Welche Reitweise ist die richtige?

Ich werde immer wieder gefragt, welche Reitweise ich als „die richtige“ ansehe. Das Bedürfnis dahinter, nämlich etwas Orientierung zu finden in der Vielfalt an möglichen Reitweisen, kann ich gut verstehen. Leider kann ich aber auf die Frage keine klare Antwort geben, denn in meinen Augen gibt es nicht „die richtige Reitweise“. Es gibt nur gutes und schlechtes Reiten, aber das eben unabhängig davon, welchen Sattel ich wähle oder wie ich meinen Reitstil nenne . . .

Auch ich habe lange nach der „richtigen“ Reitweise gesucht. Und so habe ich inzwischen so ziemlich jede Reitweise „durch“. Ich habe dabei viel gelernt, aber auch vieles gesehen und erlebt, was ich nicht möchte.

Welcher Reitweise ich heute angehöre? Schwer zu sagen! Ich würde mich wohl unter „an die klassische Dressur angelehnt“ einordnen. Zur Zeit bin ich gebisslos und im Westernsattel unterwegs, was aber kein Ausdruck meiner Reitweise ist sondern nur, dass mein Pferd damit am besten läuft. Ich nahm Unterricht bei guten Englisch-Dressur Trainern, ebenso wie bei klassischen Ausbildern und gäbe es in der Nähe einen guten Westernreitlehrer, würde ich auch gerne dort etwas „mitnehmen“. Leider habe ich aber auch in allen Sparten schon sehr viel Schlechtes und Trauriges gesehen.

Ich habe mir in gewisser Weise eine sehr individuelle Reitweise aus den Elementen zusammengepuzzelt, die mich überzeugt haben. Grundsätzlich bevorzuge ich eine Signalreitweise, da ich davon überzeugt bin, dass Dauerhilfen jeder Art nur zur Abstumpfung führen können. Ich möchte mein Pferd unter dem Sattel so arbeiten, wie ich es auch bei der Arbeit nach dem Longenkurs: langes Aufwärmen im Schritt über Biegung, Seitengänge, langsame Bewegung und von dort aus ins „Go“ gehen.

Unabhängig von der Reitweise achte ich auf sanfte Ausrüstung und vor allem auf weiches, pferdefreundliches Reiten. Alles was mit Anwendung von Kraft, Zwang und Schmerzen zu tun hat, lehne ich ab. Immer dann, wenn bei Widersetzlichkeiten des Pferdes darauf gesetzt wird, sich durchzusetzen oder eben „deutlichere Hilfen“ zu geben, hört für mich der gute Unterricht auf – und das eben auch wieder unabhängig von der Reitweise.

Eine kleine Checkliste

Hier habe ich eine kleine Checkliste erstellt, von der ich denke, dass sie hilfreich für die Beurteilung Ihres Reitunterrichts sein kann – und auch das losgelöst von der Reitweise:

  • Der Unterricht wird individuell auf Sie und Ihr Pferd abgestimmt und geht nicht nur nach (Reitweisen)Schema-F vor. Auch die Tagesform und Stimmung von Ihnen oder Ihrem Pferd wird berücksichtig.
  • Die Anleitungen sind anschaulich und verständlich; es ist für Sie nachvollziehbar, was und warum Sie eine Lektion ausführen sollen.
  • Der Reitlehrer erkennt, wenn Sie oder Ihr Pferd überfordert sind und sorgt dann für Entspannung bzw. wählt leichtere Übungen.
  • Sie und Ihr Pferd haben in der Reitstunde Freude an der Arbeit und den Übungen. Lässt das positive Grundgefühl nach, sorgt Ihr Reitlehrer dafür, dass Sie es wieder erlangen, macht eine Pause oder überlegt sich einen anderen Weg der Vermittlung.
  • Ziel des Unterrichts ist nie dass Sie sich auf Ihrem Pferd „durchsetzen“ und es dazu bringen, zu tun, was Sie wollen, sondern Sie lernen sich gemeinsam mit Ihrem Pferd neue Lektionen zu erarbeiten.
  • Sie haben das Gefühl, dass der Reitunterricht sowohl Sie als auch Ihr Pferd positiv fordert und fördert.

