Gedanken zum Thema „Vertrauen“

„Woran erkennen Sie, dass Ihr Pferd Ihnen zu 100% vertraut?“ – Diese Frage stellte mir während eines Telefoninterviews eine Redakteurin der Pferdezeitschrift ReitZeit. Meine erste Reaktion darauf war zu sagen, dass es in meinen Augen kein 100%iges Vertrauen zwischen Pferd und Mensch gibt, auch wenn ich Pferd-Mensch-Beziehungen kenne, die sehr harmonisch sind und in denen die Pferde sich ihrem Menschen gerne und sehr stark anvertrauen.

Wenn ich z.B. Tania sehe, wie sie mit ihrem Aramis „nackig“, also ohne Kopfstück durchs Gelände reitet, ist das in meinen Augen schon nah dran am absoluten Vertrauen. Aber 100 %? Und woran würde ich diese 100 % festmachen? Über diese Frage habe ich nach dem Telefonat noch viel nachgedacht.

Hinlegen? Gemeinsam durchs Feuer gehen?

Was sind das für Situationen wo ein außenstehender Mensch sagt:“ Boah, das Pferd hat aber viel Vertrauen.“? Meistens sind es Vorführungen auf Messen oder Shows, auf denen ein Pferd „frei“ durchs Feuer springt oder sich trotz Tumult ruhig neben seinen Menschen ablegt. Das sind Szenen, in denen wir Zuschauer staunen über diesen großen Vertrauensbeweis.

Aber geht es hier wirklich um Vertrauen?

Um das beurteilen zu können, müsste ich wissen, ob das Pferd sich tatsächlich freiwillig auf das Kommando hin ablegt oder ob es das aus der Motivation heraus tut, dass es gelernt hat, dass es negative Konsequenzen gibt, wenn es sich nicht ablegt. Und das könnte ich nur wissen, wenn ich bei dem vorführenden Menschen heimlich beim Training Mäuschen gespielt hätte. Am Endergebnis kann ich selten erkennen, wie das Pferd eine Lektion gelernt hat und aus welcher Motivation heraus es etwas zeigt.

Darf das Pferd auch nicht vertrauen?

Eine ganz entscheidende Frage ist für mich: Hat das Pferd das Recht darauf, eben auch mal nicht zu vertrauen, sprich: sich eben nicht hinzulegen oder nicht durch das Feuer zu springen? Vertrauen ist in meinen Augen niemals erzwingbar, es kann nur ein Geschenk sein. Und wenn ein Pferd so lange Druck erhalten hat, bis es in jeder Situation immer zu 100 % korrekt reagiert, ist das Pferd in meinen Augen nur 100%ig abgerichtet und perfekt dressiert, aber mit Vertrauen hat es dann für mich nichts zu tun.

Wie oft wird ein Pferd, wenn es nicht das macht, was der Mensch will, entweder mit negativem Druck gearbeitet (Pferd wird gescheucht, es folgt ein disziplinierendes „Weichen lassen“ usw.) oder sogar gestraft, bis es dann endlich macht, was der Mensch will.

Wenn es dann solche Lektionen später zeigt, ist das Freiwilligkeit?

Ist die Motivation dann tatsächlich Vertrauen?

In meinen Augen nein.

So könnte der ultimative Vertrauensbeweis für mich aussehen

Ich habe einmal versucht, mir eine Szene auszumalen, an der ich festmachen würde, dass mein Pferd mir zu 100% vertraut. Dazu habe ich mich gedanklich auf eine riesige, freie Wiese gestellt. Es gibt keinen Zaun weit und breit. Mein Pferd läuft frei auf dieser Wiese. Und auch weitere Pferde befinden sich dort. Und nun kommt vom Himmel ein großes Ufo und landet in geringer Entfernung von mir (alle unter Euch, denen das zu abgehoben ist, dürfen sich auch einen riesigen, lauten Hubschrauber vorstellen ;-)).

Wenn mein Pferd jetzt zu mir läuft, um bei mir Schutz zu suchen anstatt mit den anderen Pferden die mögliche Flucht anzutreten, dann würde ich wohl das Gefühl bekommen, dass mein Pferd mir zu 100 % vertraut…

Da ich aber nicht allzu naiv bin, gehe ich davon aus, dass ich in einer solchen Situation nur noch die Hinterhufe meines treuen Freundes sehen würde, der sein Heil in der Flucht mit den anderen Pferden suchen würde.

Und um jetzt nicht zu frustriert zu sein ;-), schaue ich lieber dahin, wo ich mir schon ehrliches Vertrauen von meinen Pferden erarbeitet habe.

Wieder in der Realität

Wenn ich mich z.B. daran zurück erinnere, dass Ronaldo, als ich ihn vor zwei Jahren bekommen habe, deutlich Angst vor Gerten und Peitschen hatte und ich heute kräftig mit einer Peitsche vor ihm knallen kann oder die Gerte über seinen Kopf wedeln darf, ohne dass er Sorgenfalten um seine Augen bekommt, bin ich stolz auf das, was ich da an Vertrauen gewonnen habe. Das ist nicht spektakulär, aber es ist grundehrlich, denn ich habe ihn nie weggeschickt oder gestraft, wenn er es nicht aushalten konnte, wenn ich mit der Gerte gearbeitet habe. Er hat einfach gelernt, dass ihm bei mir mit einer Gerte nichts Schlimmes widerfährt oder anders gesagt: er vertraut mir, dass ich mit der Gerte oder Peitsche nichts Böses tue.

Und auf solche Vertrauensbeweise kommt es mir an – denn sie machen das tägliche Miteinander aus.

Ich erwarte Vertrauen, aber wie ist es mit  mir?

Desweiteren habe ich darüber nachgedacht, wie sehr eigentlich ich wiederum meinen Pferden vertraue, und auch hier muss ich ehrlich einräumen, es sind sehr viel weniger als 100 %…

Dazu wieder ein Beispiel mit meinem Ronaldo. Ronaldo ist ein sehr schmusiges Pferd, was sich gut trifft, ich schmuse nämlich auch sehr gerne mit meinen Pferden :-).

Ronaldo kann dabei sagenhaft vorsichtig und zärtlich sein. Dann wuselt er mit seinen Lippen an meinem Haaransatz, erschnüffelt mein Gesicht, ist ganz sanft zu mir. Ich genieße das eigentlich sehr, … aber es ist immer auch etwas Angst dabei.

