Gegen die Unwissenheit

Wir befassen uns ja gerade intensiv mit der Frage, was wir als Betreiberinnen von „Wege zum Pferd“, aber auch damit, was Ihr alle dort draußen tun könnt, um gegen Missstände in der Pferdewelt und Auswüchse wie Rollkur & Co anzugehen (s. auch hier).

Einen sehr guten Gedanken schickte uns Yvonne: „Oft frage ich die Jugendlichen, mit denen ich in meiner „Pferdewelt“ in Kontakt komme, weshalb sie genau Sperrriemen benutzen oder in Rollkur reiten, und viele wissen es nicht.“

Und was steckt in diesem Satz?

  • Einmal die Erkenntnis, das Unwissenheit leider zu vielen unschönen Dingen führt,
  • vor allem aber auch die Chance, durch Aufklärung, durch Gespräche und Diskussionen etwas zu verändern!

Denn Yvonne hat auch gleich noch tolle Ideen dafür, was man vor Ort machen kann: „Unsere gesamte Stallgruppe hat es sich zur Aufgabe gemacht, diesbezüglich aufzuklären. Wir veranstalten Informationsnachmittage und auch im Unterricht werden diese Themen angeschnitten.“

Das ist aus unserer Sicht vorbildlich!

Was also konkret tun?

Wir können mit offenen Augen durch unseren Stall und über die Reitplätze gehen und Problemfelder aufnehmen:

  • Die dort hinten rollkuren gerade ihre Pferde – wir brauchen also Infos darüber an unserem Stall, wie schädlich es ist und wie ein Pferd korrekt laufen soll. Wer kann da mal was zusammenstellen? Kann jemand was zeichnen oder können wir eine Info-Veranstaltung machen, bei der wir zeigen, wie es besser geht? Finden wir vielleicht jemanden, der einen Vortrag dazu halten kann? Einen Osteopathen oder Physiotherapeuten?
  • Das Mädchen dahinten verprügelt jedes Mal beim Hufemachen ihr Pony, weil das die Hufe wegzieht – wer könnte einen kleinen Hufgebe-Kurs anbieten und Infos dazu aufbereiten?
  • Der neue Reitlehrer ermutigt seine Schüler/innen dazu, die Pferde sehr viel mit Sporen und Gertenschlägen vorwärts zu reiten – mit wem könnten wir darüber reden, dass wir so etwas hier in unserem Stall nicht wollen? Mit ihm selbst, mit dem Stallbesitzer, mit anderen Einstellern? Wer kennt gute Lehrer/innen, die Alternativ-Unterricht bei uns geben könnten? Können wir vielleicht einen Kurs zum gewaltfreien Umgang mit Pferden organisieren?
  • Die jungen Mädchen haben von der Messe neulich extrem scharfe Gebisse mitgebracht, die sie ihren Pferden nun für die Ausritte einschnallen. Wahrscheinlich haben die keine Ahnung, wie viel Schmerzen sie ihren Pferden damit zufügen können. Ob man sie darauf anspricht? Ob wir ein Info-Plakat über die Hebelwirkung von Gebissen machen oder könnten wir deren Trainerin bitten, die Mädchen darauf anzusprechen?
  • Die Wurmkuren werden im Stall immer ziemlich brutal gegeben. Wer hat Lust darauf, mit den Schulpferden zu trainieren, dass sie sich diese leichter geben lassen? Mit Apfelmus kann man ihnen die Gabe sicher schnell schmackhaft machen und so die unschönen Szenen beim nächsten Mal reduzieren.
  • Einige der Schulpferde haben Sättel, die ihnen nicht passen. Wo bekommen wir Infos oder auch konkrete Unterstützung her, diese Sättel anzupassen? Kann man vielleicht eine Sammlung für neue Sättel machen, falls nicht genug Geld da ist?
  • Auf der Wiese gibt es Jakobskreuzkraut – weiß der Stallbesitzer das? Wenn er nichts dagegen machen will, wen können wir alles zusammentrommeln, um das Zeug in einer Aktion zu entfernen?
  • Im Stall sind einige Pferde viel zu dick. Ob die Besitzerinnen wissen, dass die Pferde davon ernsthaft krank werden können? Könnten wir dazu vielleicht ein Info-Plakat erstellen, das über die Gefahren von Übergewicht bei Pferden aufklärt?
  • Auf dem Stallturnier sieht man jedes Jahr sehr unschöne Szenen. Wie könnten wir das für das kommende Turnier vermeiden? Ob wir vielleicht einen Fairness-Preis ausschreiben? Oder vielleicht könnten einige Leute als „Fairness-Coaches“ herumgehen, die dann solche Reiter/innen ansprechen, die brutal zu ihren Pferden sind?