Wenn Sie einen Reitlehrer finden, der diese Punkte wenigstens zu großen Teilen erfüllt, dann halten Sie ihn fest – egal welcher Reitweise er oder sie angehört!

13. März 2012 von Babette Teschen • Kategorie: Aus dem Reitunterricht und Coaching 13 Kommentare »

 

13 Reaktionen zu “Welche Reitweise ist die richtige?”

 

Von Jost • 14. März 2012

Welche Reitweise? Ich versuche immer weise zu Reiten, egal auf welche Weise 😉
___________________________________________________
Seeehr schön gesagt!
Liebe Grüße,
Babette

 

Von Kerstin Jaud • 14. März 2012

Das ist sehr schön geschrieben. Dem ist nichts hinzuzufügen. Vielen Dank!

 

Von Bine • 16. März 2012

Liebe Babette, von deinen genannten Punkten unterschreibe ich alle! Allerdings ist es bei uns leider so, dass die Reit“lehrer“, von denen meine Tochter und ich „unterrichtet“ wurden/werden, nicht annähernd einen davon umsetzen (können/wollen)! Auf dem Pferdehof, auf dem wir unsere ersten zaghaften Erfahrungen auf einem Pferderücken machen durften, wurde es auch so gehalten: „Vorne halten, hinten drücken!“ Wenn was nicht klappte, wurden die Reitschüler – meist kleine Mädchen – eben mit aller Deutlichkeit „motiviert“. Von den armen Pferden ganz zu schweigen… Den Hof hatten wir dann alsbald verlassen. Seitdem gehen wir zweimal wöchentlich auf ein großes Gestüt (Turnierstall). Dort sieht eine Reitstunde so aus: Halle/Platz werden mit den Pensionern geteilt. Jeder reitet nach seinem Gutdünken. Niemand nimmt dann Rücksicht auf die Reitschüler. Einmal war es sogar so, dass dreiviertel der Halle (L-Form) für die Vorbereitung eines Springturniers genutzt wurde und die Reitschüler und anderen Pensioner sich das restliche Viertel Halle teilen mussten. Dort waren dann zur Hochzeit 13(!!) Reiter unterwegs. Da geht auch schonmal ein (Schul-)Pferd durch, wenn es mit einem „Kumpel“ zu sehr auf Tuchfühlung gegangen ist… :o| (so ein bissel wie Russisch Roulette). Wenn man Glück hat, ist der Reitlehrer in der Nähe (wenn er/sie nicht gerade sonstwo beschäftigt ist). Steht zu befürchten, dass es woanders ähnlich zugeht – leider. Übrigens: Unser erstes eigenes Pferdchen besucht dann eine wunderschöne Offenstall-Anlage, in der die Tiere in Herdenverbänden leben dürfen und in der das Wohl des Pferdes an erster Stelle steht und die Kinder genau dort abgeholt werden, wo sie sich reittechnisch gerade befinden. :o)

 

Von marymèe • 19. März 2012

Ich bin die Checkliste durchgegangen – was für ein Glück, denn genau so eine Reitlehrerin haben wir! Das Grundgefühl nach der Reitstunde ist immer Harmonie, selbst an Tagen, an denen ich am Anfang denke: Das wird heute nichts.

 

Von Doro • 19. März 2012

Liebe Babette,
danke, du hast wieder einmal so recht! Ich habe gerade extra den Stall gewechselt um in den Genuss solchen Reitunterrichtes zu gelangen. Heute wurde mir z.B. ganz genau und ebenso freundlich erklärt, dass dass es keinesfalls an mangelnder Kooperationsbereitschaft meines Pferdes liegt, wenn es im Trab unter mir zu rennen beginnt und nur schwer zu lenken oder zu bremsen ist, sondern einzig und allein daran, dass es noch nicht gelernt hat, im Gleichgewicht zu laufen. Es kommt zu sehr auf die Vorhand und weiß sich dann nicht anders zu helfen als seinem Gleichgewicht hinterher zu laufen um nicht auf die Nase zu fallen. Als wir es dann schließlich geschafft hatten, beim Antraben im Gleichgewicht zu bleiben habe ich gemerkt, wie recht meine RL hat, denn mein Pferchen war ganz fein und leicht in der Hand und sicher in Takt und Tempo. Erstmal nur eine halbe Runde lang, aber für mich war es ein Meilenstein darin, mein Pferd besser zu verstehen. Und nach Deinem Hinweis darauf, dass die Reitweise bei gutem Unterricht unerheblich ist, kann ich auch besser damit umgehen, dass ich dem großen Vorbild meiner RL bisher immer etwas skeptisch gegenüber stand.