Letztens knibbelte er vorsichtig an meiner Nase herum und ich machte mir fast in die Hose vor Angst, dass ich bald ohne Nase durchs Leben gehen muss. Und dass ich ihm eben auch ein Stück weit „misstraue“, bewahrt mich davor, meine Nase zwischen seine Zähne zu halten… Ich glaube, ich bin nicht so unglücklich darüber dass ich meinem Pferd nicht zu 100% vertraue. 😉

Vertrauen – jeden Tag auf ein Neues

Ich bin fest davon überzeugt, dass Vertrauen immer etwas ist, was mal mehr und mal weniger in einer Beziehung vorhanden ist. So könnte ich wetten, dass Ronaldo an einem Tag, an dem ich so richtig schlecht drauf bin, weil ich mich vielleicht gerade böse gestritten habe, anders reagieren würde, wenn ich meine Peitschenübungen mit ihm mache, als an den Tagen, an denen ich innerlich weich und ruhig bin.

Es liegt also immer ganz stark an mir, an meiner Stimmung und meiner Ausstrahlung ob ein Pferd mir jetzt in diesem Moment vertraut oder nicht. Und ich bin jeden Tag und jeden Moment neu gefordert, mir das Vertrauen zu verdienen.

Eine klassische Situation

Sie kennen doch bestimmt auch Situationen wie diese: Sie haben mit Ihrem Pferd schon 100 x das Verladen geübt und normalerweise geht Ihr Pferd problemlos in den Anhänger hinein. An dem Tag, an dem Sie dann tatsächlich mit Ihrem Pferd los wollen, ob nun zum Turnier, zum Kurs oder in die Klinik, stemmt Ihr Pferd schon 10 Meter vor dem Anhänger die Beine in den Boden und verwurzelt an dieser Stelle. Woran liegt es wohl?

Wer dann sein Pferd für seinen „Mangel an Vertrauen“ straft, der läuft große Gefahr, das Vertrauen des Pferdes aktiv zu zerstören!

Sind Sie das Vertrauen Ihres Pferdes würdig?

In solchen Situationen zeigt sich, ob der Mensch dem Vertrauen des Pferdes tatsächlich würdig ist. Hier erfährt das Pferd nämlich, ob Sie auch dann gut mit ihm umgehen, wenn Sie schlecht drauf sind oder unter Zeitdruck stehen. Wenn Sie in solchen Situationen gewalttätig oder ungerecht werden, dürfen Sie sich nicht beklagen, wenn Ihnen Ihr Pferd nicht sehr vertraut. Und hier wird es wieder unbequem für uns, denn nun liegt der schwarze Peter wieder mal da, wo er hingehört: vor unseren Füßen!

Fassen wir also zusammen:

  • 100%iges Vertrauen zwischen Mensch und Pferd gibt es wahrscheinlich nicht und so sollten wir auch nicht traurig sein, wenn wir in einer Situation feststellen, dass unser Pferd uns eben gerade nicht vertraut. Morgen ist ein neuer Tag und an dem haben wir wieder die Chance, an einem weiteren Prozent Vertrauen zu arbeiten.
  • Ob ein Pferd uns in einer Situation vertraut oder nicht, hängt im sehr hohen Maße davon ab, wie wir selbst drauf sind: welche Stimmung wir ausstrahlen und wie wir gerade mit unserem Pferd umgehen. Wenn Sie also in einer Situation merken, dass Ihrem Pferd Vertrauen fehlt, achten Sie zunächst auf sich selbst und versuchen Sie herauszufinden, was Sie an sich ändern können, damit Ihr Pferd wieder Vertrauen zu Ihnen fassen kann (z.B. tief durchatmen, Spannung aus dem Körper nehmen, Gerte sinken lassen, bewusst lächeln, positive Bilder im Sinn haben…).
  • Ein kleines bisschen „Misstrauen“ bewahrt uns vor zu großem Leichtsinn und damit vielleicht vor Unfällen und so hoffe ich, meine Nase behalten zu dürfen und ich weiß, dass Tania in der Nähe von Straßen Aramis mit Kopfstück reitet. 🙂
  • Echtes Vertrauen muss man sich in den meisten Fällen ehrlich verdienen, manchmal bekommen wir es auch geschenkt. Aber egal wie wir das Vertrauen bekommen haben, es kann jederzeit wieder verloren gehen. Dessen sollten wir uns immer bewusst sein, ganz besonders in Situationen, in denen wir mal wieder ungeduldig sind oder auch wenn wir uns überlegen, welchen Bereiter, welche Reitbeteiligung usw. wir unser Pferd anvertrauen.
  • Vertrauen aufzubauen kann Jahre dauern, zum Verlieren reichen manchmal schon Sekunden. Überlegen Sie also immer sehr gut, ob das, was Sie gerade durchsetzen wollen („Du musst jetzt in den Hänger, ich will auf dem Turnier starten…“), es wirklich wert ist.
  • Schauen Sie nicht voller Neid auf die spektakulären Vorstellungen von Trainer XY. Genießen Sie lieber die kleinen Vertrauensbeweise, die Ihnen Ihr Pferd schenkt und würdigen Sie diese.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen mit Ihren Pferd viele wunderschöne, vertrauensvolle Momente 🙂

31. Mai 2011 von Babette Teschen • Kategorie: Umgang 29 Kommentare »

 

29 Reaktionen zu “Gedanken zum Thema „Vertrauen“”

 

Von Bettina und Bjalla mit Molly • 31. Mai 2011

Liebe Babette,

vielen Dank für diesen wunderbaren Artikel!!!

Mir ist mal wieder einiges klar geworden,wie schon öfter
beim lesen eurer tollen Beiträge und dem Kurs Vertrauen
statt Angst.

Ich und meine Ponys möchten uns an dieser Stelle ganz
herzlich bei Dir und Tania bedanken dass es euch gibt und
ihr euer Wissen mit uns teilt!

Liebe Grüsse aus dem Schwarzwald

Bettina und Bjalla mit Molly

 

Von Sandra • 31. Mai 2011

Hallo,

mal wieder kommt zur rechten Zeit ein Beitrag zu einem Thema, dass mich in den vergangenen Tagen und Wochen stark beschäftigt. Vielen Dank, dass Du Deine Gedanken mit uns teilst.

Ich war von Loucky gerade nach seiner Schulpferde-Zeit gewohnt, dass er mir immer ohne Regung, Widerwillen oder Emotion überall hinfolgt, nie Einwände erhebt und einfach leistet, was ich von ihm gewohnt bin.

