufgerollte Hälse, springer mit Schlaufzügeln von vornherein gar nicht erst zur Prüfung zugelassen werden. Denn theoretisch überwacht immer ein Richter den Abreiteplatz.
Ich habe mal eine junge Frau gebeten abzusteigen und die Halle zu verlassen, nachdem ich mir mit ansehen mußte, wie sie ihr Pferd mit der Gerte traktiert hat. Ihr Pferd sollte Schulterherein gehen, tat es aber nur schwankend bis garnicht…
-aufgrund Ihrer unruhigen und schwammigen Hilfen hat er sie nicht verstanden.
Ich wurde natürlich angzickt ich hätte mich nicht einzumischen, es sei schließlich ihr pferd, mit dem sie machen könnte was sie wollte.
Ich schlug ihr dann vor, für jeden Sitzfehler, jede falsche Handlung von ihr die sie macht, sie mit der gerte einmal auf den rücken zu schlagen…
das klingt nicht grade menschlich, aber pferdisch ist es auch nicht! ich stieg von meinem pferd ab und verließ die halle, weil ich mir das nicht weiter ansehen konnte.
es gab noch ein gespräch mit der reitlehrerin, die das spektakel mitbekommen hatte, wo sie zum unterricht verdonnert wurde oder den stall verlassen sollte.

ich hoffe ich hab nicht allzu durcheinander geschrieben, dieses thema treibt mich einfach zur weissglut!
ich hoffe, dass jeder dem etwas nicht ganz geheuer im umgang mit Tieren vorkommt nachfragt, nachhakt und sich bemerkbar macht.
es gibt ein tierschutzgesetz welches viel zu oft gebrochen wird, nur die meisten kennen den Inhalt nicht…
_________________________________________
Liebe Inez,
ich kann die Gefühle, die aus Deinen Zeilen sprechen, so gut verstehen. Auch ich werde oft sehr traurig,wütend und fühle mich ohnmächtig. Erfolg hat, wer Spektakuläres zeigt. Ob es dem Pferd dabei gut geht, ist zweitrangig. Ja, die Richter müssten ihre Prioritäten anders setzen! Und in meinen Augen dürfte Geld keine Rolle spielen. Pferde sind keine Sportgeräte! Sie sind sensible Lebewesen, die einen respektvollen, gewaltlosen Umgang verdient haben.
Trauriger Gruß, Babette

 

Von Carola Schlanhof • 5. Juli 2008

Hi Babette,

einerseits hat Gewalt Tradition in der Pferde- (und auch Hunde-)ausbildung. Andererseits weiß Mensch oft keine andere Alternative – was nicht bedeutet, daß es keine gibt.
Ist vermutlich so ähnlich wie wenn du einen rausstehenden Nagel im Stall entdeckst. Du hast keinen Hammer mit (oder besitzt gar keinen oder weißt noch nicht mal, daß es sowas gibt.) Also nimmst du einen Stein und klopfst den Nagel um. Funktioniert mehr oder weniger gut und schnell. Bei dicken Nägeln und hartem Holz eher weniger gut.
Alternativ gehst du nach Hause und holst passendes Werkzeug, um professioneller und rascher vorgehen zu können, oder du rufst einen Handwerker.
Wenn sowas öfter vorkommt, hast du den Hammer und auch eine Zange vielleicht schon in Stallnähe eingelagert.

Auch für den Umgang mit Pferden kann Mensch sich einen >WerkzeugkofferHeimwerkerkursGeneralsanierung<, sprich die unkontrollierbaren Situationen meiden und langsam umtrainieren. Bzw. sich damit abfinden, daß das Problem mangels Verständnis der anderen Menschen, die Verfügungsgewalt an den entsprechenden Tieren haben, unlösbar ist und seiner Wege gehen und sich ein anderes Umfeld suchen.
Heutzutage habe ich für (fast) jedes Problem einen Ansatz zur gewaltfreien Lösung. Und zwar eine Lösung, für die Mensch kein Profi sein muß, einfach indem ich das Problem nur in ausreichend kleine Schritte zerlege, um daran arbeiten zu können und mit positiver Bestärkung die Motivation (von Pferd und mir) erhalte.

Ich denke, wichtig ist, daß die Menschen sehen (also vorgelebt bekommen), daß Reiten und Umgang mit Pferden auch weitestgehend gewaltfrei funktioniert. Mir hilft der Austausch mit Gleichgesinnten ungemein und hält mich bei der Lösungssuche bei der Stange (bin ja auch nur ein Mensch, und gaaannnzzz selten will ich meine Pferde auch mal faschieren – wie z. B. wenn Pferd es mal wieder für notwendig gehalten hat, einen Zaun umzulegen…)

Ach ja, sollte sich mein Pferd mal mitten auf einer Straße bei entgegenkommendem LKW einfach einparken, würde ich vermutlich keine Hemmungen haben, ihm das nächste erreichbare Teil überzuziehen, um uns davor zu retten, überfahren zu werden.

