Vom Nein ins Ja

Nach meinen Artikeln zum Thema Ja (hier und hier) wurde ich gefragt, wie man konkret ein Nein eines Pferdes in ein Ja umwandeln kann. Es gibt aus meiner Sicht leider keine Technik oder Methode, die das sicherstellt, da können wir immer nur individuell in der jeweiligen Situation uns etwas einfallen lassen. Hier aber mal zur Inspiration eine kleine Begebenheit von Anthony und mir, die da ganz gut passt:

Es war mal wieder einer der Tage, an denen Anthony so aussah, als wäre dieser Tag einer der blödesten seines Lebens. Man sieht seine Stimmung nicht nur seinem Blick an, sondern vor allem auch seinem Maul. Die Maulspalte ist dann ganz verkniffen und die Haut um die Nüstern herum richtig gekräuselt. Und wenn er so aussieht, ist seine Laune nicht die beste 😉

Manchmal lasse ich ihn dann einfach in Ruhe – warum soll ich riskieren, dass er mich auch noch doof findet? An anderen Tagen überlege ich mir aber auch mal gerne, wie ich ihn vielleicht „knacken“ kann – sprich: wie ich seine Laune verbessern kann. An diesem Tag entschied ich mich dazu, ein bisschen mit ihm spazieren zu gehen.

Anthony lief maulig neben mir her. Ich ging nicht drauf ein und lachte einfach freundlich. Hin und wieder fragte ich seine Lieblingsübung, den spanischen Schritt ab. Und siehe da, nach einigen Minuten waren die Falten ums Maul herum schon weniger und die Augen wurden runder. Wir waren nicht einmal eine halbe Stunde unterwegs – an Schlechte-Laune-Tagen halte ich die Einheiten bewusst kurz. Als ich ihn zurück zum Paddock brachte, blieb er am Tor stehen und machte sich groß. Sein Blick war offen und rund – keck sah er aus. 😀 Als ich dann später mit Aramis zurückkam, kam er gleich zu uns – fröhlich und freundlich. Ein schöner Erfolg: An diesem Tag habe ich ihn aus seinem Nein in ein Ja holen können.

Klar kann man über ein Nein seines Pferdes hinweggehen, aber ich bin überzeugt: viele solcher in ein Ja umgewandelten Neins führen zu einer immer besseren Beziehung miteinander.

28. Oktober 2010 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse 5 Kommentare »

 

5 Reaktionen zu “Vom Nein ins Ja”

 

Von Katharina • 1. November 2010

Hallo! Ein schöner Beitrag. Vielleicht erinnerst du dich noch an meinen Forumsbeitrag „Trennungsschmerz“ in dem ich berichtet habe, dass ich nicht mit einer meiner beiden Stuten ins Gelände kann, weil beide nicht getrennt voneinander sein konnte. Nach langem Üben kam irgendwann ein wunderbarer Moment in dem meine jüngere Stute beim Reiten auf der benachbarten Wiese des Paddocks ein „Ja“ gab. Beim trocken Reiten bewegte sie sich Stück für Stück weiter vom Paddock und somit ihrer Herde weg. Immer weiter – ohne die üblichen Aufreger etc. Das war ein ganz besonderer Moment. Ich hatte die Zügel lang und ließ sie einfach den Weg vorgeben. An diesem Tag haben wir einen kleinen Ausritt gemacht, völlig ungezwungen und entspannt. Das war der Moment, als sie zum alleine Ausreiten „Ja“ gesagt hat. Seither klappt es wunderbar. =)

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Wunderschön!!! Ich freue mich für Dein Pferd, dass Du so viel Geduld hattest und ihr Zeit gegeben hast, dieses Ja zu entwickeln.