Nun kam es in den der nahen Vergangenheit vor, dass er das eben alles nicht einfach mehr tat, sondern plötzlich stehen blieb und an einer Schreckecke eben nicht einfach vorbei ging. Und dann gingen die Gedanken los: wieso ist er plötzlich (?) „ungehorsam“, woher kommt die „Weigerung“ mir einfach zu folgen?

Jetzt bleibt mir nichts anderes übrig, als mein Verhalten zu reflektieren: habe ich ihm Anlass gegeben, zögerlich zu sein? Bin ich überhaupt 100% bei ihm oder gedanklich woanders, ganz einfach weil ich gewohnt bin, dass er all die Dinge tut? Ich habe für mich beschlossen und festgestellt, aufmerksamer zu sein und ihm durch Gestik und Auftreten zu vermitteln, dass ich bei ihm bin und nicht Dinge einfach nur von ihm erwarte. Denn es darf nicht sein, dass mein Umgang Routine ist, sondern auch ich ihm Feedback gebe und auch er etwas von mir zurück bekommt. Die Beziehung darf nicht einseitig werden.

Das ist mein Vorsatz im Umgang mit Loucky, auch wenn es in vielen Momenten doch schwer fällt, auch bei einfachen Dingen zu 100% bei ihm zu sein und nicht abzuschweifen – bin leider leicht ablenkbar 🙂

Liebe Grüße,
Sandra

 

Von Beate • 31. Mai 2011

Das hastb du weiedr schön und treffend gesagt

„Ein kleines bisschen “Misstrauen” bewahrt uns vor zu großem Leichtsinn und damit vielleicht vor Unfällen“

Vor allem DAS finde ich einen ganz wichtigen Aspekt in deiner Betrachtung.Und wer weiss, ob unsere Pferde in bestimmten Situationen nicht ganz genauso darüber denken;-)

 

Von Carla • 31. Mai 2011

Liebe Babette, vielen Dank für den schönen, nachdenklichen Artikel!

Hier im Forum hat kürzlich jemand eine Situation beschrieben, die für mich wirklich von sehr großem Vertrauen zeugt und eigentlich wenig mit ‚Dressur‘ (wie z.B. im Fall von Feuertraining) zu tun hatte: Das Pferd hatte eine dicke Backe und offenbar große Schmerzen. Es ließ sich von seiner Besitzerin nicht nur anstandslos untersuchen, sondern hielt auch ganz still, als sie ins Maul fasste und ein Stück Draht entdeckte, das von innen tief in der Backe steckte. Und es ließ sie das Stück Draht sogar ganz ruhig herausziehen, obwohl das arg weh getan haben muss… Das ist finde ich wirklich ein großer Vertrauensbeweis, wenn das Pferd trotz Schmerzen darauf vertraut, dass der Mensch ihm nur Gutes will!

Was jedenfalls die Sache mit dem Verlust von Nasen und sonstigen Kopfteilen betrifft, weiß ich, wovon Du sprichst ;-)!

Liebe Grüße
Carla

 

Von Sonja • 1. Juni 2011

Liebe Babette, genau dazu hatte ich gestern ein sehr rührendes Erlebnis. Wir sind in einen neuen Stall umgezogen. Der Hänger war bestellt, ich sogar pünktlich im alten Stall um mein Ross parat zu machen. Meine Aufregung spiegelte sich natürlich sofort zu 100% in grossen Augen, geblähten Nüstern, geschnorchel und gespannten Hals, schon als ich auf der Weide das Halfter draufgefummelt habe. „Huch, was ist heute mit dir los??“ ABER, er ist überall hin mitgekommen. Ohne zögern in den Hänger gestiegen, ohne Hektik ausgestiegen, hat sich, alles mit grossen Augen und besorgtem Geschnorchel angesehen (ich hab mich ja genauso gefühlt und wohl ein recht ähnliches Gesicht gemacht – sehr zur Erheiterung des Stallbesitzers), ist aber immer mitgekommen, hat immer „nun gut, wenn du sagst, das ist ok, dann wird es schon passen, aber uiuiuiui, ist das aufregend!!“ gesagt. Für mich war das ein sehr grosser Vertrauensbeweis – überhaupt kein „..nein, lieber nicht…ich geh dann mal“. Ich war sehr stolz auf mein Ross 🙂

 

Von Angela • 1. Juni 2011

Super schön geschrieben, Babette! Ich schliesse mich Beate (weiter oben) an, vor allem dein Hinweis auf ein bischen notwendiges Misstrauen ist immens wichtig.

Ich fürchte jedoch viele Reiter vertrauen ihrem Pferd zu sehr, teils aus Unwissenheit, teils aus Vermenschlichung.

Ich denke auch, dass es in der Beziehung Mensch/Pferd nicht EIN grundsätzliches Vertrauen gibt, sondern mehrere Facetten von Vertrauen. Ich glaube schon, dass ein Pferd fast 100% Vertrauen haben kann, dass sein Mensch ihm nichts böses tut und er ihn nicht fürchten muss. Aber andere Arten von Vertrauen, wie „mein Mensch beschützt mich“, also sozusagen Dreierkonstellation: Mein Mensch, Ich, Etwas furchteinflössendes drittes. Dies fällt für mich in eine andere Kategorie von Vertrauen.

LG
Angie

 

Von Tanja • 2. Juni 2011

Liebe Babette,

ich würde es nicht als Mißtrauen bezeichnen, sondern als gesunden Menschenverstand, dass man beim Umgang mit einem so großen (und vor allem schweren) Tier mit etwas Umsicht vorgeht. Ich vertraue meinem Pferd zu 100% bin aber trotzdem bei einigen Dingen vorsichtig (beispielsweise nehme ich meine Füße in Schutz :-), da auch ein Pferd nicht immer achtsam sein kann).

LG
Tanja

 

Von Almut • 6. Juni 2011

DANKE, DANKE, DANKE für diese Worte, liebe Babette!

