Das Wunder der Sternstunden

Kennen Sie das auch? Sie hatten gerade eine dieser absoluten Sternstunden zusammen mit Ihrem Pferd (dabei ist es ganz egal, ob Sie Ihr Pferd geritten sind oder ob Sie es longiert oder vielleicht Freiarbeit mit ihm gemacht haben): Es war alles so leicht. Die Verbindung zwischen Ihrem Pferd und Ihnen stand. Sie brauchten nur zu denken und Ihr Pferd tanzte unter bzw. neben Ihnen. Sie wollten gar nicht mehr aufhören, so schön war es 🙂

Das ist ein Gefühl, welches süchtig macht! Und dementsprechend will man es ganz schnell wieder genauso erleben. Also stiefelt man am nächsten Tag mit freudiger Erwartung zu seinem Pferd und erhofft sich dasselbe schöne Erlebnis, das man am Tag zuvor hatte. Aber genau das geht meiner eigenen Erfahrung nach zu 95 %  schief, denn am nächsten Tag klappt oft gar nichts mehr.

Wie oft ich das bei meinen Schülern/innen erlebt habe und wie oft ich selbst schon in diese „Wiederholungsfalle“ getappt bin! Und wie enttäuscht ich war, wenn es dann am nächsten Tag eben nicht so klappte, ja, teilweise war ich sogar ausgesprochen frustriert. Nach der Sternstunde dachte ich: „Jetzt ist der Knoten geplatzt“, oder „Jetzt können wir es endlich“, und dann stellte ich am Folgetag fest: „Nein, auch wenn es gestern geklappt hat, so heißt das noch lange nicht, dass es auch heute klappt.“

Die Sache mit den Erwartungen

Inzwischen habe ich erkannt, dass die Tatsache, dass eine Sternstunde nicht gezielt wiederholbar ist, nichts mit dem tatsächlichen Vermögen zu tun hat, sondern dass hier meine Erwartungen die entscheidende Rolle spielen. Wenn ich nämlich eine Sternstunde erwarte, kann ich sicher sein, dass sie ausbleibt.

Warum ist das so? Weil sich Erwartungsdruck und der Zauber einer Sternstunde widersprechen. Die absoluten Highlights mit unseren Pferden erleben wir meiner Erfahrung nach dann, wenn wir selbst locker und frei sind, wenn wir gelöst und entspannt sind. Dann, wenn wir eben gerade mit nichts Besonderem rechnen, sondern wenn wir in uns ruhen, fröhlich sind, die Zeit mit unserem Pferd genießen und kommen lassen können, was immer kommen mag.

Erwartungen hingegen verändern nicht nur unsere Ausstrahlung, sondern auch unsere Körperspannung. Pferde merken diese Unterschiede sofort, so fein sie auch sein mögen. Sie spüren unseren Muskeltonus, die Art, wie wir mit mehr Nachdruck Hilfen geben oder auch die Art, wie wir Fehler beantworten.

Während wir vielleicht am Tag zuvor kleine Fehler gar nicht wahrgenommen hatten, erkennen wir sie heute sofort, denn sie widersprechen dem Traumbild, was wir haben. Dass sie gestern auch da waren, wissen wir nicht, da wir sie nicht bewusst gesehen haben. Heute signalisieren wir dem Pferd: „Nein, das ist falsch“, und schon wird das Pferd unsicherer und traut sich vielleicht gar nicht mehr das, was es gestern gezeigt hat, anzubieten.

Unsere Erwartungen beeinflussen uns, unser Pferd und damit auch das Ergebnis. Es ist gut, positive Zielbilder im Kopf zu haben, aber fast noch wichtiger erscheint es mir, sie loslassen zu können. Denn: Sternstunden bekommt man nur geschenkt.

28. Februar 2012 von Babette Teschen • Kategorie: Sonstiges 7 Kommentare »

 

7 Reaktionen zu “Das Wunder der Sternstunden”

 

Von Beate • 28. Februar 2012

Genau so isses !!!!

Glück ist reines Erwartungsmanagement: Erwartet man wenig bis nix , dann bekommt man oft mehr, als man erwartet hat und ist glücklich darüber.