Dies sind nur einige Beispiele, sicher fallen Euch noch viele, viele mehr ein!

Keine Frage, es ist unbequem, hinzuschauen und Missstände zu benennen. Und ja, es ist manchmal auch recht aufwändig, etwas gegen sie zu tun. Wenn wir aber im Kleinen damit beginnen, wird vieles möglich.

Wir sind überzeugt davon, dass viel Schlimmes nur deshalb geschieht, weil wir alle viel zu oft wegschauen und uns entscheiden, nichts zu tun. Dabei bieten Missstände immer auch Chancen! Einmal Chancen zu Verbesserungen, aber auch Chancen dazu, mit anderen ins Gespräch zu kommen, durch tolle Aktionen das Stallklima zu verbessern und ja, auch die Möglichkeit, selbst viel dazuzulernen. Wenn alle ein bisschen etwas tun, wird es eine Welle an Aktionen und Veränderungen geben, denn jede/r von uns kann viel mehr tun, als uns oft bewusst ist.

15. April 2014 von Tania Konnerth • Kategorie: Engagement und Pferdeschutz 5 Kommentare »

 

5 Reaktionen zu “Gegen die Unwissenheit”

 

Von Antonia • 16. April 2014

Das sind super Anregungen, die es elegant umgehen, dass ein Reiter als Schuldiger angeklagt wird und sich prompt zur Wehr setzten will. Mit solchen Ideen wird die Selbstreflektion gefördert, das eigene Bewusstsein über den Umgang mit dem Pferd sensibilisiert.

Danke euch dafür! 😉

 

Von Helga • 21. April 2014

Hallo Babette und Tania,
Ich bin Westernreiterin und Reittherapeutin und gebe bei Kindern horsemanship Kurse. Im letzten Kurs haben sie ihre Zahnbürste quer im Mund gehalten und wir haben rechts und links einen Zügel befestigt. Dann haben sie sich gegenseitig an den Zügeln durch die Halle geführt. Die Erfahrungen, wie weh es tut, wenn man an den Zügeln zerrt und die Mundwinkel einreissen, war für alle Kinder eine neue und gute Erfahrung. Jetzt weisen sie die Erwachsenen auf ihre Erfahrungen hin und ich freue mich über den neuen Umgang der Kinder mit ihren Ponys.

 

Von Birgit • 22. April 2014

Hallo zusammen,
ich beschäftige mich schon einige Zeit damit und muss gestehen, auch ich habe einige Zeit gebraucht, um meinen Umgang mit Pferden grundlegend zu ändern. Gottseidank habe ich das Glück gehabt, in der Familie Reitersleute zu haben, die immer schon einen fairen Umgang mit dem Pferd oder überhaupt mit dem Tier vermittelt haben, so das mir und unseren Tieren so ganz wilde Auswüchse erspart geblieben sind und auch schon früh das Wissen vermittelt wurde, nicht jeder Trainer ist der liebe Gott und darf auch kritisch betrachtet werden.
Wir führen im Nebenerwerb eine Pferdepension und seitdem wir das tun, versuche ich die schlimmsten Auswüchse zu verhindern. Es ist ein Kampf gegen Windmühlen … manchmal bin kurz davor, es einfach zu lassen. Wir arbeiten ständig daran (und das im Prinzip mit jedem neuen Einsteller, der da kommt) Wissen zu vermitteln, was ein Pferd braucht. Das fängt an bei so elementaren Dingen, wie die Fütterung, Umgang, Erziehung, Anweiden, Sauberkeit im Stall, im Paddock, auf der Weide (z. B. das leidige Thema Wiese abäppeln), ausreichenden Aufwärmen usw. Ja es bringt etwas, aber es frisst meinerseits Energie. Auch wir weichen immer mal wieder von unseren Prinzipien ab. Z. B. wollten wir unsere letzten Boxen ohne Paddock nicht mehr vermieten, haben es dann aber doch getan, weil der Rest der Haltung passt und es für die beiden Pferde, die dort eingezogen sind, auf jeden Fall eine Verbesserung bedeutete im Vergleich zu deren vorheriger Unterbringung und sie sich tatsächlich gesundheitlich und auch vom Futterzustand her als auch von der Psyche her erholen. Ich glaube heute, das vieles was da rund ums Pferd passiert wenig aus Böswilligkeit passiert, eher aus Unwissenheit, weil einfach nachgeahmt wird, weil der Gruppenzwang ein ganz starkes Instrument ist (man will dazu gehören), vielleicht auch aus Bequemlichkeit. Ich weiß inzwischen um die Diskussionen, die z. B. jedes Jahr zum Thema Anweiden kommen („warum wird da so ein Theater gemacht, die können doch wohl nach 14 Tagen den Tag in Gras“ oder warum eben doch nicht jedes Pferd Heu ohne Ende im Winter braucht oder besser verträgt, usw.). Wir könnten inzwischen Bücher darüber schreiben. Übrigens kommt von den Menschen dazu wenig zurück. Letztens hat sich dann aber doch mal eine Einstellerin bedankt, ich war ganz überrascht. Warum wir trotzdem dran bleiben? Es sind die Momente, wenn es ganz ruhig ist am Hof, wir die Pferde beobachten können und sehen wie wohl sie sich fühlen. Die Pferde selber liefern die Energie, die wir brauchen, um immer wieder in den Dialog mit den dazu gehörigen Menschen zu gehen.
Mich freut es ungemein, dass ihr diese Diskussion jetzt angestoßen habt, alle die auf diesen Themen unterwegs sind können Unterstützung gebrauchen. VIELEN DANK!

