Und manchmal muss man eben doch …

In meinem letzten Beitrag schrieb ich ja über die lange Pause, die ich mit Aramis eingelegt hatte, zum einen wegen meines eigenen Lebens aber auch wegen seiner Stimmungen, Wehwehchen und Krankheiten. Ich beendete diesen Artikel damit: „Wenn wir in solchen Phasen uns in unser Pferd einfühlen, spüren wir, wann es wieder bereit ist, etwas zu tun – und dann ist es gut, es wieder zu fördern und aus der dunklen Phase herauszuholen. Aber nicht mit Gewalt, sondern mit Liebe.“

Genau darum geht es mir in dem heutigen Text. Dass es eben manchmal auch nötig ist, die Unlust unseres Pferdes nicht als Fakt anzunehmen, sondern zu überlegen, wie man sie überwinden kann. Und das möglichst so, dass das Pferd wieder immer mehr Freude an der Arbeit gewinnt!

Aramis hat sich durchaus an sein „Lotterleben“ gewöhnt. Nichts tun zu müssen, sondern lieber zu fressen und ein bisschen rumzustehen, scheint ihm im Moment durchaus attraktiv, während das nun wieder beginnende Training eben etwas anstrengender ist. Hinzu kommt, dass es ihm offenbar auch in der Hinterhand zwackt und alles mit fast 20 nicht mehr ganz so leicht fällt wie einem Jungspund. Der Rat meiner Osteopathin lautete: „Tu was mit ihm.“ Tja, und so steht seine Unlust gegen gute gesundheitliche Gründe, das Training wieder aufzunehmen.

Mein altes Muster war, mich bei Unlust meines Pferdes einfach „durchzusetzen“, nach dem Motto: Watt mutt, datt mutt. Heute versuche ich, anders damit umzugehen.

Und zwar setze ich bei mir an. Wenn ich nämlich merke, dass Aramis eigentlich keine Lust hat, bin ich selbst schnell frustriert. Da versuche ich jetzt immer, sofort einzuhalten und meine eigene Lust auf die Trainingseinheit zu motivieren. Dann hole ich Aramis aus seiner Unlust ab, indem ich es direkt formuliere: „Och, Aramis, nun mal nicht so zäh, du weißt doch, dass es dir gut tut, ein bisschen was zu tun“ und muntere ihn auf.

Ganz wichtig dabei ist, dass ich nicht mehr Druck mache, sondern meine eigene Motivation und Freude an der Sache erhöhe. Ich lächele und lache, spreche freundlich und aufmunternd mit ihm und denke an schöne Sachen. Ich tue quasi so, als würden wir beide nichts Tolleres wissen, als jetzt gemeinsam ein bisschen zu arbeiten – und das funktioniert ziemlich gut. Nach einigen Runden werden die Bewegungen lockerer, das Gangbild wird klarer und noch ein bisschen später habe ich ein fröhliches Hafi-Tier, der fast zu sagen scheint: „Hey, klasse!“

Mit Druck und „Durchsetzen“ würde ich ihn vielleicht auch zum Laufen bringen, nicht aber zum freudigen Laufen. Und genau das ist mein Ziel. Denn nur wenn ihm die Arbeit Spaß macht, wird er sich trotz Zipperlein (die im Alter ja eher mehr werden), auf meine Vorschläge einlassen. Nur wenn er immer wieder die Erfahrung machen kann, für seine Unlust nicht bestraft zu werden, sondern wenn er erleben kann, wie wir da gemeinsam einen Weg herausfinden, wird er ohne Angst in die nächste Trainingsstunde gehen. Nur so kann ich im besten Fall in der nächsten Einheit ein Pferd haben, der von Beginn an sagt: „Au ja!“ Und was gibt es Schöneres als das?

