Was der Gesichtsausdruck des Pferdes bei der Arbeit verrät

In meinem Reitunterricht gucke ich den Pferden ins Gesicht. Auch wenn die Mimik des Pferdes nicht so ausgeprägt ist wie unsere (das Pferd hat wesentlich weniger Gesichtsmuskulatur für seine Mimik zur Verfügung), so kann es uns doch deutlich über seinen psychischen und physischen Zustand etwas mitteilen.

Für mein Empfinden ist eines der größten Übel für unsere Pferde, dass die Natur sie zu stumm Leidenden gemacht hat. Wie schlimm würde so manche Reiteinheit mit anzuhören sein, würden Pferde wie Hunde bei Schmerzen winseln oder jaulen! Aber auch Pferde zeigen ihr Leid. Wir müssen nur hinschauen und uns emphatisch auf das Pferd einlassen. Natürlich können verschiedene Zuschauer ein Pferd sehr unterschiedlich sehen. Auf den einen wirkt das Pferd angestrengt konzentriert, auf den anderen vielleicht unglücklich. Wer Recht hat? Das kann uns mit Sicherheit nur das Pferd sagen.

Verlassen Sie sich auf Ihr Gefühl und gucken Sie so objektiv wie möglich hin (also zum Beispiel Ihre Bewertung nicht Ihrer Anti- oder Sympathie für den/die Reiterin anpassen 🙂 )

Um einschätzen zu können, wie es einem Pferd bei der Arbeit geht, achten Sie auf folgende Details:

  • Wie wirkt das Auge?
  • Wie das Maul?
  • Was sag die Stellung seiner Ohren aus?

Die Augen

Es stimmt schon, dass die Augen der Spiegel der Seele sind. Nirgends zeigt sich Begeisterung, Freude, Konzentration und leider auch negative Zustände wie Schmerz, Hoffnungslosigkeit oder Überforderung deutlicher.

Achten Sie einmal bewusst auf die Augen von Pferden, die Sie sehen:

  • Wirken die Augen entspannt?
  • Schauen sie wach, interessiert, ohne Panik?
  • Blitzt aus ihnen der Schalk?
  • Blicken sie sanft wie die eines Rehes?
  • Oder sieht man viel Augenweiß (bei manchen Rassen typisch, ansonsten oft ein Zeichen für Angst), guckt das Pferd gestresst?
  • Hat es das Auge verkniffen, sieht man Falten über den Augen?
  • Wirken die Augen trübe, sogar grau?
  • Apatisch?
  • Welche Gefühle empfinden Sie, wenn Sie dem Pferd ins Auge schauen?

Nehmen Sie alles ernst. Es ist vielleicht das lautlose Leiden eines Pferdes.

Das Maul

Ein zufriedenes Pferd arbeitet mit entspanntem Kiefergelenk und mit weichem Maul. Es nimmt die Zügelhilfen ohne Kummer an, lässt sich vom Reiter den Kiefer mobilisieren und antwortet mit Lecken und Kauen.

Ein Pferd, das Kummer oder Schmerzen hat, zeigt in der Regel eine verkniffene Maulpartie. Es sind deutliche Falten erkennbar. Oftmals „zeigt es auch Zähne“, kaut hektisch auf dem Gebiss, zeigt Zungenfehler oder knirscht mit den Zähnen.

An dieser Stelle eine Anmerkung zum Sperrriemen: Bitte benutzen Sie ihn nie, um dem Pferd das Maul zuzuschnüren! Wenn das Pferd sperrt, ist es seine Möglichkeit zu zeigen, dass die Hand zu hart ist, Sie ihm Schmerzen bereiten. Was ist der bessere Weg: an der Weichheit Ihrer Hand zu arbeiten oder diese Schmerzäußerung zu kaschieren?

Die Ohren

Ein entspanntes Pferd lässt die Ohren spielen. Immer wieder horcht mindestens ein Ohr zum Reiter hin. Manchmal sieht man die Ohren sogar locker im Takt wippen 🙂 .

Fazit: Sicherlich sollte immer das Pferd im Ganzen betrachtet werden. Wie bewegt es sich? Wie verhält sich der Schweif? Doch nichts vermittelt mir deutlicher ein Gefühl für das Pferd, als dieser Blick ins Gesicht.

Wie sehen Sie das?

