Kennen Sie die Muskulatur Ihres Pferdes? Stresspunkte und ihre Bedeutung

Von Babette Teschen

Verspannungen bereiten Schmerzen – das kennen Sie auch von sich selbst. Pferden geht es da nicht anders und so ist es kein Wunder, dass Muskelprobleme eine der Hauptursachen von Bewegungsproblemen bei Pferden sind.

Mit einem gewissen Grundwissen können Sie Muskelverspannungen bei Ihrem Pferd erkennen und durch eine sanfte Massage der entscheidenden Punkte Ihrem Pferd Erleichterung verschaffen.

Wie lerne ich, Muskelprobleme zu erkennen?

Grundsätzlich gilt: Wenn auf entspanntes Muskelgewebe Druck ausgeübt wird, gibt der Muskel nach und es entsteht kein Schmerz. Wenn ein Pferd auf leichten bis mäßigen Druck auf einen Stresspunkt reagiert, ist dies ein Warnhinweis. Die Art und Weise wie das Pferd auf den Druck reagiert, zeigt die Schwere des Problems an. Verkrampfte Muskelfasern können als Verhärtungen erfühlt werden.

Um Muskelprobleme Ihres Pferdes zu erkennen, ist es wichtig zu wissen, wie sich ein gesunder Muskel anfühlt. Sie sollten möglichst auch wissen, wie das Pferd optimaler Weise bemuskelt sein sollte. Außerdem ist es hilfreich, die wichtigsten Punkte am Körper des Pferdes zu kennen, an denen ein Pferd mit Schmerzäußerungen reagiert, wenn der betroffene Muskel unter Verspannungen leidet. Diese Punkte nennt man Stresspunkte. Einige von ihnen stelle ich Ihnen weiter unten vor.

Wie Muskeln arbeiten

Ein Muskel arbeitet, indem er sich anspannt, d.h. er verkürzt sich dabei. Durch einen Gegenmuskel wird er wieder entspannt bzw. gedehnt.

Wird ein Muskel nun überbeansprucht oder z.B. durch unpassende Ausrüstung, wie einen zu engen Sattel dauerhaft gereizt, bleibt er im angespannten Zustand und wird in diesem nicht ausreichend mit Blut und Sauerstoff versorgt. Es kommt zu Verspannungen.

Verspannte Muskeln sind verkürzte Muskeln, die sich nicht mehr optimal entspannen können.

Eine Stelle mit Muskelverspannung ist nicht auf diesen Ort beschränkt, sondern wird von einer Muskelgruppe zur anderen übertragen. So führt beispielsweise eine verspannte Schulter zu einem verspannten Oberarmmuskel und schließlich zur Überlastung der Beugesehne.

Dadurch führen Muskelverspannungen zu Überlastungen der Sehnen. Und nicht nur die Sehnen leiden, wenn die Muskulatur verspannt ist, sondern auch die Gelenke.

Weiche, harmonische Bewegungen durch Losgelassenheit der Muskulatur sind Stoßdämpfer für die Gelenke!

Die wichtigsten Stresspunkte

Die Stresspunkte finden sich in den meisten Fällen an den Ansatzpunkten eines Muskels, denn hier ist ein Muskel am häufigsten von Verkrampfungen betroffen. Die Stresspunkte befinden sich bei allen Pferden an derselben Stelle.

Dieser Artikel möchte keine Anleitung zur Eigentherapie bzw. Eigendiagnose sein und darf keinen Besuch von einem Physiotherapeuten bzw. Tierarzt ersetzen. Dennoch möchte ich Sie dazu ermutigen, Ihr Pferd regelmäßig abzufühlen. So können Sie eventuelle Probleme frühzeitig erkennen, nach den Ursachen suchen und rechtzeitig handeln, bevor ein ausgewachsenes Problem entsteht.

Auch merken Sie anhand der Entwicklung der Muskulatur, ob Sie bzw. Ihr Bereiter/Reitbeteiligung ein guter Trainer für Ihr Pferd sind, oder ob etwas in eine falsche Richtung läuft.

Einen Blick für die Muskulatur bekommen

Bevor Sie Ihr Pferd abtasten, betrachten Sie es einmal genau Wie ist die Bemuskelung Ihres Pferdes?