 

Von Frank Schoof • 19. März 2012

Hallo,

toller Artikel. Das Problem an der ganzen Sache ist doch, dass es oft zu wenig kompetente Reitlehrer gibt, die sich u. a. nicht trauen ihre Meinung zu sagen, weil Sie dann evtl. eine(n) Kundin/Kunden verlieren könnten. Es gibt wohl sehr wenig Reitlehrer/innen, die auch mal etas gegen den Umgang mit dem Pferd sagen (u. a. weil sie selbst nicht gerade „tierfreundlich“ mit dem Pferd umgehen) oder die sich auch mal trauen zu sagen, dass der/die Reiter/in sich besser ein anderes Hobby zulegen sollte. Da ist es egal, ob nun Western oder klassisch. Schade ich auch, dass oftmals in der Ausbildung zum Trainer der Bock zum Gärtner gemacht wird. Warum trauen sich die Ausbilder nicht zu sagen: „Du bist als Trainer ungeeignet !!!“ Kommt es wohl doch nur wieder auf die Kohle an? Was nutzt es jemanden als Trainer auszubilden, der als Westernreiter den klassischen Reitern in die Bahn reitet und wenn er/sie dann darauf angesprochen wird nur sagt: „Ist mir doch egal. Beim Westernreiten gibt es keine Regeln“??? So ein Reiter/eine Reiterin kann doch nicht als Trainer fungieren. Da sind die Ausbilder, wie so oft gefragt. Das gilt für alle Reitarten. Wichtig ist doch, dass es Spass macht und das Pferd vom Unterricht profitiert und nicht nur der Trainer/Ausbilder des Trainers sein Täschen voll hat. Leider sind die Trainer/innen, die nicht selbstgefällig und nur finanzorientiert sind, sehr selten; nicht nur in der Pferdescene. Ein Dank an alle, die sich trauen etwas zu verändern und auch den Mund aufmachen… Wie schon gesagt, ist es oftmals besser sich aus allem für sich und sein Pferd das passende heraus zu ziehen statt nur einer Richtung folgen. Das Pferd wird uns dankbar sein…

 

Von Silke • 19. März 2012

Hallo,

Ich habe das Glück solch eine Reitlehrerin gefunden zu haben,die all diese Punkte erfüllt und noch viel,viel darüber hinaus!!!!!und ja ich halte sie fest :-)))))

LG aus Österreich
Silke

 

Von Pia Conrad-Neumann • 22. März 2012

Perfekte Anleitung, alles auf den Punkt gebracht, viel Glück beim finden 😉
Ich habe sie gefunden, hatte aber von 17 Jahren an, bis ich 40 Jahre war, gesucht und keine/n gefunden, jetzt bin ich 45, ja leider kann es so gehen.
LG Pia

 

Von Annabelle • 25. März 2012

Ich finde es auch gut auf den Punkt gebracht. Zum Glück habe ich sogar drei Reitlehrerinnen um mich herum, die so sind 😀
Reken-Reitlehrerinnen kann ich nur empfehlen 😉
LG
Annabelle

 

Von petra • 31. März 2012

Auch ich bin jetzt bei solch‘ einem perfekten RL angekommen! Außerdem habe ich den Vorteil, dass mein RL auch Osteopath ist und direkt feststellen kann, ob und wo es bei meiner Stute mal zwickt. Ich genieße jetzt seit ca. einem Jahr diesen guten Unterricht und meine Stute und ich haben sehr große Fortschritte gemacht. Am Anfang war sie überhaupt nicht im Gleichgewicht. Beim Trab hat sie den Rücken weggedrückt und lief mit der Hinterhand auf dem 3. Hufschlag. Galopp ging gar nicht, da ist sie nur unkontrolliert gerannt. Mittlerweile sind wir bei einem guten Schritt und Trab angekommen, der Galopp fehlt noch. Hierzu müssen wir die Grundlagen im Schritt und Trab noch festigen! Reiten braucht halt Zeit! LG Petra