Genau das brauchte ich gerade. So oft war ich in der letzten Zeit frustriert, weil ich mir so häufig anhören musste, dass Celina (mein selbst gezogenes „Baby“) mir nicht zu 100% vertraut, denn sie scheut recht häufig und heftig.
Du hast völlig Recht: Eigentlich ist es total paradox, dass in der Reiterwelt die zu 100% funktionierenden Pferde automatisch als Pferde gesehen werden, die zu 100% vertrauen.
Unsere Cimbria (Celinas Mutter) hat anfangs auch zu 100% funktioniert, war immer brav, hat nie gescheut, hat eben einfach immer funktioniert. Als Vertrauen konnte ich das jedoch nie sehen, denn sie war innerlich tot – ein gebrochenes Seelchen.
Trotzdem tappe ich bei Celina immer wieder in diese Falle, wünsche mir das absolute Vetrauen in Form von Scheufreiheit und bin dann entsprechend enttäuscht…

Du hast das ganz wunderbar und für mich unglaublich hilfreich auf den Punkt gebracht! Sehr befreiend!

LG Almut

 

Von Bea. • 6. Juni 2011

Liebe Babette,

wieder ein so toller absolut zutreffender Beitrag. Vor allem ein Satz von dir habe ich immer ganz aktuell in mir:

„Vertrauen aufzubauen kann Jahre dauern, zum Verlieren reichen manchmal schon Sekunden.“

Ich achte sehr auf die „Anmerkungen“, die mir mein Pferd übermittelt, was fragt es mich, was braucht es, um die gestellte Aufgabe zu erfüllen?

Im Zweifel (dann, wenn ich spüre, dass ich irgendwie Spannung aufbaue, oder schon mitbringe), lasse ich lieber während einer Übung mit meinem Pony „alles fallen“ und halte inne.
Noch nie hat ein Pferd das ausgenutzt, im Gegenteil, sie wurden ganz aufmerksam, wie verwundert, dass gar nichts mehr kam und waren wieder völlig dabei.

Meine Chance, neu anzusetzen oder einfach etwas anderes zu tun, wenn ich in dem Moment kein gutes Gefühl in der Sache hatte.

Ja, ich vertraue meinen Ponys 100%, dass sie mir niemals bewusst etwas zufügen würden. ABER, da ist genau die Warnung da, es sind Fluchttiere und sie haben eine eigene Auffassung der Welt, so dass ich immer mit spontanen Reaktionen rechnen muss, die mir gefährlich werden können.
Auch ihr normaler und netter Umgang mit ihren Herdenkollegen ist für mich als Mensch schon von Natur aus ein wenig schmerzhaft…

Sie kennen die Ermahnung schon, vorsichtig mit Zeibeinern, aber eine Garantie können sie nicht geben, trotzdem, sie passen auf, soweit sie das situationsbedingt leisten können.

Und ich finde jeden Tag viele kleine Situationen, länger und kürzer, wo ich sagen kann, da ist auch vom Pferd aus 100% Vertrauen.

Z. B. wenn ich die Hufe zum Auskratzen bekomme (sie also festhalte), wenn ich aufsteige vom hohen Podest aus, dabei fast auf Rückenhöhe des Pferdes stehe – viele kleine Dinge sind es, wofür mein Pferd im Moment 100%-tiges Vertrauen entgegenbringt, indem es entspannt bei mir bleibt.

Das Vertrauen aus Gewohnheit, durch die Erfahrung, dass es immer „heil aus der Situation rauskam“.
Sonst könnte es solche Handlungen aus seiner Sicht als Fluchttier gar nicht aushalten.

Wenn dann noch ein Keks folgt beim Erlernen solcher artfremder Dinge, dann verstärkt sich das noch in der Motivation, dass es positiv ist und man der Sache vertrauen kann.

Oft schon musste ich lachen, wenn meine Stute bei irgendsowas Seltsamem, was ihre Zweibeinerin da wieder mit und an ihr machte, ihr Keksgesicht aufsetzte und so aussah, als ob sie meinte: Egal, mach nur, immer wenn du so komische Sachen machst, gibts ja einen Keks.
Auch darauf darf sie vertrauen, den gibt es dann.

Auf noch ganz viele vertrauensvolle Momente.

 

Von Tamara • 6. Juni 2011

Mal wieder ein sehr schöner Beitrage, Danke Babette!

Ich hatte eine Situation die bei mir einiges verändert hat. Ich war immer der Ansicht ich müsse meinem Pferd gegenüber alles 100% unter Kontrolle haben damit er mir vertrauen kann, dh. natürlich auch Konsequenz ihm gegenüber und immer wieder unterstreichen, dass ich Chef bin.
Irgendwann fing ich an mir Gedanken darüber zu machen, dass er nicht näher als auf 1m Abstand zu mir kam. Da fiel mir auf, dass viel in seinem Verhalten einfach „nur“ Respekt war. Ich fing an mein Verhalten Stück für Stück zu ändern.
Einige Zeit später hatten wir eine Situation in der er absolut panisch reagierte und um sich schlug (eine Pflegerin hatte ihm den Futterkorb falsch rum drauf, er bekam keine Luft mehr). Keiner traute sich an ihn ran, aus Angst verletzt zu werden, ich bin trotzdem hin (natürlich den Hufen ausweichend) ich konnte ihn ja schlecht alleine lassen. Und dann geschah etwas was ich niemals erwartet hätte, sobald ich meine Hand an seiner Backe hatte hielt er mucksmäuschen still und ich konnte ihn ohne Probleme von seiner Pein befreien. Was noch faszinierender war: Ich durfte ihm den Fresskorb am Tag drauf wieder aufziehen (ich hatte mich drauf eingestellt, das das nicht mehr möglich wäre). Da habe ich gemerkt, dass ich gar keine so große Angst haben brauche sein Vertrauen zu verlieren und das es viel größer ist als ich mir zugestehen konnte. Seitdem haben wir eine neue Art miteinander umzugehen, denn das Vertrauen das er in mich setzt habe ich angefangen auch in ihn zu setzen. Dh. wenn wir in der Herde stehen, dann pass ich normal auf, dass ihn keine wegscheucht und als ich letzt nicht schnell genug war in einer blöden Situation hat er auf mich aufgepasst und sich gegen einen Ranghöheren gestellt. Ich war ihm einfach nur dankbar und musste keine Angst haben, dass er mich nun nicht mehr als Chef sieht oder mir nicht vertraut 🙂
PS: Er kommt mittlerweile sehr gerne zu mir und rückt mir sanft auf die Pelle 😉

 

Von Birgit Morasch - Ketterle • 6. Juni 2011

…das hast Du ganz toll geschrieben!!
Vielen Dank für diesen differenzierten, ehrlichen Blog.