12. März 2008 von Babette Teschen • Kategorie: Anatomie und Körper 6 Kommentare »

 

6 Reaktionen zu “Was der Gesichtsausdruck des Pferdes bei der Arbeit verrät”

 

Von Anna-K. • 14. Oktober 2008

Hallo Babette,
ich finde diese Seiten sehr interessant und informativ – danke dafür.
Was mich aber immer wieder wundert, wenn’s um Reiten geht, ist, dass man das Gebiss immer noch als ein selbstverständlich akzeptables Mittel zur Kommunikation sieht. Dabei gibt es bereits so viele eindeutige Untersuchungen, die zweifelsfrei belegen, dass ein Gebiss selbst in den „besten Händen“ für das Pferd unangenehm bis schmerzhaft ist. Und ich meine noch nicht mal die Reiter, die mit eigenem Zutun (bewußt oder unbewußt) dem Pferd damit Schmerzen zufügen.
Wenn ich Pferdegesichter anschaue, habe ich immer das Gefühl, dass sie unglücklich schauen sobald sie diesen Fremdkörper im Maul tragen müssen. Und es gibt keinen driftigen Grund, außer den des Eigennutzes und Egoismus vom Menschen, dafür, dass man sein Pferd mit Gebiss reitet. Denn es ist ganz sicher, dass ein Pferd sich mit NICHTS halten lässt, wenn es sich nicht ohnehin beschlißt bei seinem Menschen zu bleiben. Wenn man ein freundschaftliches Verhältnis mit seinem Pferd anstrebt, ist ein Gebiss überflüssig und sogar hinderlich: wie kann ich von meinem Pferd erwarten, dass es mir vertraut, wenn ich ihm so wenig vertraue, dass ich ihn mit Schmerzandrohung durch Gebiss zwingen will bei mir zu bleiben? Wenn es darauf ankommt, geht es ohnehin durch und kein Gebiss der Welt kann’s daran hindern!! Aber wenn ich daran arbeite, dass sich das Pferd bei mir wohl und sicher fühlt, wird es auch in brenzligen Situationen auf mich hören ohne, dass ich ihn erst mit Schmerzeinwirkung daran erinnere, dass ich da bin und die Kontrolle behalten möchte….
„…die lange Gewohnheit, nichts Negatives in einer Sache zu sehen, gibt ihr den Anschein, richtig zu sein“. Es ist höchste Zeit, dass sich in dieser Hinsicht im Bewußsein der Reiter und Pferdefreunde was ändert.
Es freut mich jedes Mal, wenn ich in Ihren Bildern den LG-Zaum statt Gebiss im Einsatz sehe! Und es gibt auch noch andere Alternativen. Aber erst muss sich die Einstellung ändern und der Wille da sein, der Rest ergibt sich von allein (und ich rede aus eigener Erfahrung :-))
Freundliche Grüße
Anna-K.
Freundliche Grüße
______________________________________________________
Liebe Anna-K.
vielen Dank für Deinen Kommentar.
Hast Du meinen Blog über gebissloses Reiten gelesen?
Dort schreibe ich über meine Gedanken zum Thema Gebissloses Reiten, seine Vorteile, aber auch über die Grenzen wie ich sie sehe/erlebe.
Liebe Grüße,
Babette

 

Von Kerstin • 6. Oktober 2009

Hallo Babette,
leider bin ich jetzt in der Situation genau deine Beschreibungen sehen zu müssen.
Die Augen sagen wirklich ganz viel über das Befinden des Pferdes.
Leider sehe ich im Moment bei meinem Pferd Schmerzen in den Augen und er zeigt es auch deutlich mit den Ohren.
Schon beim putzen sind sie angelegt.
Auch die Bewegungen wirken müde.
Manche leute haben gesagt:der verarscht dich,setz dich durch,der will nicht.
Aber jetzt kommt der TA und ich hoffe das wir alles hin kriegen.
Es müßten mehr Pferdebesitzer sich mal ihre Pferde genauer ansehen,ihnen einfach mal zuhören.

Gruß Kerstin
___________________________________________________
Liebe Kerstin,
alles Gute, dass es Deinem Pferd schnell wieder richtig gut geht!
Liebe Grüße,
Babette

 

Von Marie Theres • 23. Juni 2010

Hallo Babette!

Eins fehlt leider noch: die Nüstern.

Mein Wallach verzieht die Nüstern regelrecht angewidert wenn ihm etwas nicht gefällt oder passt. Momentan lahmt er leider da er sich einen Nerv in der Schulter eingezwickt hatte und so müssen wir zum Lockern immer wieder longieren damit er sich „einlaufen“ kann. So unangenehm es für ihn auch ist – er muß leider lt. THP 🙁
Dabei kann man den Gesichtsausdruck kaum ansehen. Traurige Augen und die Nüstern nach oben gezogen.

Wie schade, daß die meisten Reitern ihren Pferden beim Reiten nicht ins Gesicht sehen können.

liebe Grüße

Marie Theres
_______________________________________
Liebe Marie,
vielen Dank für die Ergänzung dieses wichtigen Punktes und gute Besserung an Dein Pferd!
Liebe Grüße,
Babette

 

Von Yvonne Stümke • 6. Oktober 2011

Hallo Babette,
schon oft habe ich meine und auch Pferde von anderen beobachtet. Leider sieht man immer mehr zu „Maschinen“ umgearbeitet Pferde auf Reitplätzen und Tunieren. Meine Pferde hat diese Eigenschaft nicht. Ihnen sitzt wie man so schön sagt hin und wieder auch der Schalk im Nacken, sie zeigen aber auch deutliche Abwehrreaktionen wenn Ihnen etwas nicht passt, da reicht schon eine falsche Hilfe und das Pony schaut bistig drein. So wissen wir aber auch immer gleich, jetzt läuft etwas falsch.

