Einige Gedanken zum Thema „Sicherheit“
Dass das Reiten nicht gerade der sicherste Sport ist, wissen wir alle. Nun gibt es aber sehr unterschiedliche Wege, die eigene Sicherheit steigern zu wollen.
Eine kleine Begebenheit in der letzten Woche hat mich einmal mehr darin bestätigt, dass die größte Sicherheit aus einem guten Vertrauensverhältnis zum Pferd entsteht:
Ich wollte letzte Woche noch mal eine schöne Geländerunde machen, bevor die Bremsen den Wald übernehmen. Nun haben wir in unserer Gegend die so genannten „Hirschlausfliegen“, auch „Läufer“ genannt. Diese unfreundlichen Tiere setzen sich gerne am After der Pferde fest oder am Euter bzw. an der Schlauchtasche, manchmal kriechen sie sogar dort hinein. Viele Pferde reagieren äußerst panisch auf diese Insekten. Wir sind es inzwischen gewohnt, dass man mal einen oder auch zwei von den Dingern von einem Ausritt mitbringt. Ich bin flink genug geworden, um sie wegzufangen, so dass das Problem meist schnell erledigt ist.
Auf dem besagten Ausritt kam es aber anders…
Ich sah schon bald den ersten Läufer, der von mir weggefangen wurde. Es folgten Nr. 2, 3, 4 und 5 – nicht schön, aber noch zu ertragen. An einer Stelle flippte Aramis dann aber richtig aus. Er trat sich in den Bauch, schlug aus, buckelte auf der Stelle und wollte am liebsten nur noch losrasen. Ich stieg dann ab und sah die Bescherung: Überall saßen Läufer auf seinen empfindlichsten Teilen: der Schlauchtasche, den Innenseiten der Oberschenkel und am Bauch. Während er nun weiter verzweifelt nach den Viechern trat und dabei um mich herumtänzelte, fing ich einen nach dem anderen weg – es war eine wirklich scheußliche Angelegenheit und mein Großer wollte eigentlich nur auf und davon. Als alle Läufer erledigt waren, stieg ich wieder auf und es dauerte nicht lang, bis wir wieder welche hatten – aber es waren dann nicht mehr ganz so viele. Wir kamen jedenfalls heil nach Hause.
Mich rührte an diesem Erlebnis sehr vieles an:
- Allem voran, wie achtsam mein Großer war, obwohl er wirklich in Not war. Er fand die Viecher einfach furchtbar, schlug aus, buckelte auf der Stelle, wollte am liebsten kopflos losrasen, hörte aber dennoch auf mich und brachte mich keinen Moment lang in Gefahr.
- Er blieb sowohl von oben als auch von unten einwandfrei händelbar – und das ohne Gewalt. Ich war gebisslos unterwegs und musste wirklich nicht einmal richtig doll einwirken.
- Er spürte, dass ich ihm helfen konnte und reagierte darauf, indem er sich, soweit es möglich war, beruhigte.
- Ich konnte nach der Geschichte einfach wieder aufsteigen und weiterreiten, er nutzte keinen Moment aus, um loszustürmen.
Dass das alles so abgelaufen ist, ist meiner Ansicht nach ein Ergebnis jahrelanger Vertrauens- und Beziehungsarbeit mit meinem Pferd.
Sicherheit entsteht für mich vor allem daraus,
- dass mein Pferd mir vertraut,
- dass ich mein Pferd sicher vom Boden aus führen kann – gerade dann, wenn die Situation schwierig wird,
- dass ich gefahrlos ab- und wieder aufsteigen kann, egal wo und unter welchen Umständen und
- dass mein Pferd meine Hilfen respektiert und zuhört, so schwer es ihm vielleicht auch fällt.
All das tut aus meiner Sicht nicht nur deutlich mehr für meine Sicherheit als scharfe Gebisse, Sporen oder andere Zwangsmaßnahmen – all das lässt sich auch durch den Einsatz von Gewalt oder genannter Hilfsmittel gerade nicht erreichen. Ich höre häufig so etwas wie „Ich brauche die Sporen nur für den Notfall, dann will ich was zum Steigern haben.“ oder „Ohne Gebiss würde ich nie ins Gelände gehen, da hab ich ja nichts in der Hand, wenn der mal losbrettert.“
Ich möchte nicht falsch verstanden werden: Ich sage nicht, dass z.B. jeder gebisslos ausreiten sollte, aber ich denke, dass ein scharfes Gebiss keine Sicherheitsgarantie ist. Ein Pferd kann mit Gebiss genauso durchgehen wie ohne. Für mich ist die tägliche Arbeit an unsere Beziehung das Fundament, das mir Sicherheit bietet, denn darauf verlasse ich mich im Zweifelsfall lieber als auf alle Hilfsmittel der Welt.
Manch einer mag über mich schmunzeln, dass ich mit meinem Fünfjährigen immer noch viel spazieren gehe, statt endlich „richtig“ auszureiten. Was ich da mache, ist mir genau diese Basis zu erarbeiten. Ich möchte ein Pferd reiten, von dem ich weiß, dass es mir zuhört – von unten und von oben. Ich will ein Pferd, das ich jederzeit von unten händeln kann, wenn es oben zu brenzlig wird, denn im schlimmsten Fall hängt davon mein Leben ab. Deshalb arbeite ich mit meinem Kleinen noch immer an der Basis und lass die Leute einfach schmunzeln. Ich bin überzeugt davon, dass ich mir mit dieser Arbeit auf Dauer das erarbeite, was ich mit meinem Großen inzwischen habe: eine stabile Vertrauensbasis. Die wird irgendwann in einer vergleichbaren Situation, wie ich sie heute mit meinem Großen hatte, die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöhen, auch dann ein vertrauensvolles Pferd zu haben, mit dem ich sicher durch eine solche Ausnahmesituation komme. Und das schenkt mir Sicherheit.
4. Juni 2008 von Tania Konnerth • Kategorie: Umgang • 5 Kommentare »