Viele Grüße

Carola
_______________________________________________
Liebe Carola,
wer würde das nicht? Und wer würde Dir in einem solchen Fall vorwerfen, Du hättest Deinem Pferd Unrecht/Gewalt angetan?
Ich finde Deine Einstellung sehr gesund und nachahmenswert,
alles Liebe, Babette

 

Von ELO • 9. Februar 2015

Lieber Alfred,

ich finde hier Gelegenheit, mir etwas von der Seele zu sprechen, was mir seit deinem Tod vor 7 Jahren immer präsent ist. Ich habe dich vom ersten Tag geliebt und obwohl ich nicht das erstbeste Pferd kaufen wollte, andere Pferde auspobierte, habe ich mich letztlich doch für dich entschieden – wahrscheinlich Liebe auf den ersten Blick. Ich habe es nie bereut! Du warst mein erstes Pferd, mein großer Traum, ich war total glücklich. Bei deiner weiteren Ausbildung haben mir viele „Besser-Reiter“ ihren Rat zur Verfügung gestellt. Ich habe vieles ausprobiert. Ich habe die Gerte benutzt, die Sporen angeschnallt, bin mit Kandarre geritten, habe Hilfszügel benutzt und einer hat sogar beim Springunterricht die Stange gegen deine Beine gehauen, weil du nicht nach seiner Vorstellung gesprungen bist. Du bist gestolpert und fast hätten wir uns beide überschlagen. Du warst auch nie ein Springpferd. Aber du warst ein Kumpel durch und durch. Zum Glück ist mir das und noch viel mehr irgenwann gedämmert, dass ich immer schon eine andere Vorstellung hatte, mit meinem Pferd umzugehen. Ich stellte mir den Umgang immer schon harmonischer vor, so wie ich als Kind schon glücklich war, die Pferde oder Ponys auf der Wiese nur zu beobachten und zuzusehen, wie sie so friedlich ihr Gras pflückten.
Das war unser Glück. Als ich dann eine Wiese für dich und deinen Kumpel gefunden hatte, gefiel es dir auch besser als im Stall. Ich habe eine Menge gelernt über Pferdehaltung im Offenstall und viel gebastelt, damit es dir da draußen gefällt. Du hast dort fast 20 Jahre gelebt.
Alfred, es tut mir leid, dass ich an dir so viel auspobieren mußte, um jetzt da zu sein wo ich bin mit meiner Erfahrung. Vielleicht freut es dich ja, dass deine Nachfolgerin sich so toll entwickelt hat und nie grob behandelt wurde. Es war auch nie nötig – wir verstehen uns ohne Worte.

Mach´s gut

 

Von Valena • 15. Mai 2017

Lieber Elo,

Vielleicht liest du das ja noch, obwohl dein Post fast 2 Jahre alt ist.

Ich schreibe das erste Mal einen Kommentar, weil mich deine Worte an Alfred so berühren. Ohne Tränen kann ich das gar nicht lesen. So wunderbar geschrieben. So traurig und schön zugleich… So voller Liebe und Respekt.

Mit Sicherheit hat dein Alfred deine Entschuldigung schon längst angenommen und auch damals in deiner Zeit der Unwissenheit gespürt, dass dein Handeln nicht wirklich aus dir herauskam.
Pferde fühlen doch so viel mehr als wir Menschen. So sensibel hat er deine Liebe mit Sicherheit gespürt und „Verständnis“ für eventuelle Fehler gehabt.
„Lieben heißt, nicht um Verzeihung bitten zu müssen“

Ich habe auch vor einem Jahr mein erstes Pferd bekommen. Total unwissend, alles ist neu für mich. Reite auch erst seit 2 Jahren.
So schnell wollte ich auch gar kein eigenes Pferd. Aber es war, ähnlich wie bei dir, eben Liebe auf den ersten Blick und plötzlich war ich als „Anfänger“ eben Pferdemama (Ein Traum seit meiner Kindheit aber es War zuvor nie finanziell möglich gewesen, nicht einmal für Reitstunden als Kind).

In dem alten Stall, wo ich auch reiten lernte, ging es ähnlich zu. Die Gerte war selbstverständlich und gehörte zur Grundausstattung, mit der man sich „durchsetzen“ soll.
Ich habe immer gefühlt, dass ich das nicht will. Ich möchte einfach jemanden, den ich liebe, nicht bestrafen.
Mir wurde aber gesagt, dass man mit Pferden so umgehen MUSS.
Ich war zwischenzeitlich so verzweifelt, dass ich sogar dachte, dass Pferde für mich vielleicht doch nicht die richtigen Tiere sind, wenn man sie so grob behandeln „muss“, damit sie einem „gehorchen“.
Denn ich möchte nicht, dass mir mein Tier aus Zwang gehorcht. Ich wünsche mir, dass mein Tier Freude mit mir hat, wir uns „verstehen“ und gemeinsam schöne Dinge erleben.