Tania

 

Von Regina • 22. April 2013

Danke für beide Beiträge, den originalen und den Kommentar.
Ich lasse mich auch häufiger auf spontane Programmänderungen ein, wenn ich sehe, dass meine Dicke nach einem deutlichen Nein aussieht – vorausgesetzt, es steht nicht gerade etwas Notwendiges an, das einfach jetzt getan werden muss, dann geht es eher um Nuancen der Gestaltung innerhalb der geforderten Aufgabe. Allerdings habe ich immer gedacht, ich „leiste“ mir diese Leichtigkeit, weil meine chronisch kranke Stute meiner Meinung nach nicht mehr so viel müssen muss. Jetzt lese ich, dass andere sich das auch mit gesunden Pferden „leisten“ und glücklich damit sind. Das finde ich schön und unterstützend, noch häufiger bzw. besser hinzuschauen und kreativer zu sein. Das Ergebnis ist zu allermeist eine friedlichere, harmonischere Verbindung für diesen Tag, und das macht eben einfach glücklich. Wenn ein Pferd in seiner Meinung ernst genommen wird und auch eigene Vorschläge machen darf, dann wird die Verbindung einfach langfristig tiefer, vertrauensvoller. Dann kann man auch notwendige, ungeliebte Dinge anders erklären und in mehr Vertrauen durchführen.
Ein Beispiel dafür, wie ich neulich auf einen Vorschlag meiner Dicken eingegangen bin: Wir starteten zu einem kleinen Spaziergang in der immer noch recht neuen Umgebung (sind im Dezember in unseren neuen Stall umgezogen). Ich hatte unseren Weg im Kopf, meine Süße aber schielte sehr in einen bisher noch nicht erkundeten Seitenweg, eine Sackgasse, ich kannte sie schon lange, aber sie eben nicht. Na gut, sagte ich, da wohnt Johanna, die kennst du. Vielleicht erinnerst du dich. Wir gingen hinein, bis zum Ende, mein Pferd war schreckhafter, wie immer in unbekannter Umgebung. Da ich aber „alles kannte“, war ich ganz ruhig und gelassen, musste ja auch nicht selbst erkunden, wie es wohin ging.
Also, wir schauten uns alles an, vor allem Johannas Pferde, dann wendeten wir und gingen zurück und begegneten auf einmal mehreren Hunden, die ihren Bereich vor einem Bauernhof bewachten, sie machten ziemlich viel Lärm und drohten, kamen auch teilweise sehr nah. Die Dicke wurde deutlich dicker und größer, schnorchelte, tänzelte, orientierte sich dann aber an mir, die ich mit den Hunden sprach, sie lobte, weil sie ihren Job gut machten. Kein großer Aufstand, mein Pferd war ganz bei mir, hielt auch auf leises Gertenzeichen hin genügend Abstand und rückte mir nicht auf den Pelz wie sonst schon mal öfter. Und dann – die Hunde waren wieder ruhig -, konnte sie in der Nähe ein bisschen von dem verlockend hellgrünen Gras naschen, Kopf tief, zufrieden, der Rest des Spaziergangs war dann regelrecht heiter, das war schön.

Und ich möchte noch ein Lob aussprechen: Glückwunsch zur runden großen LeserInnen-Zahl!
Ich freue mich montags immer wieder über einen neuen Newsletter von Euch, und wenn ich so in den Kommentaren herumstöbere, dann gehts anderen Leuten ganz genau so. Danke für Eure inspirierende, oft berührende Arbeit. (Das habe ich schon mal ähnlich geschrieben, und werde es gegebenenfalls auch wieder tun, weil es einfach stimmt).
Liebe Grüße, Regina

 

Von Rita Walder • 22. April 2013

Grüezi zäme!
Meine Island Stute Askja darf, wenn immer es die Verhältnisse erlauben, nach unseren Ausritten auf die Weide, die sich etwa 100m vor dem Stall befindet. Vorgestern kam ja der Schnee wieder…. Wir sind wie immer die Strasse hinauf geritten, und vor dem Weideeingang blieb Askja stehen. Ich erklärte ihr, dass es bei dieser Nässe leider keinen Weidegang gäbe und forderte sie mit Stimme und Hilfen auf, weiter zu gehen. Das ist in der Regel kein Problem. Vorgestern aber blieb sie vehement stehen und war mit nichts vorwärts zu bewegen, von ihr also ein sehr deutliches NEIN. Früher noch wäre ich vermutlich ärgerlich geworden. Vorgestern liess ich alles fallen, die Zügel, meine Beine, alles locker und so standen wir einfach da, die längste Zeit…. Askja war sichtlich erstaunt, ihre Ohren kreisten fast….
Ich habe sie dann einfach nochmals ganz freundlich nur mit der Stimme aufgefordert, weiter zu gehen… und siehe da, ganz willig marschierte mein Mädel an der Weide vorbei zum Stall. Ein sehr eindrückliches Erlebnis und auch die Bestätigung, dass a) ein Pferd ja auch eine eigene Meinung haben darf und b) dass es auch über die Situation nachdenken darf. Ist doch genial!
Liebe Grüsse aus dem Schweizerländli
Rita