 

Von Claudia • 6. Juni 2011

Liebe Babette und alle,
ein ganz toller Artikel mit vor allem wieder sehr viel gedanklicher Arbeit vorher. Mir fällt nämlich immer wieder auf, dass man doch dazu neigt, so eine komplexe und gefühlsorientierte Sache wie Vertrauen sehr oberflächlich zu beurteilen ( wie Du ja schon sehr gut beim Thema Vorführungen beschrieben hast ) und sehr unterschiedlich zu unterpretieren.
Ich hab dazu auch was Nettes: Bei uns war es gestern recht stürmisch. Ich habe mit meinem Pferd ein bisschen in der Halle gespielt und ihm noch ein paar Trabstangen gelegt. Das macht er gerne und läuft bei der Freiarbeit immer schön auf dem Hufschlag aussenrum und über die Stangen. Es gab durch den Wind einiges an Geräuschen und dann ist auch noch wer mit dem Trekker hinter der Halle hin und her gefahren. Das war meinem Bub dann irgendwie zuviel. Als er auf meiner Höhe war ist er abgebogen, ist hergekommen hat sich neben mich gestellt und hat die Wand mit den Trekkergeräuschen dahinter aufmerksam begutachtet. Ich bin dann einfach mal davon ausgegangen das hiess vielleicht: „Du das macht aber laut meinst Du der kommt? Müssen wir was machen?“ Alternativ hätte er auch durch die Halle bocken können. Hätt ich auch verstanden bei dem Krach. Aber so war’s doch auch nett oder 🙂
Liebe Grüsse
Claudia

 

Von Kelly • 6. Juni 2011

Hallo Babette,

vielen Dank für diesen gefühlvollen, nachdenklich stimmenden Text.

Viele Grüße. Kelly (www.meinPferdetraum.de)

 

Von Lisa • 7. Juni 2011

Ein sehr schöner Beitrag =)
Ich muss auch sagen dass ich meiner RB vermutlich viel weniger vertraue als sie mir. Gut, ich bin auch schonmal ohne sattel draufgehockt, weil sie sehr brav ist, aber so richtig traue ich ihr dann doch noch nicht, ich würde sie zB nie ohne Trense reiten.
Bei meinem alten Isländer bin ich ohne überhaupt nachzudenken ohne Sattel und Trense draufgesprungen ( Wie Tanja natürlich nur im Wald) Oder auch mal ohne alles spazieren gegangen, bei ihm war das ganz anders. Er hat mich ein halbes Jahr lang komplett ignoriert, so wie jeden anderen im Stall eigenltich auch, und das wollte ich nicht so auf mir sitzen lassen 😀 Irgendwann hat es bei ihm dann klick gemacht und von einer Sekunde auf die andere hatten wir das tollste Verhältnis zueinander und er war irgendwie ein ganz neues Pferd =) Bei uns hat einfach die Chemie gestimmt, ich denke das ist auch ein wichtiger Teil für Vertrauen. Klar, meine RB und ich sind auch ein tolles Team, aber eben nur „ein tolles Team“ und nicht „Das perfekte Gespann“ 😀 Denn obwohl ich meine jetzige RB schon länger habe als ich das Pony kannte, bin ich mit ihr noch lange nicht soweit, und vermutlich werde ich sie auch nie ohne Kopfstück reiten, höchstens mal aufm Platz.

Meint ihr dass das Vertrauen auch eine Charakterfrage ist? Also dass Pferd und Mensch zusammenpassen müssen, damit es funktioniert? Oh, so klingt das falsch, ich denke es funktioniert auch sonst, aber eben besonders gut, wenn alles stimmt.

 

Von Dagi • 12. Juni 2011

Hihihi Babette
Da kommt mir doch die „klassischen Situation“ die unlängst gewesen ist bei mir und Jan, in den Sinn!
„Zuhause macht er es aber besser:-(“

Solche Gedanken habe ich mir auch schon gemacht! Ich vertrauen meinen zwei Rackers eigentlich auch zu 100% und doch fordere ich Situationen nicht unbedingt heraus. z.B.beim Hufe bearbeiten den Kopf so halten, dass bei einem, zwar eher unwahrscheindlichen ausschlagen, dass er nicht in Schussrichtung ist usw.

Und ja, Jan kann sich auf Kommando hinlegen, aber da ich es ihm ohne Druck beigebracht habe, macht er es nicht zuverlässig aufs Kommando. Muss er auch nicht. Ich gehe auf keine Shows. ICH sicher nicht, hehehe.

Und da Jan ein dominantes Köpfchen ist, mag er sich nicht jedes Mal, wenn ich ihn frage, sich vor mir niederlegen, und das muss er auch nicht!

Ich hatte mit einem Reiter mal exakt diese Diskussion und er schüttelte nur den Kopf als ich ihm diese Sichtweise erläuterte. Er meinte, deine Pferde tanzen dir irgendwann mal auf der Nase rum!

Das war vor paar Jahren und nein, sie tanzen mir nicht auf der Nase rum, sondern ich habe immer ausgeglichenere, arbeitswillige Pferde……

 

Von Sabrina • 12. Juni 2011

Hallo Babette,

Ein Artikel hat mich schon recht nachdenklich gestimmt, denn aus meiner Sicht wird das Thema Vertrauen viel zu sehr vermenschlicht und nach unseren eigenen menschlichen Maßstäben bewertet. Sieht man sich mal an, wie Vertrauen definiert ist, ich habe es hier mal aus Wikipedia kopiert, bin ich zu einem anderen Schluss gekommen:

Vertrauen ist eine Annahme, dass sich etwas wie angenommen oder positiv entwickelt und es dabei eine alternative Möglichkeit gibt. Kompetenz, Vertrauenswürdigkeit und Glaubwürdigkeit bilden hierbei die Grundlage. (Quelle: Wikipedia.de)

Wenn Du also auf der Wiese stehst und Dein Pferd mit der anderen Herde vor einem Hubschrauber davon läuft, so hat das aus meiner Sicht wenig mit Vertrauen oder nicht Vertrauen zu tun.

Das Pferd macht in der Situation, wenn es weg läuft nichts anderes als in der Situation seinem natürlichen Instinkt zu folgen nämlich „Flucht“ – wenn es bei Dir stehen bleiben sollte – herzlichen Glückwunsch, dann ist es in der glücklichen Situation angepasstes Sozialverhalten gelernt haben zu dürfen d.h. es hat gelernt sich in unserer menschlichen Welt zurecht zu finden.