Ich habe nur ein einziges mal beim reiten die Gerte eingesetzt, weil mein Pferd nicht angaloppieren wollte und alle mir zuschrien: “ Der verarscht dich. Hau ihm eins mit der Gerte. Setz dich durch!“
Ich wollte nicht. Sie schrien immer mehr, also hab ich die Gerte einmal auf seinen Po gehauen. Er war total entsetzt, weil er mich so nicht kannte, buckelte und ran los.
Danach ran er schon automatisch los, wenn ich die Gerte nur in meiner Hand „bewegte“. Ich hatte gemerkt, dass er vor mir plötzlich Angst hatte. Für mich kein Zeichen von „Respekt“, wie es die anderen nannten. Sondern schlicht Angst. Soll mein „Freund“ Angst vor mir haben???
Ich habe nie wieder die Gerte gegen ihn erhoben!

Ich habe versucht, meinem Gefühl zu vertrauen und habe die mitleidig belächelnden Blicke der anderen Turnierreiter einfach in Kauf genommen, die mich als „unbelehrbaren, naiven Reitanfänger“ sahen.
Ich verlor fast die Lust am reiten, weil es so für mich irgendwie keinen Sinn machte. Hatte ich doch aus Liebe ein Pferd. Auch keine Turnierambitionen. Ich War echt verzweifelt und fragte mich, ob der Kauf eines Pferdes ein Fehler war. Ob ich den Ansprüchen meines Pferdes überhaupt gerecht werden kann. Ob mein Pferd mit mir überhaupt glücklich werden kann? Wenn ich doch in den Augen der anderen irgendwie alles falsch machte.

Dann ist mir das Buch „Denn Pferde lügen nicht“ von Mark Rashid in die Hände gefallen. Eine Offenbarung für mich!!
Soooo falsch lag ich also gar nicht mit meinem Gefühl: es geht also auch anders!
Endlich habe ich mich verstanden gefühlt.
Ohne Gewalt. Mit Liebe. Mit Geduld. Mit gegenseitigem Verständnis und gegenseitigem Respekt.
Ich möchte ein „gentle leader“ sein. Ich wünsche mir in meinem Pferd einen Partner.

Und siehe da, nach dem Verständnis von Mark Rashid, hat mein Pferd in 5min Rückwärts richten gelernt, was er mit den harten Schrei-Methoden zuvor nicht in mehreren Stunden tun wollte. Einfach, weil ich ihn gefühlt habe und ihm nicht „befehlt“ habe.

Wir haben übrigens den Stall gewechselt und ich arbeite gerade u.a. mit dem tollen Longenkurs nach Babette Teschen.
Ich bin hier zwar ziemlich auf mich alleine gestellt, weil hier neben mir nur noch 2 Einsteller sind. Aber dafür geht es meinem Pferd hier super mit ganztägigem Weidengang und mich schaut keiner blöd an, wie ich mit meinem Pferd umgehe.

Manchmal sitze ich auch einfach nur stundenlang bei ihm auf der Weide und beobachte ihn.
Er mag das. Ich mag das. Dann kommt er in seinen Fresspausen zu mir, legt manchmal sogar seinen Kopf auf meiner Schulter ab und wir dösen so zusammen für einen Zeitraum.
Das sind Momente des puren Glücks für mich…

Wenn ich komme und seinen Namen rufe, nimmt er sofort den Kopf hoch, Ohren in meine Richtung und er kommt zum Zaun.
Dann denke ich: sooo falsch kann ich gar nicht sein. Ich glaube er mag mich 🙂

Wir reiten auch gebisslos alleine ins Gelände. Er hört auf Stimmkomando. Ich muss noch nicht einmal groß Schenkelhilfen geben.
Und all das, obwohl er davor Fahrpferd war und mir gesagt wurde, er MUSS mit Gebiss geritten werden und man soll auch richtig doll ziehen beim runterparieren, weil er durch die Kutsche im Maul „abgehärtet“ sei. ich hatte nämlich Probleme ihn von Trab in den Schritt zu bekommen. Funktioniert nun astrein, mit einem einfachen „brrrt“, Gewichtsverlagerung und ganz OHNE Gebiss.

So wie du auch, lieber Elo, fühle ich mich pudelwohl als „Partner“ meines Pferdes.
Deine Pferde sind bestimmt sehr glücklich so einen lieben, fühlenden und denkenden Menschen an seiner Seite zu haben.
Fehler machen wir ja alle. Nur lernen sollten wir eben aus Ihnen.
Dein Alfred muss dann auf der Wiese ein sehr glückliches Pferd gewesen sein.

Trotz alledem muss ich noch sooooooooooo viel lernen. Bin ich ja noch immer blutiger Anfänger…
Ich verschlinge alles was um Pferde geht. Lese und lese und lese…

Unter anderem natürlich in diesem Forum, den Longenkurs und fange auch gerade mit Clickertraining an.

Danke auch an dieses tolle Forum mit all den gleichgesinnten, lieben Pferdemenschen!!
Ich lese hier schon lange mit und nun hinterlasse ich auch mal einen Kommentar 🙂

Jetzt ist es doch ganz schön viel Text geworden. Dabei woltte ich ja nur eine Zeile schreiben. Oups…

Liebe Grüße

Valena

 

 

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