21. Februar 2012 von Tania Konnerth • Kategorie: Umgang 6 Kommentare »

 

6 Reaktionen zu “Und manchmal muss man eben doch …”

 

Von Schnurzel • 21. Februar 2012

Hallo liebe Tania,

meiner ist auch gerade noch im Winterschlafmodus. Wegen fehlender Halle sind wir im Winter immer eingeschränkt, was die Arbeit angeht.
Wenn ich dann was mit ihm machen will, z.B. einen Spaziergang ins Gelände, läßt er sich auch arg bitten. Ich nehme das mit Humor und sage ihm dann, wenn er hinter mir her schleicht oder stehen bleibt und mir sagt :“Der Spaziergang war jetzt weit genug, wir können zurück zum Heu“ „Komm, auf, wir gehen ein Abenteuer erleben“ oder sowas ähnliches. Das hebt die Stimmung ;o).
Und ich weiß noch, wie ich im letzten Frühjahr wieder das erste Mal auf dem Platz mit ihm war und geritten bin.
Da ist er ein paar Mal sehr entschlossen aus dem Trab in den Schritt durchpariert und ich bin immer wieder angetrabt, er wieder durchpariert nach ein paar Schritten. Ich hab´s regelrecht gehört, wie er dachte: „Oh Mann, die Olle da oben versteht einfach nicht, was ich will“ ;o))).

Es passt nicht so ganz, aber die positive Stimmungsmache wende ich auch in kleinen Dingen an. Im Winter steht meiner z.B. nicht auf der Weide und wenn ich ihn bei Spaziergängen unterwegs grasen lasse, muß ich ihn mehr überzeugen, wieder vom Gras runter zu kommen als im Sommer. Da hilft bei meinem gut, Vorschußlorbeeren zu verteilen. Ich sage erst immer: Eins, zwei drei, vorbei und tippe ihn leicht mit der Gerte an. Wenn er dann auch nur ein bisschen den Kopf hebt, tue ich so, als würde er schon brav mit mir von der Wiese gehen (was er in dem Moment eigentlich erst mal noch diskutieren möchte) und fange an zu loben „Ja brav, super, so ein Liiiiieber“. Davon ist er meist so beeindruckt, dass er beinahe überrumpelt mit mir von der Wiese wegläuft.

Man kann eben doch alles positiv lösen mit Pferden!

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Herzlichen Dank für diesen tollen Beitrag!
Tania

 

Von Manuela • 26. Februar 2012

Hallo, liebe Tania,

ich habe mit meinem Hafi ähnliche sechs Monate hinter mir. Er hatte durch einen unpassenden Sattel ziemliche Schmerzen und diverse Probleme. Hatten wir das eine beseitigt, kam das nächste. Als dann endlich alles behandelt und der neue, maßgefertigte Sattel da war, hatte mein süßer Herr Pferd einfach keine Motivation, wieder in den „Arbeitsmodus“ zu schalten.
Ich hatte in den sechs Monaten Rekonvaleszenz viel „Spielkram“ mit ihm gemacht, um ihm durch sein Tief zu helfen – außerdem hatte ich ein enorm schlechtes Gewissen, dass ich das mit dem Sattel nicht früher bemerkt hatte … 🙁
Ich bin sehr auf ihn eingegangen und hab´ seine Stimmungen ausgelotet, und es war auch alles wunderbar harmonisch. 🙂
Seine folgende Unlust-Phase hat mich teilweise sehr frustriert. Auch wenn man es nicht zugibt, erwartet man wohl doch so etwas wie „Dankbarkeit“ oder „Entgegenkommen“ von seiner Fellnase, wo man doch seine eigenen Bedürfnisse nun sooo lange zum Wohl des Pferdes zurückgestellt hat! 😉
Um uns nicht in eine Frustspirale zu bringen, habe ich ihn mir einfach als Kind vorgestellt, das ich nun vom Fernsehsessel mit Chips und Cola weg auf den Sportplatz bringen muss. Und zwar nicht mit Drohungen, sondern mit purer innerer, ansteckender Freude und der festen Überzeugung, dass nichts anderes nun schöner sein kann auf der Welt, als ein paar lockere Übungen auf dem Sportplatz zu machen.
Auch er hatte diese „ach, nu parier ich ma schön zum Schritt durch“ – Phasen, die ich mit konsequenter Fröhlichkeit und penetranter Hartnäckigkeit einfach ignoriert und ihn immer wieder angespornt habe. Irgendwann habe ich dann gemerkt, wie sich doch sein Schalter wieder umgelegt hat – so nach dem Motto „au weia, die lässt nicht locker mit ihrer guten Laune – na gut, dann mach´ ich mal mit. Hm – is´ eigentlich gar nicht sooo schlimm – macht sogar Spaß!!!“ … 🙂
Und – unsere Spiel- und Bummeltage haben wir natürlich auch heute noch … 🙂

