Wie der Longen- und Aufbaukurs unser Leben veränderten …
Von Anna Hug
Anfänge
Ich habe als Späteinsteigerin auf einem Isihof angefangen zu reiten. Nach gerade mal zwei Jahren Unterricht wurde mir der Kauf eines Pferdes nahe gelegt. Weil ein ganz bestimmter Isi mir dort den Kopf verdreht hatte, war ich also plötzlich Pferdebesitzerin, ohne im Grunde genommen von irgendetwas eine Ahnung zu haben.
Zum Beispiel ging Longieren damals so: Auf die eine Hand fiel mein Pony dermaßen auf die innere Schulter, dass es ihn sogar einmal auf den Boden legte (das sei „unaufmerksam“, hieß es). Auf die andere Hand hängte er sich voll in die Longe (das sei „frech“, hieß es). Ich stand in der Mitte und sonst eigentlich nicht viel mehr.
Zurück zum Kauf: Ich werde nie vergessen, warum ich genau dieses Pferd wollte: Es war ein stummer Hilfeschrei in seinen Augen gewesen. Nur wurde mir das erst später wirklich klar.
Zu Beginn unserer gemeinsamen Zeit machten wir weiter, wie ich es gelernt hatte, mit zu langen Sätteln, grobem Reiten und Tölt-Üben. Nur: Kaum war das Pony mein, hätte ich es am liebsten gar nicht mehr geritten. Ich hasste es, ihm im Maul herumzurupfen und ich spürte, dass er ein riesiges Fragezeichen über dem Kopf hatte, wenn es um die Arbeit mit den Menschen ging. Seine Art zu reagieren zeigte sich in verzweifeltem Trotz und Davonrennen.
Biomechanik? Wege zum Pferd!
Ich begann bald, stundenlang im Internet zu recherchieren. Und doch, ich erhielt keinen richtigen Zugang dazu, wie ein Pferd gesund laufen kann. Ich las immer nur diese Schlagwörter: „vorwärts/abwärts„, „Rücken aufwölben„, „Hinterhand„, „Spannungsbogen„… ???
Als ich eines Tages auf Anraten anderer mein Pony mit Ausbindern longierte statt wie sonst unausgebunden, hatte mich sein unglücklicher Blick tief getroffen. Ich begann zu recherchieren, ob sinnvolles Longieren OHNE Ausbinder denn nicht möglich wäre – und stieß auf „Wege zum Pferd“ und den Longenkurs. Es war damals eine echte Offenbarung. Da gab es Biomechanik so erklärt, dass ich sie wirklich verstand. Eine nachvollziehbare Anleitung, warum und wie man seinem Pferd beibringen kann, gesund zu laufen und sooo viele Blogbeiträge, die das bestätigten, was ich mir schon immer gedacht hatte: „Es geht auch anders.“
Es war der Beginn eines sehr langen Weges, denn durch das falsche Reiten hatte mein Pony eine unerklärliche Lahmheit entwickelt. Ich war damals der Osteopathie gegenüber noch sehr kritisch eingestellt und so sollte es einige Tierarztbesuche lang dauern, bis ich begann, ihn osteopathisch behandeln zu lassen. Und siehe da: Er hatte tatsächlich grobe Verspannungen. Ich verdanke es dem Longenkurs, dass wir bei keiner einzigen Behandlung einen Rückschritt zu verzeichnen hatten.
Sehr wertvoll war für mich in dieser Zeit auch das „Wege zum Pferd“-Forum und die Gleichgesinnten dort, denn ich fand dort die Kraft, trotz kritischer Stimmen durchzuhalten.
Die Kurse bei Babette Teschen
Im Herbst 2009, nach einem halben Jahr Longenkurs üben zu Hause, begann Babette auch an entfernteren Orten Kurse für die Arbeit nach dem Longenkurs zu geben. Eines ihrer ersten Reiseziele war in der Schweiz. Es war keine Frage, ich packte das Pony ein und bin hin. Ich freute mich darauf, zu zeigen was wir erarbeitet hatten und war unendlich nervös. Mein Pony auch… und er zeigte infolgedessen fast nur Pass. Es war eine große Enttäuschung, denn zu Hause lagen unsere Probleme völlig anders. Aber ich lernte endlich Babette kennen und sie konnte uns nichtsdestotrotz einiges mitgeben. Kurz danach kam dann ein riesiger Durchbruch an der Longe: Mein Pony gab endlich seinen Schongang, den er sich wegen der Verspannungen angewöhnt hatte, auf.