Erwartet man zuviel und bekommt die gleiche Leistung wie oben, ist man enttäuscht. 😉

Wenns nur nicht so schwer wäre, das auch durchzuhalten….. 😉

 

Von Annika • 29. Februar 2012

Absolute Zustimmung ! Diese Erfahrungen haben wir am Stall schon sooo oft gemacht. Vor allem beim Reiten. Wenn man eigentlich gar keine große Lust hat und sich dann drauf setzt mit der Einstellung : Mal gucken was so kommt, wenn ich selber nicht motiviert bin kann ich auch nicht viel vom Pferd verlangen. Dann ist man entspannt und nimmt Fehler nicht übel. Das ist der Fehler. Man sollte Fehler NIEMALS übel nehmen.
Wenn man sich aber aufs Pferd setzt mit der Vorstellung : Heute verbessern wir die Seitengänge, oder heute arbeiten wir an einem flotteren Trab dann hat man genau diese Lektionen perfektioniert vor Augen und ist gar nicht mehr offen für andere Dinge, die an diesem Tag nicht so gut klappen, aber wichtiger sind um die anderen Lektionen auszuführen.
Aber ich denke wenn man generell diese Einstellung hat und bereit ist vom Pferd zu lernen und geduldig zu sein, kann es nur besser werden mit der eigenen Erwartungshaltung.

 

Von Julia • 5. März 2012

Ach Babette, wie schön Du sprichst mir aus dem Herzen. Genau so habe ich es auch wieder letzte Woche ganz extrem empfunden, könnte es aber nie so in Worte fassen wie Du! Vielen Dank……

 

Von Ursula • 5. März 2012

Ja, kann das nur voll unterstreichen. Ich bezeichne solche Momente selbst auch als „Sternstunden“. Es war ein Schneeausritt in der Sonne im vergangenen Winter oder ein HErbstausritt im goldenen Oktober letzten Herbst….. oft kommen sie, wenn ich mich treiben lasse, nicht mal genau weiss, wo ich hinreiten will. Und dann sagt mein Pferd:“Komm, lass uns zusammen unterwegs sein.“ Und dann ist alles pure Harmonie – und ja, es macht süchtig.

Diese kostbaren Momente haben sich mir eingeprägt genauso wie vor vielen Jahren mein erster Galopp am Meer….. wenn Glück so groß ist, dass man es fast nicht aushalten kann und man diese Momente im Nachhinein immer wieder durchlebt.

Und leider ja – sie sind nicht planbar!
Danke für eure Seite. Ich finde mich so oft wieder 🙂

 

Von Gabi • 8. März 2012

Wie wahr! Und das gibt`s ja nicht nur mit Pferden, sondern auch bei Freunden, in Urlauben, bei Begegnungen aller Art…solche Sternstunden lassen sich einfach nicht beliebig wiederholen – und schon garnicht „auf Befehl“

 

Von Charlie • 4. April 2012

Ich glaube das Gefühl der Sternstunden kennt wirklich jeder. Und dass es oftmals bei der nächsten Einheit trotz der letzten Leistungen nicht fluppt, musste wohl auch schon fast jeder machen, ich also ebenso;)
Aber seit ich vermehrt mit jungen Pferden arbeite, hab ich mir diese Erwartugnshaltung ganz schnell abgewöhnt, die frustriert nur. Stattdessen mache ich mir keine Pläne mehr nach dem Schema „gestern haben wir das gemacht, heute können wir darum an dem punkt ansetzen“, mittlerweile gucke ich immer erst, wie ist das Pferd heute drauf, wie reagiert es auf mich an dem tag, etc. Erst dann entscheide ich genau, was gemacht wird und selbst dann gehe ich immer erst an die niedrigste denkbare Stufe, um dann ggf. in der selben Einheit noch darauf aufzubauen:) Und freue mich dann umso mehr, wenn man mal unerwartet schnell mit den Jungspunden vorankommt
Bisher fahre ich sehr gut damit und die Pferde arbeiten auch sehr schön mit, weil immer was gemacht wird, was sie schon können und wofür gelobt wird;)
Und man gewöhnt sich daran, Dinge erst nach laanger Zeit als gekonnt einzustufen.

 

Von Rebecca • 4. Mai 2014

Wie oft habe ich schon genau das erlebt… Und wie oft war ich dann mehr als enttäuscht. Und wie oft war ich dann unfair zu meinen Pferden, wie oft hatte ich dann am nächsten Tag, die nächste Zeit einfach keine Lust, irgendwas mit ihnen zu machen?
Aber ich muss auch sagen, es wird immer besser, solche Tage mit viel zu hohen Erwartungen kommen immer weniger vor, dafür immer mehr Tage, die einfach nur toll sind ♥

 

 

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