In der täglichen Ausbildung ist doch eigentlich gerade das unser Ziel dem Pferd beizubringen sich in unserer, für das Pferd, sicher teilweise beängstigenden Welt zurecht zu finden. Ein Zurechtfinden können wir nur durch Trainig (mehrfaches wiederholen) erreichen und zwar über den Weg der positive Verstärkung.

Schlagen wir hier einen anderen Weg ein und versuchen uns in die Art Pferd nicht hineinzuversetzen und Ihm mit Verständnis zu begegnen, können wir auc keine Verlässligkeit/Berechenbarkeit erwarten.

In der Rettungshundeausbildung habe ich oft die „scheinbar“ bests erzogenen Hunde gesehen, nachdem ich dann dahinter geblickt habe wie sie trainiert wurden (das war meistens über den Weg der negativen Verstärkung) hat es mich nicht gewundert, dass die Hunde in Situationen in denen Sie auf sich selbst gestellt waren und bei denen der Hundeführer nicht an den Hund ran kam z.B. bei der Arbeit auf Trümmern alles andere getan hat, als nach menschlichem Geruch zu suchen, denn die Tiere hatten gelernt, dass sie vor dem Menschen in den Situationen nichts zu befürchten hatten und sind einfach nur Ihrer Weg gegangen 😉

Im Laufe von vielen, vielen Jahren die massgeblich bei mir durch die Arbeit mit Hunden geprägt ist, bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass ich mich selbst bei allem hinterfragen muss was ich tue, wenn in der Ausbildung meines Pferdes oder im Umgang etwas nicht wie erwartet läuft. Setzen wir uns bei Situationen die aus unserer Sicht schief gelaufen sind, auf „die Gardinenstange“ und betrachten es von dort aus, stellen wir, sofern wir offen dafür sind fest, dass die Schritte in denen wir trainiert haben viel zu groß waren und unser Pferd gar keine Chance hatte zu verstehen, was wir von Ihm wollen.

Das finde ich übrigens toll an Eurem Longenkurs,hier habt Ihr diese kleinen Schritte ausgezeichnet vermittelt, die zum erfolgreichen Training an der Longe führen.

Sicher ist niemand perfekt und auch ich erwische mich immmer wieder dabei ungerecht zu meinem Pferd zu sein – dafür sind wir Menschen mit Werten und Erwartungen. Ich dürfte von meinem Pferd und natürlich auch Hund lernen, wenn ich einfach nur meine Einstellung zu Tieren ändere und beginne Fehler bei mir zu suchen und mich und mein Tun kritsch zu hinterfragen, dass sich nach relativ kurzer Zeit erste Harmonie einstellt und die Zahl von für mich unangenehmen Überraschungen sinkt drastisch.

Für mich war es ein langer, langer Weg das zu begreifen, es war ein Lernprozess der ein Jahrzehnt gedauert hat, aber ich kann allen nur Mut machen diesen Weg der Selbstreflektion zu beschreiten und sich vor allem lernbiologisches Wissen nach aktuellem wissenschaftlichen Stand anzueignen und ein Pferd über positive Verstärkung auszubilden – so absurd es uns manchmal auch erscheinen mag was die Lernbiologen schreiben. Ich finde hier die Forschung inzwischen wirklich brauchbar und hilfreich, in der Pferdeliteratur gibt es Sie allerdings nur selten, Marlitt Wendt ist in dem Gebiet aus meiner Sicht in der Pferdeszene führend, aber auch Lind Tellington-Jones hat viele gute Ansätze, darüber hinaus man kann ja auch mal einen Blick zu den Hundeexperten tun…wie Karen Prior, Jean Donaldson, Kacy Cover, Dr. Ute Blaschke-Berthold. Diese arbeiten mehr oder weniger mit dem gleichen lernbiologischen Wissen.

Bedenkt man das Wirbeltiere im Prinzip alle gleich lernen und man die genetische Programmierung der Art berücksichtigen muss, findet man auch in der Hundeliteratur sehr viele ausgezeichnete Hilfestellung.

Zurück zum Thema, respektieren wir, dass unser Pferd eine andere Art mit anderen Bedürfnissen und Verhaltensweisen ist als wir Menschen, dann wird aus Frust, Angst und Unsicherheit in der Ausbildung und im Umgang, wie wir es sehr schnell bei einem so großen Tier erfahren, einfach nur Spass und Freude – zugegeben, das bedarf in der Pferdeszene wie ich Sie von den meisten Reitställen und Ausbildern kenne, eines wirklich dicken Fells….aber es lohnt sich !

In diesem Sinne – horrido und ganz, ganz viel Mut, ein dickes Fell diesen tollen Weg der positiven Bestärkung zu beschreiten

Sabrina
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Danke für diesen tollen, tollen Kommentar Sabrina!
Liebe Grüße,
Babette, positiv Verstärkerin aus Überzeugung 🙂

 

Von Sonja • 20. Juni 2011

Ich finde gerade die Überlegung „Wie halte ich selbst es mit dem Vertrauen zum Pferd?“ sehr wichtig. Wenn ich nämlich dem Pferd in einer heiklen Situation nicht traue, wie soll es dann mir in der Situation vertrauen? Es spürt meine Unsicherheit. Wenn ich auf dem Pferd sitze, versteife ich mich und klammere mich mit Händen und Beinen fest, wenn ich damit rechne, dass es gleich etwas Unschönes tun wird. In dem Moment bin ich dem Pferd zusätzlich unangenehm. Wie kann ich dann auch noch von ihm erwarten, dass es mir vertrauen soll???
Das heisst im Umkehrschluss natürlich nicht, dass ich blinden Vertrauens ohne Sattel und Zaumzeug ins Gelände soll und automatisch vertraut mir das Pferd. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass das Pferd mein Vertrauen gerade in den Situationen am dringendsten braucht, wo sein Vertrauen in mich gerade nicht so gross ist.

 

Von Elisabeth • 20. Juni 2011

Lb. Babette,
ich danke Dir ebenfalls für diesen Artikel, Du sprichst mir aus der Seele!
Ich möchte noch was anfügen: Wenn ich darüber nachdenke, was Menschen (nicht nur) Pferden antun (Einzelhaft, Kastration, künstliche Befruchtung, physische und seelische Gewalt in der Erziehung usw.), bevor sie dann oft an den Nächsten verkauft werden, dann ist es eigentlich ein Wunder, dass sie uns überhaupt noch vertrauen. Allerdings glaube ich daran, dass unsere Tiere sich – bevor sie geboren werden – aus einer ganz tiefen Liebe heraus entschließen, hier auf dieser Erde mit „ihrem“ Menschen einen bestimmten Weg zu gehen.