 

Von Christa • 2. April 2012

hallo babette,
hat bei mir auch lange gedauert, bis ich gute RL gefunden habe!!
ich habe noch nach der ‚guten-alten‘ „hauen-stechen-ginggen-würgen“ methode lernen müssen…. ( ginggen= treten )
nun flieg ich mir die halt ein auf meinen hof.
lohnt sich allemal.
liebe grüsse
christa

 

Von kirsten • 5. April 2012

Hallo Babette,
geboren in den 60erJahren gab es in meiner näheren Umgebung nur eine Art Reiten zu lernen, die heute sogenannte Englische. Ich bin durch eine harte Schule gegangen und wundere mich heute im Rückblick, dass ich immer noch reite. Das Reiten im Gelände war und ist immer noch ein Schreckgespenst für mich. Reitlehrer, die kein Verständnis und Gefühl hatten für die Bedürfnisse eines Anfängers, haben bei mir ein Trauma hinterlassen. Erst mein erstes eigenes Pferd hat mir die Möglichkeit eröffnet neue Wege zu gehen. Ich nahm mit diesem Pferd natürlich Unterricht, fragte mich aber noch jeder Stunde warum ich Schulterschmerzen hatte und meine Arme schwer wie Blei waren nach dem Reiten.Heute frage ich mich, wie sich das Pferd nach so einer Unterrichtseinheit gefühlt haben muss. Das Pferd war übrigens immer ausgebunden. Ich suchte neue Wege und fand eine Westernreitlehrerin, die mir endlich das „Reiten“ beibrachte. Heute sage ich, ich habe 20 Jahre gelernt nicht runterzufallen, aber erst in den letzten 10 Jahren habe ich reiten gelernt. Diese Reitlehrerin hat mir beigebracht über den Tellerrand zu schauen und in andere „Reitweisen“ hineinzuschnuppern, um das Beste für mein Pferd und mich zu finden. Es gibt sehr viele Parallelen zu Ihrer Art zu reiten und Ihr Artikel hat mir aus dem Herzen gesprochen. Ich bin ganz schwer in eine Schublade zu stecken. Wenn ich gefragt werde nach welcher Reitweise ich reite,antworte ich: Ich reite, nicht mehr und auch nicht weniger. Pferdegerecht muss es sein.
liebe pferdige Grüße Kirsten

 

Von Birgit • 7. April 2014

Hallo, ich habe auch mehrere Trainer probiert. Die einen brachten mich zum Heulen, weil ich dachte, ich wäre zu dumm zum Reiten. Dabei waren DIE zu dumm zu erklären. Die Anderen verstanden nicht, dass ich Anfänger war (aber du hast doch ein eigenes Pferd, da musst du doch reiten können…) und verlangten Lektionen, zu denen ich noch nicht fähig war. Ich habe gesucht und mir immer Westernunterricht gewünscht. Jetzt nehme ich Unterricht bei einer Englischtrainerin, die bei uns auf dem Hof ist. Jede Unterrichtstunde ist ein Vergnügen, sie erklärt (manchmal tut sie mir leid, weil ich wieder und wieder frage:-) )alles genau, sie übt mit mir nicht immer dasselbe, der Unterricht ist abwechslungsreich und auch mein Pferd ist motiviert, weil ich meine Fehler verstehe und ihm bessere Signale geben kann. Er setzt das dann sofort um. Es ist „zwar“ Englisch, aber mir ist sehr guter Englischunterricht 1000 Mal lieber als schrottiger Westernunterricht. Ich denke eine gute Basis ist das Wichtigste. Ich freue mich jedes Mal auf die nächste Stunde. Ach ja, ich reite gebisslos aus Überzeugung und sie unterrichtet uns ohne wenn und aber!

 

 

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