 

Von Nina • 22. April 2014

Liebe Babette, liebe Tanja,

ich finde Eure Ideen ganz toll – und vielleicht gibt es einige wenige Ställe, in denen das so funktioniert. Leider ist meine Erfahrung, dass eben in den meisten Ställen ein Klima herrscht, das soetwas nicht zulässt. Die meisten Menschen denken meiner Erfahrung nach leider, sie wären gut informiert und würden das richtige tun! Pferde zu prügeln, im Maul zu ziehen und mit den Sporen zu stechen ist auch bei denen, die von sich behaupten, ihre Pferde über alles zu lieben, an der Tagesordnung und wird auch in keiner Weise kritisch hinterfragt. Ganz im Gegenteil wurden meine Freundin und ich, die wir seit einiger Zeit mit dem Clicker trainieren, sehr verurteilt – und das, obwohl mein Pferd extrem gut erzogen ist und mir sowohl im Umgang als auch beim Reiten nur Freude macht! Es sollte also für alle offensichtlich sein, dass auch ein gewaltfreier Umgang mit dem Pferd zu sehr guten (besseren?!) Resultaten führt. Ich denke inzwischen, wir müssen bei der Ausbildung der Kinder beginnen, denn die sind noch offen und haben zunächst noch diese Hemmschwelle, dem Pferd Schmerz zuzufügen. Allzu großer Ehrgeiz möglichst schnell möglichst viel zu lernen kann in sinnvollere Bahnen umgelenkt werden, es gibt inzwischen so schöne Konzepte, wie man Kindern pferdefreundliches Reiten von Anfang an beibringen kann – darin sehe ich eine ganz große Chance.

Herzlich

Eure Nina

 

Von Susanne • 22. April 2014

Danke für den Text!!
es ist so wichtig hinzuschauen, es kostet aber auch jede Menge Mut und Verantwortungsbewußtsein und jeder, der den Mut gefunden hat, und sei es auch nur für klitzekleine Veränderungen, sollte sich auch mal selbst auf die Schulter klopfen dürfen. Es sind die kleinen Dinge, die auf Dauer die Welt verändern.
Ein großes Problem ist sicher auch, wie Ihr schreibt, die Unwissenheit bei vielen Menschen – da hilft nur ein gutes Beispiel geben und immer wieder zu versuchen, die Leute zu informieren.ich weiss aus pers. Erfahrung, dass einem da manchmal der Mut ausgehen kann und man oft gegen Wände läuft, aber zum Glück gibt es auch immer wieder kleine Erfolge, die zum Weitermachen ermuntern, oft kämpft man gegen die sprichwörtlichen „Windmühlen“, wie Birgit oben schreibt. Schön finde ich den Ansatz bei Birgit, dass oftmals auch schon das „kleinere Übel“ dem betroffenen Pferd weiter hilft.
Es hilft nichts, wenn wir mit erhobenen Zeigefingern herumlaufen u. versuchen, die Leute zu belehren, viele machen dann dicht und sind gar nicht mehr zu erreichen – da hilft dann eher eine „Politik der kleinen Schritte“. Klar, manchmal gibt es Zustände, da hilft nur noch,radikal einzuschreiten, sei es durch Vet.-Amt oder Tierschutz. Bei all den kleinen Dingen, die so schief laufen ist es aber in meinen Augen eher sinnvoll, immer und immer wieder zu versuchen, Überzeugungsarbeit zu leisten, auch wenns manchmal schwer fällt.
Die schönste Sache der Welt ist, wenn man mit Kindern u. Pferden zusammen arbeiten darf. Die sind noch nicht so verkopft u. merken oft sehr schnell, was dem Pferd gut tut und was nicht.
Ich wünsche allen, die sich zu diesem Thema Gedanken machen und handeln ganz viel Kraft!!!!! Der Erfolg, und ist er auch noch so klein, ist die schönste Belohnung!

 

 

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