Wenn Pferde ja sagen…

Für mich kristallisiert sich immer stärker ein Schlüsselelement für den Umgang mit Pferden heraus: und das ist das Ja meines Pferdes. Das Ja zur Zusammenarbeit, das Ja dazu, meine Vorschläge anzunehmen, das grundsätzlich Ja zu mir.

Als ich im Alter von 10 Jahren mit dem Reiten begann, brachte man mir vor allem bei, „mich durchzusetzen“, den Pferden also meinen Willen aufzuzwingen. Sagte ein Pferd nein, wurde nicht gefragt, warum, sondern man verstärkte die Hilfen, den Druck oder auch den Gerteneinsatz.

Je älter ich wurde, desto falscher erschien mir das. Ich suchte aktiv nach anderen Methoden, anderen Umgehensweisen mit Pferden, nach anderen Ansätzen und Wegen, ein Ja vom Pferd zu erhalten. Es war oft schwierig, die alten Muster abzulegen – das „Setz dich halt durch!“ saß sehr tief. Die Kombination aus meinen beiden starken Hafi-Persönlichkeiten, die mir jeder auf seine ganz eigene Weise deutlich machten, dass ich mit „Dominanz“ nicht weiterkomme und die vielen schönen und klugen Ansätze, die ich durch Babette kennenlernte haben mich inzwischen wirklich umdenken lassen.

Heute kann ich ein Nein meiner Pferde akzeptieren. Ein Nein heißt für mich nicht mehr „Das Pferd ist bockig und wenn ich mich nicht durchsetze, verliere ich.“, sondern ein Nein heißt viel mehr so etwas wie „Das Pferd will das nicht und es hat aus seiner Sicht gute Gründe dafür. Entweder versteht es nicht oder sieht den Sinn nicht oder es ihm nicht möglich oder es hat gerade andere Sorgen.“

Sprich: ich gestehe meinen Pferden zu, dass sie nicht funktionieren und ich habe auch keine Angst davor, „mich nicht durchsetzen zu können“. Ich will mich ja gar nicht mehr „durchsetzen“! Ich will viel mehr überzeugen, ich will ein ehrliches Ja meines/r Pferde/s. Und das muss ich mir erst verdienen. Ich kann es nicht erzwingen, sondern ich kann es nur geschenkt bekommen.

Geht doch mal durch die Pferdewelt und schaut Euch aufmerksam alle möglichen Pferde in allen möglichen Situationen an. Fragt Euch ganz ehrlich: Sagt dieses Pferd gerade ja und welche Qualität hat dieses Ja des Pferdes?

In sehr vielen Bereichen gibt es meiner Einschätzung nach leider kaum gemeinsam erarbeitete Ja’s, sondern vor allem ein durch Zwang erreichtes Mitmachen, oder was mein Ihr? Und lohnt es sich nicht, an einem solchen Ja zu arbeiten?

19. August 2010 von Tania Konnerth • Kategorie: Umgang 12 Kommentare »

 

12 Reaktionen zu “Wenn Pferde ja sagen…”

 

Von Charlotte • 19. August 2010

Hallo Tania!
Ein toller Beitrag, wenn bloß alle Pferdeleute so denken würden!
Was macht du, wenn das Pferd nein sagt?
LG,
Charlotte

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Danke, Charlotte. Ich reagiere sehr unterschiedlich je nach Art des Neins und nach der Situation. Am wichtigstens ist mir der Versuch zu verstehen, warum das Pferd nein sagt – hat es Angst, versteht es nicht, hat es keine Lust, vertraut es mir nicht, tut ihm was weh usw. Je länger ich mich mit dem Thema „Ja meines Pferdes“ befasse, desto weniger glaube ich daran, dass es Pferde gibt, die „nur bockig“ sind. Ein Pferd hat immer einen Grund, wenn es nein sagt. Und nur wenn ich den Grund wenigstens im Ansatz verstehe, kann ich angemessen reagieren.

Tania

 

Von Milka • 21. August 2010

Aber kann denn ein Pferd zu allem, was man von ihm will von ganzem Herzen „ja“ sagen?

Ich denke zum Beispiel daran, wie ich mit meiner Milka in den letzten Tagen immer spazieren gehe. Erst wollte sie nicht vom Hof und zurück will sie natürlich auch immer schnell. Daran arbeiten wir ja, bzw ich, aber während des spaziergangs denkt sich das Pferdchen dann doch nicht „ich will nichts anderes als gerade hier neben ihr zu laufen“..

oder versteh ich deinen Gedankengang falsch? Ich muss ja schließlich als Pferdebesitzer auch Sachen machen, zu denen das Pferd nicht ja sagt. Es ist natürlich toll, wenn das Pferd voll und ganz bei der Sache ist, aber oft geht das gar nicht, oder?

Liebe Grüße
Meike

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Hmmm, also mein Zielbild ist schon, dass mein Pferd gerne mit mir geht und Spaß an den Sachen hat, die ich mit ihm mache. Und klar, es wird immer auch Sachen geben, wo wir dieses Zielbild nicht erreichen. Aber ich kann es immer und immer wieder neu bei allen möglichen Gelegenheiten anstreben, dass mein Pferd wirklich „ja“ sagt.

