Einfach mal runterkommen oder: Warum ich immer bei mir anfangen muss
Lernen kann ganz schön schwierig sein. Ich weiß nicht, wie viele Male ich nun schon die Erkenntnis gewonnen habe, dass ich immer erst bei mir anfangen muss und nicht beim Pferd und ich weiß auch nicht, wie oft ich schon gegen diesen Grundsatz verstoßen habe…
Vor einigen Tagen hatte ich aber ein sehr eindringliches Erlebnis, das mir vielleicht helfen wird, tatsächlich immer öfter danach zu handeln.
Ich wollte mit meinem Großen Arbeit an der Hand machen. Nun hat er immer mal wieder Phasen, in denen er nach dem Zügel schnappt – mal mehr, mal weniger doll. An diesem Tag war es ziemlich schlimm, so dass ich den Zügel kurzerhand rausschnallte und ihn nur sanft am Kappzaumriemen auf der Nase anfasste. Das brachte allerdings keinen Erfolg, sondern im Gegenteil: Er schnappte nun nach dem Zügel, den ich mir um den Hals gehängt hatte.
Da dieses Geschnappe wirklich nerven kann, hatten wir deswegen schon öfters Zoff. Aber alles Schimpfen und Abstrafen hatte bisher keinen Erfolg, genauso wenig wie das Hapsen zu ignorieren. Nun kam mir in dieser Situation ein Gedanke: dass das Gehapse ja vielleicht gar nichts mit Ungehorsam oder Frechheit zu tun hat, sondern dass es eine Übersprunghandlung sein könnte. Hat mein Großer vielleicht einfach Stress und reagiert das so ab? Passen würde es, denn er ist sehr sensibel und hat Angst davor Fehler zu machen.
Ich hielt ihn an und probierte eine Übung aus, die mir Babette für meinen Kleinen gezeigt hat: Er sollte den Kopf senken und einfach mal nur einen Moment lang ganz ruhig dastehen. Hier ist die Übung zu sehen, wo Anthony durch einen Flatterbandvorhang gehen sollte:
Diese so einfach wirkende Übung war ein Ding der Unmöglichkeit! Aramis nahm immer wieder den Kopf hoch, schnappte nach meiner Jacke oder in die Luft und wurde eher unruhiger als ruhiger. In diesem Moment spürte ich einmal in mich selbst hinein und merkte, wie sehr ich selbst unter Druck stand. Ich hatte mich über das Gehapse geärgert und wollte jetzt, dass das aufhört. Entsprechend war meine Körperspannung sehr hoch. Meine Schulterpartie war verkrampft, meine Arme und Beine angespannt und innerlich war ich auch eher aggressiv als ruhig gestimmt. Tja, und so war es auch kein Wunder, dass mein Pferd alles andere im Sinn hatte, als entspannt neben mir zu stehen.
Es stand – mal wieder! – an, bei mir anzufangen: Also atmete ich erst einmal tief durch. Ich ließ meine Schultern fallen, lockerte meine Arme und Beine, lächelte und dachte an etwas Angenehmes (mein Bild ist hier immer der blaue Himmel von Sydney; das ist ein sehr einfaches Bild, mit dem aber für mich viele schöne Erinnerungen verbunden sind). Dann fragte ich Aramis noch einmal, ob er den Kopf senken könne. Ich achtete darauf, ruhig weiter zu atmen und innerlich friedlich und sanft zu bleiben. Es war absolut faszinierend zu erleben, wie es nun meinem Pferd möglich wurde, sich Stück für Stück einzulassen. Natürlich nicht sofort, aber die Stimmung wurde ruhiger, seine Aktionen weniger hektisch. Nach und nach blieb er auch wirklich mal unten und ließ die Augenlider ein bisschen fallen.
Da dieses Erlebnis sehr neu für uns war (ich bin leider oft viel zu „Zacki-Zacki“ drauf), wirkte er erst noch unsicher und kam sehr schnell aus der Entspannungshaltung, wenn ich meine Position veränderte. Ich konnte ihm aber zeigen, dass das Loslassen genau das ist, worum es geht – und zwar vor allem dadurch, dass ich selbst losließ.
Hier ein Bild von einigen Tagen später, wo sich die Übung schon etwas gesetzt hatte und von Aramis gut angenommen wurde:
Mich hat das alles sehr nachdenklich gemacht. Einmal für mich selbst, weil ich mal wieder eine so direkte wie intensive Rückmeldung darüber erhalten habe, wie wichtig es ist, bei mir anzufangen, aber auch für den Umgang mit Pferden allgemein. Wie oft verlangen wir etwas von den Tieren, ohne selbst vorzulegen? Mehr noch: Wie oft erwarten wir von ihnen etwas, wobei wir genau das Gegenteil tun?
Habt Ihr vielleicht schon Ähnliches erlebt? Ich freue mich auf Eure Berichte.
16. April 2008 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Verhalten • 5 Kommentare »