Gedanken zu einer pferdegerechten Ausbildung

Von Babette Teschen

Um ein guter Lehrer für Pferde zu sein, bei dem Pferde von sich aus gerne mit uns zusammenarbeiten, sollten wir

  1. über bestimmte Eigenschaften verfügen und
  2. die wesentlichen Aspekte für eine pferdegerechte Ausbildung kennen.

Diese Eigenschaften sollten wir mitbringen:

  1. Liebe zum Pferd,
  2. elementares Grundwissen über Pferde, sowohl was deren Verhalten anbelangt, aber auch über Anatomie, Physiologie und Biomechanik,
  3. Geduld und Nachsichtigkeit,
  4. die Fähigkeit, eigenes Verhalten kritisch zu hinterfragen,
  5. die Fähigkeit, eigene Fehler zu erkennen und zuzugeben,
  6. die Bereitschaft, Rat und Hilfe anzunehmen,
  7. die Bereitschaft zur Weiterbildung und Weiterentwicklung,
  8. die Fähigkeit, negative Gefühle wie Aggression, Wut, Enttäuschung zu beherrschen,
  9. die Fähigkeit, sich über Fortschritte aus ganzem Herzen zu freuen und
  10. die Fähigkeit, Ehrgeiz zu zügeln.

Diese Aspekte gehören zu einer pferdegerechten Ausbildung:

  1. Die Ausbildung sollte eine gute Kommunikation aufbauen.
  2. Sie sollte das Alter Ihres Pferdes beachten und die Veranlagung und Talente des Pferdes erkennen und fördern.
  3. Sie sollte sinnvoll und logisch für das Pferd aufeinander aufbauen und sie sollte dem Pferd Brücken bauen von einem gelernten Element hin zu einem neuen.
  4. Sie sollte mein Pferd sowohl auf der körperlichen, wie auch auf der geistigen Ebene fördern.
  5. Sie sollte Abwechslung bringen und vielfältig sein.

Bauen Sie eine gute Kommunikation auf

Ein rohes Pferd ist nicht in der Lage meine gesprochenen Worte zu verstehen.

Es wird aber auf meine Körpersprache und Ausstrahlung reagieren.

Wichtig ist deshalb, über die Grundregeln der Körpersprache Bescheid zu wissen.

Zum Beispiel wirke ich vor dem Pferd bremsend und hinter dem Pferd treibend. Wenn mein Pferd dann auf meine Körpersprache hin gelernt hat, anzuhalten, kann ich ein Stimmkommando wie „Halt“ in dem Moment geben, in dem das Pferd steht, und es folgt sofort ein freundliches Lob. Das Pferd wird nach einigen Wiederholungen das Stimmkommando mit der Aktion verknüpft haben und hat so seine erste Vokabel der „Menschensprache“ gelernt.

Berücksichtigen Sie das Alter, die Talente und die Veranlagung

Bei den Pferden ist es so wie bei uns: Was uns liegt, das macht uns Spaß.

Beispiel

Ich besaß eine ältere Shettystute namens Tessa, die sich mit Kinderreitunterricht ihr Futter verdienen sollte. Tessa zeigte mir deutlich, dass sie an dieser Tätigkeit keine Freude hatte. Als im Winter Schnee lag, kam uns die Idee, Tessa probeweise vor einen Schlitten zu spannen. Was für eine Veränderung dieses Pferdchen darauf zeigte! Tessa, die unter dem Reiter keinen Schritt  freiwillig lief, war kaum zu bremsen. Ihre Augen funkelten und hätten wir sie gelassen, wäre sie gelaufen, bis ans Ende der Welt.

Bei Dingen, die uns Spaß machen, sind wir motiviert und leistungsbereit.

Und gilt es, sich zu fragen: Was bietet das Pferd von sich aus an, wofür kann es sich begeistern?

Erkennen Sie die Veranlagung Ihres Pferdes

Wenn ich mein Pferd gut beobachte, kann ich schon viel über seine Veranlagungen erkennen.

Wenn mein Pferd z.B. sehr neugierig und verspielt ist, wenn es alles genau untersuchen möchte und sich ständig irgendwelchen „Blödsinn“ einfallen lässt, ist es wahrscheinlich der ideale Kandidat für das Erlernen von zirzensischen Lektionen wie das Kompliment oder den Spanischen Schritt.

Es kann seinem „Naturell“ gerecht werden und schnell und mit Begeisterung lernen.

Zur Arbeit mit Jungpferden

Viel Verunsicherung gibt es bei der Frage, wann wir am besten anfangen sollten, mit einem Jungpferd zu arbeiten. Ich finde es gut und richtig, schon frühzeitig mit dem neuen, vierbeinigen Erdenbewohner in positiven Kontakt zu kommen (ich sage bewusst nicht „arbeiten“).

Natürlich ist die Idealvorstellung, ein Fohlen in einer großen Herde, auf endlosen Weiten, wild und frei von menschlichen Einflüssen, aufwachsen zu lassen. Nun gibt es in der Realität so lästige, aber notwendige Ereignisse wie Hufpflege, Tierarztbesuche, Gaben von Wurmkuren, Fohlenschauen inkl. Brandzeichensetzen, usw. Um nun nicht jede dieser Begegnungen mit dem Menschen für das Fohlen zum unangenehmen und stressigen Erlebnis zu machen, kann ich gute Vorraussetzungen schaffen.

Mit viel Ruhe, Geduld und Liebe mag jedes Fohlen sich anfassen und streicheln lassen. Ich übe (immer dicht bei Mama), die Hufe aufzuhalten, das Halfter anzulegen und alles, was eben nötig ist.