Lieben Gruß,
Manuela

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Was für ein schöner Erfahrungsbericht, Manuela!

Danke dafür,
Tania

 

Von Tina • 13. November 2012

Hallo Tania,

dieser Beitrag hat mich gerade besonders berührt, weil er mich an eine wunderbare Erfahrung erinnert hat, die von anderen „Pferdeexperten“ nur belächelt wurde:
Ich habe vor Jahren während eines einjährigen Praktikums in einem Reitschulbetrieb gearbeitet und dabei auch die Möglichkeit genutzt, ab und an die Schulpferde zu reiten. Besondere Beziehung habe ich mit einem Hafi-Wallach aufgebaut, der alles in allem recht bahnfaul geworden war und mit den meisten Menschen eher auf Abstand stehen wollte, auch wenn viele es ihm nicht angemerkt haben. Ich habe diese absolut besondere Beziehung hinbekommen, weil ich mich selbst nach seinen Bedürfnissen befragt habe.

In der Box Hufe auskratzen oder satteln wurde mit zwicken und treten quittiert, bis ich mir die Zeit nahm ihn einfach mal ohne an den Zeitrahmen zu denken, zu knuddeln und ihm Entspannung zu gönnen. Da war das erste Eis gebrochen, denn er lies sich dann entspannt brav putzen und satteln.

In der Bahn habe ich ihn sogar an einem Sommertag dazu bekommen, fleißig aus eigenem Antrieb zu gehen, indem ich versucht habe, ihn mit fröhlicher Stimme zu motivieren. Ich wusste nicht ob es richtig war und ich habe bestimmt komische Blicke geerntet, als ich auf einmal englisch mit ihm geredet habe. Das habe ich auch danach noch sehr oft gemacht. Die englische Sprache hatte aufgrund der sanften Sprachmelodie einen besonderen Reiz auf ihn. Letztlich haben mir viele erklären wollen, dass das Pferd einfach dominant war und dass Kuscheln und eine fremde Sprache ganz sicher nicht sinnvoll waren. Das Pferd hatte eben zu funktionieren, ganz einfach. Ich denke inzwischen, man muss sehr genau beobachten, welche Situation vorliegt und vor allem von dem gewaltbereiten Gedankengut abgehen. Kann schon sein, dass das sicher nicht für jedes Pferd die Lösung ist, das möchte ich auch nicht behaupten. Dennoch war diese Erfahrung für mich so einschneidend, dass sie mich von da an zu einem neuen Menschen gemacht hat, was Pferde angeht. Ich konnte den Wallach – obwohl er sich bei anderen gern durchsetzte – später superfein nur übers Gewicht reiten, was eine komplett neue Erfahrung war. Er ging unter mir ganz anders als sonst, bei einem Ausritt allein mit ihm bekam ich ihn ohne Anstrengung trotz sonstiger Faulheit in flotten Galopp. Als ich das hinterher im Stall berichtete wurde ich angesehen wie ein Außerirdischer… Es ist darum umso schöner, sich in vielfältiger Weise mit Lösungsansätzen zu befassen und vielleicht eher mal bei „Fehlverhalten“ auf das Pferd einzugehen.