Hast Du mal versucht herauszufinden, warum sie nicht gerne mit spazieren kommt?

Tania

 

Von Maike • 22. August 2010

Sehr schöner Beitrag, der mir aus dem Herzen spricht!

Als ich vor Jahren der Ansicht war mein Pferd möge „ja“ sagen zu dem Geritten werden, habe ich viel Spott geerntet. Pferde mögen freiwillig nun mal nicht geritten werden, so hieß es.

Ich denke es ist ein elementarer Widerspruch, wenn ich einerseits behaupte mein Pferd zu lieben und es andererseit zu etwas zwinge, wie das geritten werden, und gleichzeitig davon ausgehe, dasss es das nie freiwillig tun würde.

Auch zu den lästigen und unangenehmen Dingen, wie Wurmkur und Zahnbahandlung kann man sie durchaus überzeugen ;-).

Vielleicht geben manche Menschen einfach 1:1 den Druck dem sie selber ausgesetzt sind weiter …

Maike

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Ja, das kann gut sein. Was aber auch eine große Rolle spielen dürfte ist, dass die allermeisten es ja so lernen: das Pferd MUSS tun, was ich will. Leider 🙁

Würde man von Beginn an lernen, das Ja eines Pferdes zu gewinnen, wäre es für alle Beteiligten viel schöner – nur dauert das eben auch viel mehr Zeit als sich eben mal schnell durchzusetzen.
Tania

 

Von Marina • 23. August 2010

Wenn ich nur darf, wenn ich soll,
aber nie kann, wenn ich will,
dann mag ich auch nicht, wenn ich muss.
Wenn ich aber darf, wenn ich will,
dann mag ich auch, wenn ich soll,
und dann kann ich auch, wenn ich muss.
Denn schließlich:
Die können sollen, müssen wollen dürfen!

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Schöner Text!
Tania

 

Von Katharina • 23. August 2010

Ein toller Beitrag, vielen Dank! Ich finde es auch besser, eine Übung abzubrechen, wenn ich das Pferd nicht so recht zum Mitmachen begeistern kann – weil mir dann oft selbst die Lust vergeht … und andererseits ist es sooo schön, wenn die Pferde dann wirklich JA sagen und mit Freude dabei sind.
Oft liegt es auch an der eigenen Haltung, wenn der Funke zum Pferd nicht so recht überspringt und da ist die Parallele zum Menschen sehr spannend – wer von uns sagt denn immer JA zu dem, was er gerade machen soll/muss? Vielleicht können wir den Pferden UND uns immer mehr erlauben, klare JAs und NEINs zu sagen …

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Jep, da unterschreibe ich sofort!
Tania

 

Von Lucia Brack • 23. August 2010

Gedanken, die ich mir auch schon gemacht habe. Ein sehr schwieriger Weg! ABER EIN LOHNENDER.

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Unbedingt!
Tania

 

Von Anja • 24. August 2010

Richtig super Beitrag…bis zum letzten Winter wurde ich mit meiner Einstellung zu meiner Stute ausgelacht, weil wir ein agreement haben. Frei nach dem Motto “ ich tu Dir nichts böses und Du mir nicht“. Aber wer zu letzt lacht / wiehert ;-)… Meine Vollblut-Stute von knapp 3 Jahren (!) zeigte in einer improvisierten Kurzshow vor Publikum, was alles möglich ist. Nur über Stimme und Handzeichen – ohne Führstrick – so klassische Dinge wie Vor-, Hinterhandwendung, Rückwärts gehen, Trabstangen Schritt für Schritt (kontrolliert überwinden – finde ich sehr wichtig im Gelände )und anderes. Das ist aber nur möglich, weil wir beide „JA“ sagen und ich von meiner Süssen jeden Tag neu herausgefordert werde und neue Wege finden / gehen muss. Dabei lassen wir uns aber auch alle Zeit die wir benötigen. 😉

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Wow, wie schön!
Tania

 

Von Annett • 26. August 2010

Toller Beitrag! Beim Lesen bekam ich gleich wieder Gänsehaut und feuchte Augen, weil ich an all die schönen Momente der letzten Zeit denken mußte. Bewußt bin ich die letzten zwei Monate ohne genaue Vorstellungen zu unserem „Pony“ gegangen. Nach dem Motto: Mal sehen, was uns heute Spaß macht. Und siehe da, er hat von sich aus so viel angeboten und auch Sachen gemacht, die bisher überhaupt nicht gingen. Das schönste war, dass er nicht wie sonst zu seinen Kumpels gedüst ist als sie vom Ausritt wieder kamen. Nein, er blieb bei mir und hat als i-Tüpfelchen von sich aus mit „circle game“ begonnen. Ich brauchte nur noch kleine Impulse geben und er ist mit sichtlich viel Spaß um mich „herumgetänzelt“. Mit Druck hat er nur dicht gemacht und sich stur gestellt. Ich war am Ende frustriert.

