Unser Bild vom Pferd

Ich komme so gut wie täglich an einem Reiterdenkmal vorbei. Es ist ein ungewöhnliches Denkmal, denn es stellt Pferd und Mensch ganz anders dar als gewohnt. Sonst werden Pferde fast immer in spektakulären Posen gezeigt, stürmend und steigend, man kann ihr scharfes Ausatmen förmlich hören und ihr erhitztes Gemüt spüren. Der Mensch auf ihrem Rücken kontrolliert das überschäumende Temperament mit Zügeln, scharfen Gebissen und Sporen und wird als Sieger über das Biest dargestellt. Er macht aus dem Wildfang einen gezähmten Untertan, weil er es will und weil er es kann.

Das Denkmal, an dem ich so oft vorbei komme, ist ein ganz anderes. Es zeigt ein gelassen dastehendes Pferd, das den Kopf erhoben trägt und in die Ferne schaut. Auf seinem blanken Rücken sitzt ein nackter Reiter und er hat keine Zügel in der Hand. Seine linke Hand ruht auf dem Mähnenkamm des Pferdes. Das Maul und der ganze Gesichtsausdruck des Pferdes ist weich und entspannt, sein Auge ist rund, es hat keine Stresskuhlen. Hier ist kein Kampf zu sehen, sondern ein Miteinander. Auch wenn der Mensch auf dem Pferd sitzt, so steht er nicht über ihm und hat es nicht gebrochen. Er wird mit dem Einverständnis des Pferdes getragen, das sich seiner entledigen könnte, wenn es wollte. Das tut es aber nicht, denn es wirkt einverstanden. Es sagt ja.Unser Bild vom Pferd

Für mich handelt es sich bei diesem Denkmal um eine der schönsten Darstellungen von Pferd und Mensch, die ich kenne, und ich habe bisher nichts Vergleichbares gesehen. Wenn ich in die Pferdewelt schaue, dann wird mir immer wieder deutlich, wie weit verbreitet dort noch immer das andere Bild ist – der Mensch im Kampf gegen das Pferd mit verbissenen Mienen, Zwangsmitteln und einem alles andere als pferdegerechten Umgang. Aber, so wie es das Denkmal gibt, das ein anderes Miteinander von Pferd und Mensch zeigt, so gibt es überall in der Pferdewelt auch immer mehr Menschen, die das Pferd als Mitgeschöpf sehen und nicht als Sportgerät. Die nicht kämpfen und nicht siegen wollen, sondern die bereit sind, sich in das Wesen Pferd einzufühlen und denen ein gemeinsamer Weg wichtig ist. Ein Weg, zu dem beide Ja sagen und der nur so zu einem echten Wir führen kann. 

Fragt Euch doch mal, welche Bilder Ihr von Pferd und Mensch im Kopf habt und ob Euch diese als energievolles Leitbild für den Weg dienen können, den Ihr Euch mit Eurem Pferd wünscht.

Ein inneres Leitbild kann einem Kraft für den eigenen Weg geben, wenn einem andere raten, sich doch „durchzusetzen und dem Pferd zu zeigen, wer das Sagen hat“. Kampf, Gewalt und Zwang können nie zu Harmonie führen, das können nur Achtung, Respekt und Einfühlungsvermögen.

Welches Bild vom Pferd hilft Euch dabei, das anzustreben? 

Unser Bild vom Pferd

4. Dezember 2018 von Tania Konnerth • Kategorie: Engagement und Pferdeschutz, Erkenntnisse, Sonstiges 8 Kommentare »

 

8 Reaktionen zu “Unser Bild vom Pferd”

 

Von Dana • 4. Dezember 2018

Hallo Tania,

das Foto freut mich besonders, ich mag sehr das Denkmal der Amazone zu Pferde von Tuaillon und deins erinnert mich sehr daran 🙂

Das Denkmal hatte ich auf der Museumsinsel in Berlin entdeckt.
Die Amazone hat eine Waffe in der Hand, das Pferd schaut sehr aufmerksam in die Ferne. Und sie legt beruhigend eine Hand an seine Seite, sitzt selbst ganz gelassen. Kein Zaum, kein Sattel.

Hat mich sehr berührt, diese Darstellung. Denn ja, sie ist nicht selbstverständlich. Bei der Amazone und ihrem Pferd wirkte es aber so. Wie du schreibst, es ist ein Miteinander.

Viele Grüße,
Dana

 

Von Antje • 10. Dezember 2018

Liebe Tanya, Du hast recht, das ist eine wirklich sehr schöne Darstellung über eine gute Beziehung zwischen zwei Arten – dem Menschen und dem Pferd. Sie scheinen zusammen zu gehören und beide aufeinander zu achten – so wie wir uns eine innige Beziehung zu unseren Tieren wünschen.
Kannst Du noch Angaben über den Künstler und den Standort der Statue machen? – das würde mich sehr interessieren. Danke auf jeden Fall für diesen Schlenker in die Kunstwelt.
Liebe Grüße, Antje

 

Von Jost • 10. Dezember 2018

Das wäre doch ein schönes Such- Ratespiel! Gibt´s `nen Preis? 😉

 