 

Von Nina Bräuer • 23. April 2013

Erst einmal wollte ich sagen, dass ich viele Beiträge auf eurer Seite und den Newsletter sehr interessant finde!

Bei diesem Beitrag sehe ich die Fragestellung ehrlich gesagt nicht wirklich beantwortet. Okay, es wurde geklärt, was man machen kann, wenn das Pferd einen schlechten Tag hat.
Aber wie reagiert ihr in einer konkreten Situation? Also wenn ein Pferd eine Übung zum Beispiel schon sehr genau kennt und trotzdem „nein“ sagt. Das kann durchaus einmal vorkommen, bestimmt nicht bei allen Pferden, aber bei vielen.
Meine Herangehensweise wäre in dem Fall so lange dran zubleiben, notfalls die Intensität der Anfrage deutlich zu steigern, bis das Pferd wirklich reagiert und „antwortet“. Dann natürlich sofort total loben und evtl. ein Leckerli geben.
Sagt man hier, okay, du musst nicht antworten kann das auch dazu führen, dass das Pferd die Anforderung gar nicht mehr versteht, also denkt: Ich bin dagegen gegangen und sie hat mit der Anfrage aufgehört, es muss also das richtige gewesen sein, was ich gemacht habe.
Konsequenz ist für viele Pferde meiner Meinung nach enorm wichtig.
Bei meinen Pferden habe ich die Erfahrung gemacht, dass sie durch diese Umgehensweise wesentlich entspannter werden und weiterhin wieder freudig(er) mitmachen.
Wichtig ist meiner Meinung nach, dass man eine echte Kommunikation aufbaut und Pferd einen versteht.

Wie würdet ihr das machen?

 

Von Dagmar • 23. April 2013

Hallo zusammen,

erstmal muss ich sagen, daß ich immer ganz froh bin, wenn ich die Texte und Kommentare lese. Es ist schön, daß ich hier Bestätigung finde. Ich werde auch gerne milde belächelt und bin mit meinen Bemühungen um einen verständnisvollen und pferdegerechten Umgang manchmal ziemlich allein auf weiter Flur…
Ich habe mein Pferd als Reitbeteiligung angeboten bekommen und konnte ihn dann irgendwann kaufen.
Er funktionierte! Und war sonst in sich gekehrt und lebte in der Erwartung verlassen oder weitergereicht zu werden.
Inzwischen ist er sich meiner sicher und blüht zusehends auf.
Und wenn er sich dann aus der Herde löst und mir entgegen galoppiert, ist da ein großes JA, ein echtes Geschenk.
Und sein NEIN zu Ausritten in unbekanntes Gelände habe ich auch akzeptiert. Er wurde dann immer unruhig und guckig und scheute vor dem bekannten Nix.
Jetzt erkunden wir spazierend neue Wege und er ist entspannt und folgt mir vertrauensvoll. Und dann können wir da auch irgendwann reitend durch.
Und seinen Schmied hat er sich ausgesucht. Schmiedtermine und neue Eisen haben mich manche schlaflose Nacht gekostet und ich/wir haben einige Schmiede verschlissen…
Bis wir den richtigen hatten und Pferd sagte: „Cool, den nehmen wir!“
Und ich bin immer ganz glücklich, wenn wir wieder eine Hürde genommen haben und ich könnt den Zausel nur knutschen und bin dankbar, daß er nicht wie so viele Menschen rumeiert, sondern klar JA und NEIN sagt.

Liebe Grüße,
Dagmar.

 

 

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