Beide Daumen hoch von meiner Seite. Endlich weiß ich, dass ich richtig lag! Da fühlt sich die Erinnerung gleich doppelt so gut an.

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Schön, Tina!
Tania

 

Von Gudrun • 24. März 2014

Wenn ich mit einem Pferd etwas machen will oder sowieso mit meinem eigenen Jungpferd stelle ich mir oft die Situation vor, dass ich einen Azubi vor mir habe, der unmotiviert ist – dennoch aber seine Arbeit heute tun sollte…
Azubis muss man auch motivieren und mit der Aussicht auf Erfolg locken. Die Aufgaben so gestalten, dass sie es schaffen können.
Verständnis haben, auf sie eingehen – und dennoch dazu locken, dass ihnen der Alltag Spaß macht.
So klappt das wunderbar!
Danke für Eure Texte – auf dass sie noch viele Leute erreichen!

 

Von Christa • 24. März 2014

Danke danke danke! Ich hatte den Artikel noch nicht gesehen. Nachdem mein Pferd und ich letztes Jahr beide je einen schlimmen Unfall hatten, waren wir nun ein halbes Jahr getrennt. Inzwischen besuche ich ihn wieder regelmässig, und bald kommt er wieder heim. Ich freue mich und habe gleichzeitig ziemlichen Bammel, weil ich zu Hause keinen Platz zur Verfügung habe, ausser wir laufen erst 40 Minuten hin, und weil Motivation bei uns schon immer ein grosses Thema ist. Das Reiten im Gelände wär bisher unser bestes „Fach“, und das fällt jetzt für ne Weile oder auch für immer weg. Er arbeitet generell nicht so gern, vor allem nicht zu lange, und lieber wenn noch andere Pferde dabei sind. Also kommen bei mir jetzt eine Menge Filme hoch, von früheren Situationen. Ich hab auch den Druck, dass er aus gesundheitlichen Gründen in Körper und Hirn gearbeitet werden muss. Bisher bin ich dann meist aus lauter Verzweiflung sehr emotional geworden (nicht unbedingt immer auch grob, aber Emotionen gemäss Definition „abgespeicherte, nicht verarbeitete Gefühle“ richten in Beziehungen wie ich gut weiss viel Schaden an). Das will ich nicht mehr, und jetzt stehe ich vor der Herausforderung, einen neuen Weg für uns zu finden. Dieser Artikel und die Kommentare dienen mir als Inspiration.

 

Von Anni • 24. März 2014

…und noch was ganz wichtiges: ALLE MÜSSEN SATT SEIN. Ein hungriges Pferd kann sich nicht gut konzentrieren, und ein hungriger Mensch … Zumindest geht es mir so das ich, wenn ich Hunger habe, im Umgang mit dem Pferd schnell mal was persönlich nehme, die Geduld verliere, mein Humor ausgeschaltet ist etc. Mittlerweile weiß ich das sehr gut und esse immer vorher was, auch wenn ich dann vielleicht eine halbe Stunde weniger Tageslicht mit dem Pferd habe. Bin ich satt suche ich bei „Fehlern“, „Problemen“ erstmal bei mir und meiner Kommunikation etc., nehme Sachen, die nicht klappen mit Humor und schon gar nicht persönlich und kann sehr gut motivieren. Ich bin dann so, wie ich mir das im Umgang mit dem Pferd idealerweise vorstelle. Hungrig dagegen bin ich eine Katastrophe.
Prüft das mal bei Euch selbst, ich glaube das geht nicht nur mir so.
(Auf Ausritte/Spaziergänge packe ich mittlerweile auch immer was zu essen ein, man weiß ja nie ob sie sich länger hinziehen wegen „unüberquerbarer“ Bäche oder so, denn kommt dann auch noch der Hunger dazu, bleiben sie garantiert unpassierbar.)

 

 

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