„Tiere sind Engel, die auf die Welt gekommen sind, um uns Menschen das Mitgefühl zu lehren“. Ich weiß nicht, von wem der Spruch stammt, aber mir gefällt er sehr gut.

Ich glaube, dass Mangel an Vertrauen bei uns selbst, dabei wie wir als Kinder, als Abhängige in unserer Eigenwahrnehmung bestätigt worden sind, seinen Ursprung hat. Wie oft hören wir nicht auf uns selbst, vertrauen nicht unseren eigenen Gefühlen und verleugnen unsere eigenen Bedürfnisse, weil wir meinen funktionieren zu müssen.

Wer sich selbst nicht vertraut, sich nicht auf sein eigenes Inneres verlässt, aber Vertrauen von einem Pferd erwartet, ist doch auf dem Holzweg.

Ich glaube, dass ein großes Potential für einen besseren Umgang mit Pferden mit Tieren und unserer Natur überhaupt darin liegt, Menschen in der Achtung ihrer eigenen Bedürfnisse und Gefühle zu stärken. Damit sie sich erst mal wieder selber vertrauen können. Und vielleicht sollten wir alle mehr das Funktionieren müssen hinterfragen.

Seit einiger Zeit versuche ich, ausschließlich den Weg der positiven Verstärkung zu gehen, und zwar nicht nur mit meinen Pferden und Hunden, sondern auch in alltäglichen Situationen und in meinen Menschenbeziehungen. Ich versuche es zumindest, unerwünschtes Verhalten meiner Mitmenschen oder für mich unangenehme Situationen zu ignorieren oder wenigstens schnell wieder zu vergessen, mich dafür umso mehr auf das Angenehme zu konzentrieren. Je mehr Menschen das täten, umso mehr Frieden hätten wir vielleicht auf der Welt …

Nochmals vielen, vielen Dank Dir und Deinem Team, ich fühle mich „daheim“, wenn ich Eure Botschaften lese und außerdem werde ich bei meinem jungen Pferd im Herbst mit Eurer super Longenarbeit beginnen.

Liebe Grüße und ich hoffe, Ihr macht unermüdlich weiter so!
Elisabeth

 

Von Meike • 20. Februar 2012

Liebe Babette!

Wow! Du hast mir mal wieder 100%ig aus der Seele gesprochen! Ich bin gerade erst durch ein Thema im Forum auf diesen super formulierten Beitrag von Dir gestoßen. Treffender kann man sich zum Thema Vertrauen wirklich nicht ausdrücken!

Falls Du irgendwann mal zwischen den Reisen Deiner Longenkurse oder noch besser: während der Reisen von Longenkurs A zu Longenkurs B im Zug sitzt und Dich langweilst (kommt bestimmt ständig vor ;O)), dann schreib´ doch bitte ein Buch!
Ich garantiere Dir, das wird ein Bestseller in der Pferdeszene!

Ich finde wirklich immer wieder so dermaßen tolle Tipps und Anregungen auf Deiner bzw. Eurer (Tanias Beiträge mit eingeschlossen!) Seite, ich wüßte gar nicht wo ich ohne Euch mit meinem Pferd stehen würde.

Danke, danke, danke für Eure super tolle Arbeit und bitte macht weiter so!!

Liebe Grüße aus Berlin :O)

Meike
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Liebe Meike,
gerne kommen Tania und ich Deiner Bitte nach … Aber ein bisschen wird es noch dauern 🙂
Liebe Grüße,
Babette

 

Von Paula • 14. Oktober 2013

Liebe Babette,
ich finde das ist ein toller Artikel, der alle Seiten beleuchtet und gut verdeutlicht. Was mich allerdings noch interessieren würde ist, was du unter Freiwilligkeit verstehst. Ich habe vor ein paar Tagen erst darüber nachgedacht und habe mich gefragt, ob ein Pferd etwas freiwillig tut, wenn es weiß, dass es dafür eine Belohnung bekommt. Oder ist es nur dann freiwillig, wenn das Pferd es nur aus reinem Spaß an der Freude macht?

Liebe Grüße,
Paula

 

Von Petra • 14. Oktober 2013

Liebe Babette, vielen lieben Dank für diese schöne und wie Ich finde so zutreffenden Gedanken. Du hast mir aus der Seele gesprochen, mir sind wirklich die Tränen in die Augen getreten. Viele Grüße, Petra

 

Von Bettina • 14. Oktober 2013

Hallo Babette,

super Artikel! Über das Thema kann man bestimmt ganze Bücher schreiben 🙂

Man darf auch nicht vergessen, dass Pferde sehr starke Instinkte haben, und dass die manchmal einfach schneller sind als das Verhalten, das wir ihnen mühevoll und liebevoll antrainiert haben.
Das heißt aber nicht, dass uns das Pferd nicht vertraut. Wir haben keinen Fluchtinstinkt und wissen nicht, wie sich das anfühlt, da ist es bestimmt nicht einfach, immer cool zu bleiben. Wer Angst hat reagiert erstmal und denkt später 🙂
Und wenn das Pferd Vertrauen zu seinem Menschen hat, lässt es sich ja dann doch überreden, an dem gefährlichen Traktor vorbei zu gehen statt reissaus zu nehmen.

Und ich finde auch wichtig, was du im Bezug auf andere geschrieben hast: Man muss auch gut überlegen, wem man sein Pferd anvertraut. Einmal hat mich eine Freundin gefragt, ob sie mal auf mein Pferd darf. Klar, habe ich gesagt. Sie trabte sofort los, nachdem sie aufgesessen war, und ehe ich sagen konnte „Das ist jetzt aber keine gute Idee“, war sie auch schon angalloppiert. Mein Pferd sah ziemlich geschockt aus und hat sie versucht runterzubuckeln, was er zuvor noch nie gemacht hatte. Ich habe sie sofort gebeten, abzusteigen, aber der Schaden war angerichtet, und mein Pferd war sehr skeptisch und nicht mehr losgelassen beim Reiten über die nächsten Wochen. So schnell kann es gehen.

Ich freue mich schon auf deinen nächsten Artikel!