Außerdem sind Fohlen wunderbar neugierig und verspielt. Diese Eigenschaften mache ich mir zunutze, um dem Kleinen schon früh zu zeigen, dass die Sachen, die sich in der Menschenwelt befinden, toll sind und es keinen Grund zur Angst gibt. So lege ich z.B. etwas Futter auf einen Klappersack und wenn das Fohlen das Futter frisst und dabei die Dosen klappern, belohne ich es dafür und zeige ihm, wie begeistert ich von ihm und seiner Handlung bin.

So lernt das Kleine: Lärmen macht Spaß und schmeckt toll! Die Chancen, dass dieses Fohlen später keine Angst vor klappernden Geräuschen hat, stehen sicherlich besser, als ohne diese frühkindliche Erfahrung.

Kurz gesagt: Ich kann meinem Fohlen weder seine Spielgefährten, noch die Erziehung durch eine soziale Herde, und nicht den Auslauf auf einer Weide ersetzen und ich sollte diese Punkte, soweit es realisierbar ist, meinem Jungpferd bieten. Was ich aber leisten kann, ist die Grundgewöhnung an uns Menschen und die Situationen, die uns im Alltag begegnen, um schon früh eine gute Vertrauensbasis und Beziehung zwischen uns herzustellen.

Grundsätzlich gilt, dass die von uns gefordert Leistung, der geistigen und körperlichen Reife des Pferdes anzupassen ist.

Und übrigens: Auch alte Pferde haben durchaus noch Spaß am Spiel und daran, Neues zu lernen und zu entdecken!

Bauen Sie die Ausbildung sinnvoll auf und bauen Sie Brücken!

Wichtig ist, die Bausteine der Ausbildung für das Pferd verständlich aufeinander aufzubauen, ein solides Fundament zu schaffen und von diesem Fundament aus Brücken zu bauen.

Ein Beispiel

Das sich im Stadium des Anreitens befindliche Pferd lässt einen Reiter auf sich sitzen. Der Reiter möchte, dass das Pferd auf Schenkeldruck hin antritt. Er gibt einen Impuls mit dem Schenkel, das Pferd versteht dieses Zeichen nicht und bleibt stehen.

Was nun? Werden wir mit dem Schenkel deutlicher?

Bei dieser Möglichkeit habe ich als Ergebnis schon oft gesehen, dass Jungpferde mit boxendem Schenkel in Bewegung gebracht werden. So werden feine Schenkelhilfen von Beginn an abtrainiert.

Ein anderer Weg ist dieser: Wir arbeiten mit dem Pferd vom Boden aus. Wir üben mit ihm: Stimmkommando „Schritt+ antippen mit der Gerte hinter der Gurtlage bedeutet „bitte antreten“.

Wenn das Pferd diese Kommandos gut verstanden hat, setzt sich ein Reiter auf das Pferd, ein Helfer führt das Pferd mit den vertrauten Signalen an und der Reiter gibt den Impuls mit dem Schenkel dazu. Nach ein paar Wiederholungen minimiert der Helfer am Boden immer mehr seine Kommandos und der Reiter versucht, immer mehr die Hilfenführung zu übernehmen. So haben wir unserem Pferd die Bedeutung des Schenkels erklärt, ohne ihn jemals stark einsetzen zu müssen.

Grundsätzlich bringen wir den Pferden alle Lektionen zuerst am Boden ohne Reitergewicht bei. Erst wenn das Pferd gelernt hat, die Lektion auf leichte Signale am Boden flüssig auszuführen, ist es reif, das Gelernte auch unter dem Reiter zu leisten.

Ein Pferd, dass in der Lage ist den Mensch zu verstehen und positive Konsequenzen erfährt wenn es tut was man von ihm möchte, wird in der Regel gerne und willig mit uns zusammenarbeiten.

Sorgen Sie für Abwechslung in der Ausbildung

Die Ausbildung sollte abwechslungsreich sein und Mensch und Tier Freude bereiten.

Sie sollte bestehen aus:

Achten Sie darauf, Ihr Pferd auf der körperlichen und geistigen Ebene zu fördern

Es wird viel über die Gymnastizierung von Pferden sowie deren Muskel- und Konditionsaufbau geschrieben und geredet. Die meisten Reiter kennen sich gut mit der Ausbildungsskala aus und sind sehr engagiert, ihr Pferd in einen guten Körperzustand zu trainieren.

Oftmals wird dabei die Förderung des Geistes vernachlässigt.

So erlebe ich häufig in meinen Bodenarbeitskursen, besonders stark in solchen, in denen ich zirzensische Lektionen unterrichte, wie überrascht so mancher Besitzer von der schnellen Auffassungsgabe und der „Intelligenz“ seines Pferdes ist.

Gutes „Gehirnjogging“ für Pferde kann aus vielen Faktoren bestehen, wie:

  • einer artgerechte Herdenhaltung,
  • Geländetraining,
  • zirzensische Lektionen,
  • Trailübungen (z.B. Hindernisse mit Pylonen oder über eine Wippe gehen),
  • Körperarbeit, z.B. die TTouches (Massage von Linda Tellington-Jones),
  • Dressurlektionen an der Hand und unter dem Sattel,
  • Stangen-/Cavaletti-Training,
  • Freiheitsdressur,
  • Dualaktivierung nach Michael Geitner.

 

Haben Sie Fragen oder Anregungen? Dann schreiben Sie mir.

 

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