Von Regina • 10. Dezember 2018

Liebe Tanja, sorry, ich habe einen anderen Eindruck.
Ja, ich sehe auch, dass Pferd und Reiter zusammengehören zu scheinen, und ja, es ist ein seltenes, besonderes „Denk“-Mal.
Beide blicken nach meiner Wahrnehmung vor allem entschlossen in dieselbe Richtung. Aber von Gelassenheit und vor allem weichem Maul kann ich da in beiden Gesichtern und Körperhaltungen nichts entdecken, im Gegenteil, schau doch vor allem die herabgezogenen Maulwinkel an. Auch das Auge ist zwar rund, aber nicht weich, und die Ohren sind eher stramm nach vorne gereckt. Für mich wirken die beiden – gemeinsam – angriffsbereit, womit ich auch meine, dass sie einfach eine Aufgabe in Angriff nehmen wollen bzw. werden. Das Wir bezieht sich für mich eben auf diese gemeinsame Unternehmung, was immer sie so gespannt anschauen und vorhaben zu tun.
Nicht unangenehm, sondern spannend. In Ruhe gespannt, athletisch, nicht weich, absolut nicht. So jedenfalls sehe ich die beiden.
Herzliche Grüße, Regina

 

Von Christiane • 10. Dezember 2018

Liebe Tania,
wenn ich mehr Leichtigkeit in unser Zusammensein bringen möchte, kommt mir immer Terence Hill und Lucky Luke in den Sinn. Dann muß ich innerlich sofort schmunzeln und es klappt gleich viel unbeschwerter 😉
Liebe Grüße Christiane

 

Von Annett Scholze • 10. Dezember 2018

Hallo, Mensch und Pferd als eine Einheit. Beide ’nackt‘ in ihrer natürlichen Gestalt. Ein schönes Bild, auch wenn beide etwas angespannt bzw.konzentriert wirken.
Nach vielen Jahren zwischen Müssen und Sollen, mit einigen unschönen Situationen, begegne ich meinen Pony heute mit: „Was wollen wir heute spielen?“ Kein Druck mehr, nur noch Nachfragen, Hineinfühlen. Kein Dominanzverhalten, sondern Respekt. Das letzte Jahr habe ich mit ihm so viel Wundervolles erlebt. Die eigene Gelassenheit brachte die Leichtigkeit in unsere Pferde-Mensch-Beziehung.

 

Von Sabine • 13. Dezember 2018

Für mich ist es das Bild einer Statue, die in den Vereinigten Staaten steht. Es zeigt einen Indianer auf seinem Pferd. Der Mann sitzt in positiver Grundspannung kerzengerade und entspannt auf dem Pferd, die Arme seitlich geöffnet, der Blick zum Himmel, die Beine hängen entspannt am Pferdeleib. Das Pferd in schöner Aufrichtung und ebenso positiver Spannung mit gespitzten Ohren, den Blick nach vorn und weicher Maulpartie scheinen sie Gottes Kraft in sich aufzunehmen…. Gesehen habe ich es als Zeichnung in dem Buch von GaWaNi PonyBoy, glaube ich, aber ich bin mir nicht mehr ganz sicher. Auf jeden Fall verkörpert dieses Bild für mich die perfekte Harmonie, auch im Inneren, die für mich das erstrebenswerte Ziel ist. Mit meinem alten Wallach bin ich zwar nicht so weit, dass ich ohne alles frei in der Natur unterwegs bin, aber ab und zu spüre ich einen Hauch dessen, wenn ich mit meinem Pferd spazieren gehe. Er trägt dann nur ein Halfter mit Strick und ich setze mich manchmal von einem Baumstumpf aus auf seinen blanken Rücken und lasse mich von ihm tragen. Das macht mich bereits total glücklich und ich hätte vor zwölf Jahren, als ich mit dem Reiten anfing, nie geglaubt, dass ich so etwas einmal wagen würde. Mein Enrico und ich, wir sind Gefährten … 🙂

 

Von Maria P. • 24. Januar 2019

„Hier ist kein Kampf zu sehen, sondern ein Miteinander. “

Und das ist meiner Meinung eine Lebenseinstellung, die wir viel öfters in die Welt hinaus tragen sollten. Zu oft geht es um Kampf, Konkurrenz, Unterdrückung oder Macht. Aber wenn wir zusammen miteinander für etwas stehen, dann ist das tausendmal viel wertvoller als alles andere.
Und das drückt sich eben auch aus wie man einem Pferd gegenüber steht, welchen Respekt man dem Tier zuspricht und wie man ganz allgemein mit dem Tier umgeht. Ich finde den Text sehr bewegend, voller Inspiration und kraftgebend. Vielen Dank dafür! Mit diesem Text werde ich sicherlich frohen Mutes morgen in den Tag starten.
Pferde gehören schon immer zu meinem Leben, und ich würde von mir behaupten, dass ich schon immer sehr würdevoll mit diesen schönen Geschöpfen umgegangen bin. Es tut mir immer in der Seele weh, wenn ich sehe, dass andere Pferde so behandelt werden, wie sie es nicht verdient haben. Auf dieses Jahr freue ich mich besonders, weil wir dieses Jahr viel mit unseren Pferden unternehmen werden. Diesbezüglich haben wir (mein Mann und ich) einen neuen Pferdetransporter gekauft. Es wird ein tolles Jahr.

Ich wünsche sowohl der Redaktion als auch der Leserschaft einen schönen Donnerstag-Abend und ein hoffentlich schönes Wochenende.

Namaste.

 

 

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