Bettina

 

Von Claudia • 14. Oktober 2013

Hallo Babette,
grade gestern hatten wir zu viert (drei fremde Pferde und meine Stute, 7) einen wunderschönen Ausritt in fremden Gelände. Dort gab es vier Bäche zu durchqueren, die meine Kleine auch super „gemeistert“ hat. Beim fünften Bach, sie war die Letzte in der Reihe, hat sie sich dann geweigert. Der Boden vor dem Einstieg war leicht abschüssig und sehr tief vermatscht. Zunächst habe ich versucht, sie zu „überreden“. Sie wurde immer kürzer und plötzlich schaltete sie auf „stur“ und „offline“. Jemand von den anderen sagte: Wenn Du ihr das jetzt durchgehen lässt, hast Du verloren.
Ich erinnerte mich an einen Ausritt vor zwei Wochen, einen steilen Hang hinauf, das letzte Stück war komplett mit Brombeersträuchen zugewachsen. Dort wollte sie auch nicht weiter. Ich bin damals abgestiegen und habe sie durch ein durchwuchertes Waldstück und eine ziemlich steile Böschung hochgeführt und habe jeden Schritt abgefragt. Das war wie stille Kommunikation… und sie kam mit!
So hat sie mir das Gefühl gegeben, daß sie irgendwie genau WEISS was geht und was nicht… und daß ich ihr vertrauen kann.
Sie war nicht stur, sie wusste nur genau was funktioniert und was nicht.
Vielleicht sollten wir Menschen viel mehr lernen, unseren Tieren zu vertrauen?
Viele Grüße von Claudia mit ihren beiden Mädels, die oft viel besser wissen, was gut ist und was nicht!

 

Von Inga • 14. Oktober 2013

Liebe Claudia,

wenn doch nur mehr Leute wie Du (und die anderen hier) auf ihre Pferde hören würden und einfach mal akzeptieren würden, dass eben das eine oder andere gerade nicht geht. Einfach mal dem Pferd vertrauen… ich behaupte, in den allermeisten Fällen festigt das eine Beziehung mehr als jede zwanghafte Durchsetzung des eigenen Willens…

LG Inga

 

Von Kathi • 15. Oktober 2013

Der Artikel wird mir über Facebook wieder einmal genau zur richtigen Zeit angezeigt (ihr habt das echt drauf, woher wisst ihr bitte welche Phase ich gerade mit meinem Pferd durchmache 😉 )

Folgende Situation: Ich habe vor einigen Monaten ein Schulpferd gekauft, wir sind auf einem echt guten Weg – worauf ich total stolz bin. Wir sind sogar schon einige Schritte alleine ausgeritten. Mein Vertrauen und wahrscheinlich auch das Vertrauen in mein Pferd wächst und wächst.
Bis Samstag im Reitunterricht:
Wie von einer Tarantel gestochen fing mein doch eher gemütliches Pferd (zumindest in der Halle) an zu buckeln. Und zwar so richtig. Einfach so…. Alle Beteiligten haben mich mit großen Augen angeschaut und bestätigten mir: DAS haben wir bei ihm noch nie gesehen… Die Hilfe der Stallkollegen ging dann in die Richtung: Los galoppiere ihn noch mal an und wenn er dann buckelt haust du ihm den Arsch voll…. Super 🙁 Ist so garnicht mein Ding und das habe ich auch nicht gemacht.
Deshalb bin ich die Stunde einfach locker weitergeritten habe ihn abwechselnd Schritt und Trab in Volten reiten lassen und als ich ihn mit Ruhe noch einmal angallopiert bin, ist er nach einigen Sprügen von alleine ausgefallen (ein Gemütlicher eben ;))

Das war nun um ehrlich zu sein aber wieder ein Punkt, der mich im Sinne des Vertrauens ein Stückchen zurückgeworfen hat. Aber wie du, liebe Babette, so schön schreibst: Vertrauen muss man sich erarbeiten und das irgendwie meiner Meinung nach auf beiden Seiten.

Und so werden mein Pferd und ich immer wieder vor Vertrauensherausforderungen stehen und sie gemeinsam meistern 🙂

Liebe Grüße
Kathi

 

Von Ursula DT • 16. Oktober 2013

Hallo
aus meiner eigenen Erfahrung: Vertrauen ist tagesabhängig. Es gibt Tage, da reite ich mein Pferd am langen Zügel, lasse sie galoppieren, wie sie will, wir gehen „durch dick und dünn“ und ich vertraue ihr total. Und dann gibt es Tage, da spüre ich schon beim Losreiten, dass es kritisch werden könnte. Wenn mein gutmütiges, eher bewegungsfaules Kaltblut schon im Schritt losmarschiert, als gäbe es einen Preis zu gewinnen und im Trab erst mal rennen will, DANN vertraue ich ihr nicht mehr 100%ig und lasse sie nicht am langen Zügel galoppieren. Pferde haben auch gute und schlechte Tage…… ich finde es wichtig, ihnen die Tagesform abzuspüren und das Reitprogramm darauf abzustimmen. Ich bin da flexibel… 🙂

 

Von Florian • 21. November 2017

Der Artikel wird mir eben über Facebook gezeigt. Wenn wir uns eingestehen, dass das Pferd ein Pferd und ich ein Mensch bin, dann geht das Vertrauen dann in die richtige Richtung wenn…wenn wir beide uns auch in schwierigen Situationen darauf einlassen, dem anderen auch mal zu folgen. Das ist wechselseitig. Dann kann ich auch eine pferdische und das Pferd eine menschliche Reaktion mittragen. Vertrauen ist für mich, wenn beide Seiten deutlich signalisieren, miteinander sein zu wollen. Trotz und wegen der natürlichen Unterschiede, eben weil sie beide gerne zusammen sein wollen.

 

Von Kris • 22. November 2017

Ich wurde mal wunderbar ausgelacht, als ich sagte „Vertrauen heißt für mich, dass mein Pferd mir auch mal nicht vertrauen darf“ 🙂
Gemeint ist damit, dass mein Pferd soviel Vertrauen zu mir hat, dass es auch mal zeigen darf, dass es eben gerade echt Bedenken bei dem hat was ich verlange/tue ohne befürchten zu müssen (mir vertrauen kann), dass es dafür(keine)negative Konsequenzen gibt…

 

Von Susi • 30. November 2017

Hallo Kris,

Deine Aussage hat mich sehr berührt. Ich glaube, da hast du bei mir was ganz Wichtiges angestoßen. Und irgendwie hab ich das Gefühl, dass mein Pony sich gerade in meine Gedanken reinschleicht und „ja, genau“ ruft. Ich finde diesen Blickwinkel sehr hilfreich. Das nimmt den selbstgemachten Druck raus.

Susi

 

 

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