Ein gut bemuskeltes Pferd

  • macht einen im gesamten runden, harmonischen Eindruck,
  • hat einen gut ausgeprägten Oberhals als einen konvexen Bogen,
  • hat eine gut ausgeprägte Rückenmuskulatur und
  • hat eine runde, gefüllte Kruppe (das Pferd „hat Hosen an“).

 

Eine fehlende oder falsche Muskulatur erkennen Sie an:

  • Der Unterhals ist stark ausgeprägt.
  • Es finden sich Löcher neben dem Widerrist.
  • Die Wirbelsäule sticht heraus.
  • Der Rücken hängt durch.
  • Die Kruppe ist spitz mit „Löchern“.
  • Der Bauch „hängt“.

Und so können Sie Ihr Pferd systematisch abtasten

Nach dem Anschauen tasten Sie Ihr Pferd ab.

Achtung: Seien Sie bitte vorsichtig, wenn Sie ein Pferd abtasten! Die Pferde können, je nach Schmerzgrad teilweise sehr heftig reagieren, sogar mit gezieltem Austreten, Beißen und Wegspringen.

Abtasten des Genicks

Pferde, die auf Druck dieses Punktes reagieren, haben häufig Probleme damit, sich stellen zu lassen oder/und die Neigung, sich zu verwerfen.

Abtasten des Kopf-Armmuskels

Dieser Muskel verrät viel darüber, ob das Pferd gut gearbeitet wird oder nicht. Wenn das Pferd auf Druck des Stresspunktes den Kopf hochreißt, ist er verspannt. Ein verspannter Kopf-Armmuskel fixiert das Pferd auf der Vorhand und führt zu Stellungsproblemen.

Abtasten des Widerristes

Wenn Sie mit mittleren Druck seitlich am Widerrist entlang tasten und Ihr Pferd mit Zittern der Vorderbeine oder gar einem Einknicken reagiert, besteht eine deutliche Verspannung. Das Pferd zeigt evtl. Bewegungs- und Koordinationsmängel. Lassen Sie unbedingt den Sattel kontrollieren!

Abtasten des langen Rückenmuskels

 

Fühlen Sie möglichst viele verschieden Rücken ab, um ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie die Pferde reagieren. Fahren Sie mit den Fingern rechts und links neben der Wirbelsäule den  Muskel entlang. Die Muskulatur soll gut entwickelt sein (keine Löcher links und rechts von der Wirbelsäule), sich gleichmäßig anfühlen, ohne Verhärtungen, Dellen, Knötchen usw.

Reagiert Ihr Pferd deutlich mit Unbehagen, lassen Sie bitte unbedingt den Rücken von einem Fachmann (Osteopath oder Chiropraktiker) untersuchen und gegebenenfalls behandeln. Denken Sie auch daran, den Sattel zu kontrollieren!

Abtasten der Bauchmuskulatur

Verspannungen dieser Muskulatur zeigen sich oft in einer Gurtzwangproblematik. Ist dieser Muskel verspannt, geht das Pferd mit kurzer, gespannter Vorhand.

Abtasten der Hinterhandmuskulatur

Verspannungen dieser Muskulatur äußern sich in verkürzter Trittlänge und zackelndem Schritt.

Nur eine kleine Auswahl…

Diese Auflistung gibt nur einige wichtige Stresspunkte wieder. Es gibt im Ganzen 25 Punkte.

Mit einfachen Massagetechniken kann jeder Pferdemensch seinem Pferd etwas Gutes tun. Einfühlsamer, direkter Druck mit dem Daumen oder Zeigefinger auf eine verkrampfte Stelle erzeugt eine Steigerung der Durchblutung, Reibungen quer zu Faser lösen verkrampfte Muskelfasern voneinander.

Haben Sie Fragen oder Anregungen? Dann schreiben Sie mir.

Literatur-Tipp

Jedem der sich für die Stresspunktmassage interessiert, empfehle ich das Buch

„Stresspunktmassage nach Jack Meagher von Claus Teslau und die DVD „Muskeltherapie bei Pferden mit der Stresspunktmassage “ von Claus Teslau.

 

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