Im neuen Jahr war der Stand also ein 5-gängiges Islandpferd, das schön gebogen und einigermaßen konstant auf einem Kreis traben konnte.
Nur, es fehlte noch einiges an stabilisierender Muskulatur. Ich bekam dann den Tipp, das Reiten wieder anzufangen. Reiten? Oh Schreck…
Es kam völlig anders: Das Reiten machte bald großen Spass. Ich fand eine Reitlehrerin und lernte enorm viel. Nur: Die Reitlehrerin war mir einfach zu wenig gründlich. Sie wollte schon nach drei Reitstunden am Schulterherein arbeiten und wir konnten de facto ja eigentlich nichts! Ich fühlte mich völlig überfordert und ich hegte den Wunsch, erst mal gründlich an der Basis zu arbeiten.
Dieser Wunsch sollte mir im Mai 2010 erfüllt werden: Da war nämlich mein zweiter Kurs bei Babette. Sie vermittelte uns das Reiten nach dem Longenkurs (aus dem Aufbaukurs).
Mein Pony lernte, sich auch unter dem Reiter zu biegen. Seine Muskulatur explodierte geradezu.
Hier mal ein Vergleich der Halsmuskulatur von der Zeit vor unserer Arbeit mit dem Longenkurs:
Und nach einem Jahr unregelmäßiger Arbeit nach dem Longenkurs:
Und noch ein Gesamtbild nach 6 Monaten regelmäßiger LK- und Reitarbeit:
Als ich nach zwei Monaten (mit Babettes Kursen spart man bares Geld für Reitunterricht (dafür gibt man es für Sattelanpassungen aus)) wieder meine (kritische!) Reitlehrerin holte, war sie absolut begeistert von unserer Entwicklung. Man kann sich gar nicht vorstellen, was für eine Leistung es war für uns, eine kleine Volte traben zu können – aber wir konnten es!
Im kommenden Sommer 2010 begann eine sehr glückliche Zeit: Wir setzten die Inputs aus Babettes Kurs um (neben dem Reiten auch Doppellonge und Handarbeit) und machten lange Ausritte.
Hier vielleicht ein Abstecher zur psychischen Seite des ganzen: Longenkurs, Clickertraining und viel Geduld machten aus meinem ehemaligen unsicheren und überängstlichen Durchgänger ein immer selbstbewussteres, glückliches, aufmerksames Pferd, das sich immer mehr getraute, seine Sensibilität zu zeigen. Die Veränderung in seinem Ausdruck war – ist – enorm.
Im September 2010 schließlich folgte unser bis dahin dritter Kurs bei Babette. Vorab ist zu sagen, dass mein Pony ungemein stabil in seinen Bewegungen geworden war. Es war der erste Kurs, wo keine einzige passige Phase dabei war.
Während wir feststellen mussten, dass es noch länger dauern würde, bis wir an der Longe galoppieren können werden, arbeiteten wir an Lektionen wie Schulterherein im Trab an der Longe und an der Hand, Travers, Renvers, ersten Verstärkungen. Das absolute Highlight war, dass Babette uns diese ganzen Lektionen auch reiten ließ – und es klappte! Natürlich sind wir noch sehr in den Anfängen, aber doch: Das war ein unglaublicher Fortschritt binnen nur einen Jahres.
Schlusswort
Ich bin während unserer gemeinsamen Zeit immer wieder an Punkte gestoßen, wo ich am Longenkurs gezweifelt habe, wo ich mir mehr Unterstützung vor Ort gewünscht hätte und wo ich am liebsten alles hingeschmissen hätte. Ich muss retrospektiv aber sagen, dass es für das Ziel eines gesunden, glücklichen Reitpferdes ein sehr lohnender Weg ist, den ich auch mit meinem Jährling irgendwann beschreiten werde und den ich jedem gerne weiterempfehle. Das Reflektieren und Denken, das Finden des für Pferd und Mensch besten Weges nimmt der Kurs einem zwar nicht ab, aber er erleichtert es ungemein.
12. Juni 2011 von Gastautor • Kategorie: Longieren • 4 Kommentare »