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Jep, dieses „Weniger wollen und dafür mehr bekommen“ kenne ich auch. Klingt schön bei Euch!
Tania

 

Von Petra • 19. November 2010

Dem kann ich mich nur anschließen. Schließlich brauchte ich fast ein Jahr bis mein Pflegehafi JA zu mir sagte. Sie hatte vorher wohl schon eine Zeit lang nicht wirklich viel Zuwendung bekommen. Nun freue ich mich über jeden Schritt den wir weiter voran kommen und lasse mich durch „Durststrecken“ in denen aber auch gar nichts klappen will nicht entmutigen. Viel schöner ist wenn sie mich schon mit einem lauten Grummeln begrüßt und darauf wartet was heute passiert.

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Schööön 😀
Tania

 

Von Monika Ryll • 2. April 2013

Hallo Tania
Sehr schöner Artikel! Gerade versuche ich zu verstehen, was damit gemeint ist mit dem Ja sagen des Pferdes. Merke aber, dass ich dabei an meine Grenzen stoße und suche nach Lösungen. Denn ich glaube daß ein Pferd immer mal Nein sagt, wie soll man das Nein in ein Ja verwandeln? Ich glaub die alten Dogmen von Dominanz und durchsetzen sitzen sehr tief und funktionieren halt auch. Wo finde ich Tipps fürs Umdenken, oder nein besser umgedacht hab ich schon längst, Anregungen fehlen wie kann ich in Situationen wo mein Pferd Nein sagt es zu einem Ja veranlassen????

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Hallo Monika,

wie ich gesehen habe, hast Du Dir bereits unser Wege-zum-Pferd-E-Book bestellt 🙂 Ich denke, Du findest hier auf dieser Seite (und in dem E-Book) eine Fülle an Anregungen. Ich für mich glaube nicht mehr an einfache Lösungen, die zu schnellen Ergebnissen führen, sondern an ein achtsames Miteinander. Es ist ein ständiger Prozess des gemeinsamen Wachsens.

Herzlich,
Tania

 

Von Birgit • 4. April 2013

Es ergibt sich oft, was mein 26jähriges Pflegepferd und ich machen.
Eigentlich gehe ich meistens ohne bestimmte Vorstellung WAS wir machen wollen zum Pferd. Da Lugano nicht mehr geritten wird weil er im letzten Jahr durch einige Koliken sehr dünn geworden war, hatte ich anfegangen, ihm ein paar zirzenssche Lektionen, so wie er´s kann beizubringen.

Die Tage hatte ich Lui nach dem Doppellongentraining von Longiergurt und Kappzaum befreit und er sollte sich wälzen dürfen. Er wollte aber nicht, kam zu mir und machte eine Verbeugung. OK. Wir haben, so ganz frei wie er war noch ein wenig Verbeugung und Spanischen Gruß gemacht. Den Spanischen Gruß wolle er erst nicht. Nur die Verbeugung, die er so gerne macht. Ich hatte mich aber so „durchgesetzt“, dass ich ihm immer wieder vorgemacht hatte, ein Bein zu heben, BIS er es gemacht hatte. Einmal links und einmal rechts. Dann sofort „Klick und Leckerlie“ und fertig. DANN durfte er seine Verbeugung nochmal machen und Feierabend.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man beim Pferd auf die Schnelle nichts erzwingen kann.
Manchmal muss man auch überreden.
Das braucht auch seine Zeit, die man dem Pferd unbedingt geben sollte.
Mit “ Du musst“ erreicht man gar nichts. Niemals ein zufriedenes „JA“.

 

Von Sue • 5. April 2013

Schöne Anregung 🙂
Meine Feststellung ist, dass es oft gar nicht mal so sehr an der Bereitschaft mangelt, sich das Einverständnis seines Pferds einzuholen, sondern an dem Verständnis an sich. Um nicht mit dem Finger auf andere zu zeigen: Ich selbst bin mit Pferden groß geworden und dachte bis vor kurzem, dass es da eine ganz tolle Verbindung zwischen diesen sanften Kraftprotzen und mir gibt – bis ich jemanden kennen lernte, der mir zeigte, wie es richtig geht. Ich dachte, ich könne reiten – so langsam begreife ich, wie weit ich vom WIRKLICHEN Reiten noch entfernt bin. Ich bezeichne mein bisheriges „Können“ mittlerweile nur noch als ein geschicktes „Obenbleiben“. Nach 2 Jahren bin ich endlich so weit, selbst die fast unsichtbaren Zeichen meines Pferdes zu verstehen und es passiert immer öfters, dass man mir auch nach dem Lernen von neuen Lektionen das „Grinsen aus dem Gesicht schneiden“ müßte, weil dieses Frage-Antwort-Spiel zwischen uns mittlerweile fast immer funktioniert. Und die Erkenntnis, dass jedes Pferd anders „spricht“ – wie wir letztendlich auch. Der Weg der Aufmerksamkeit ist ein weiter – aber auch ein herrlich befridigender – und beginnt am Boden!

 

 

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