Ich wünschte mir, das die Reiter ihre Pferde selbst sehen können wenn sie sie reiten, so manch einer, sicherlich auch ich selbst würde manchmal erschrecken.

Liebe Grüße
Yvonne

 

Von Ute • 5. April 2012

Hallo,

als Reiterin vermisse ich die Möglichkeit meinem Pferd ins Gesicht zu schauen, was bei der Bodenarbeit absolut normal ist. Um so spannender finde ich es die Mimik meines Pferdes zu beobachten, wenn mein Partner auf ihm sitzt. Ich kenne die Launen und Ausdrucksweise meines Pferdes sehr gut. Es ist für mich immer wieder hilfreich zu sehen, worauf und wie er unter dem Reiter „mimisch“ (heißt das so? 🙂 reagiert. Es hilft mir mein Pferd noch besser kennen zulernen, zumal er noch am Anfang seiner Ausbildung steht.
Damit ich auch immer mal wieder sehen kann, welche Regungen er unter mir zeigt, lasse ich mich öfter von meinem Partner filmen. Immer wieder in Nahaufname des Kopfes mit entsprechendem Kommentar, was gerade gemacht wird. So erhalte ich eine „Spiegelung“, Bestätigung oder auch Abweichung von meinem Gefühl als Reiter. Ich konnte durch diese „Kontrolle“ die Kommunikation zwischen Pferd und mir schon verbessern. UND … es hilft auch immer mal meiner tollen Reitlehrerin mir etwas zu verdeutlichen 🙂

Viele Grüße
Ute

 

Von Coco • 3. Mai 2015

Hallo 🙂
Ich wollte mich erst einmal bei Ihnen bedanken. Ich habe durch Ihre Seite schon viel gelernt. Doch nun habe ich eine Frage, die zu diesem Artikel passt: was kann ich tun, wenn mein Pferd sperrt, obwohl ich (das sagen zumindest alle meine Reitlehrer) eine feine Hand habe und auch viel in der Hand nachgebe? Zum Beispiel lasse ich oft mal die Zügel lang um zu überprüfen ob er trotzdem sperrt und er tut es trotzdem. Mir Kommt es so vor, als mag er das Gebiss nicht und er tut mir jedes mal leid, wenn ich ihn auftrense. So aus der Ferne kann man schlecht etwas beurteilen aber vielleicht können Sie mir Tipps geben? Das wäre sehr nett
Liebe Grüße,
Coco
______________________________________
Liebe Coco,
zunächst solltest Du die Zähne und den Mundraum Deines Pferdes von einem Fachmann überprüfen lassen um Schmerzen im Maul, die evtl. das Sperren Deines Pferdes verursachen, auszuschliessen.
Wenn es keine Ursache zu finden gibt, kann es gut sein, dass Dein Pferd das Gebiss einfach so als sehr unangenehm empfindet. Das ist keine Seltenheit und wenn man sich so ein Stück Metall im Mund vorstellt, in meinen Augen auch gut nachvollziehbar. Wir haben hier schon viele Beiträge zum Thema gebissloses Reiten geschrieben, z.B. hier oder hier. Vielleicht wäre das gebisslose Reiten ja eine Alternative für Dich. Ich könnte mir vorstellen, dass Dein Pferd Dir das sehr danken würde!
Liebe Grüße,
Babette

 

 

Einen Kommentar schreiben

 

Die folgenden Tags sind erlaubt: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>

  • Reitkurs

  • Herzlich Willkommen im Archiv-Blog von „Wege zum Pferd“

    "Wege zum Pferd" wurde 2008 von Tania Konnerth und Babette Teschen gegründet und wird seit 2021 von Tania allein auf der neuen Seite weitergeführt.

    Dies hier ist das Archiv, in dem sich die vielen, vielen Blogbeiträge, die über die Jahre entstanden sind, finden. Neue Artikel gibt es im neuen Blog von "Wege zum Pferd".

    "Wege zum Pferd" findet Ihr auch bei FacebookFacebook und Instagram.

    Abonniert am besten gleich den kostenlosen Newsletter damit Euch nichts entgeht

    Lesetipp: "Best of Wege zum Pferd" – das E-Book zur Webseite:

    Schon gesehen? Unsere Selbstlernkurse – alles für mehr Pferdefreundlichkeit – gibt es hier:

    Und hier geht es zu unserem gemeinsamen Buch bei Kosmos:

  • Kategorien

  • Archive