Mach mich glücklich!

Ich möchte noch einmal das Thema „Erwartungshaltung“ aufgreifen und einen Aspekt gesondert beleuchten, da ich zumindest von mir weiß, dass er über lange Zeit ziemlich beherrschend in der Beziehung zu meinen Pferden war. Es handelt sich um eine wohl meist unbewusste Erwartung, die aber meiner Ansicht nach für sehr viel Leid in der Pferdewelt (auf beiden Seiten!) verantwortlich ist: Und zwar ist das die Erwartung, dass unser Pferd uns glücklich machen soll.

 Wie andere Tiere auch werden Pferde oft unbewusst als Ersatz für alles Mögliche eingesetzt:

  • Sie sollen unsere Freunde sein,
  • einen Partner ersetzen (oder das, was in einer Partnerschaft fehlt),
  • sie sollen uns dabei helfen, dass wir erfolgreich sind und Anerkennung bekommen,
  • oft sind sie ein Kindersatz oder
  • sie werden gar zum Sinn des Lebens …

Was auch immer die unbewussten Motive und Muster bei jedem einzelnen sind, unter dem Strich steht der schmerzliche Wunsch oder auch die klare Forderung, dass unser Pferd uns bitteschön glücklich machen soll. Dafür haben wir es schließlich, oder?

Ja, natürlich schaffen wir uns Pferde an, um mit ihnen Freude zu haben, schöne Stunden zu erleben oder auch um bestimmte Ziele zu verwirklichen. Aber kein Pferd der Welt kann all die Löcher in uns stopfen, die wir oft in dieser so meist hoch emotionalen Beziehung zu füllen versuchen.

  • Wenn uns im Leben Anerkennung fehlt, darf nicht der Reit- oder Turnierplatz der einzige Ort sein, wo wir diese suchen.
  • Wenn wir einsam sind, kann ein Pferd nicht zum alleinigen Ansprechpartner werden.
  • Wenn uns körperliche Nähe fehlt, dürfen wir diese nicht allein beim Pferd zu erfüllen suchen.
  • Wenn wir einen Sparringspartner suchen, um unsere unterschwelligen Aggressionen auszuleben, dürfen wir dazu nicht unser Pferd missbrauchen.
  • Wenn uns unser Leben sinnlos erscheint, dürfen wir nicht unser Pferd zum Mittelpunkt von allem machen.

Ich formuliere das ganz bewusst so scharf, weil ich für mich zu diesen Erkenntnissen gekommen bin. Ich habe alles Mögliche versucht, über meine Jungs auszuleben oder zu bekommen. Damit habe ich sie sehr oft bedrängt und überfordert, was allein schon unschön ist. Aber vielleicht noch entscheidender: Ich habe dort weder das bekommen, was ich suchte, noch konnte ich die Geschenke wirklich würdigen, die sie mir gaben.

Ich weiß heute, dass meine unbewussten und unangemessenen Erwartungshaltungen an meine Pferde unser Miteinander oft vergiftet haben. Je besser es mir gelingt, meine Muster zu erkennen und FÜR MICH SELBST zu sorgen, desto besser gelingt es mir, auch für meine Pferde zu sorgen. Ihnen angemessen und pferdegerecht gegenüber zu treten und mit offenem Herzen das annehmen zu können, was sie mir schenken.

Ich schreibe hier ausdrücklich über mich selbst, aber vielleicht kann diese kleine Selbstreflexion mal wieder einige Denkanstöße bei Euch auslösen und den einen oder anderen Knoten lösen.

11. März 2014 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse 13 Kommentare »

 

13 Reaktionen zu “Mach mich glücklich!”

 

Von Drehpunkt Pferd • 11. März 2014

Sehr schöner, gelungener und absolut richtiger Artikel.
Ich kenne selber genügend Leute, die mithilfe ihres Pferdes eine Art Anerkennung suchen, bzw. das Gefühl, gebraucht zu werden.
Vielleicht passiert dies nicht einmal bewusst, denn ich denke wir alle haben uns schon in tiefen Löchern befunden und waren dann einfach froh, wenn jemand da war.
Solange es nicht zu Lasten des Pferdes geht, halte ich so eine tiefe Verbundenheit zum Pferd nicht schlecht, sie darf nur keine Überhand nehmen. Ferner muss man aber davon ausgehen, dass das Pferd je nach Charakter, nicht unbedingt auch so ein Versender solcher Emotionalitäten ist. Ich denke, man kann da unter Umständen ganz schön enttäuscht werden. In diesem Sinne sollten wir auf dem Teppich bleiben und akzeptieren, dass unsere Tiere Pferde sind, denen zu oft menschliche Charaktereigenschaften zugesprochen werden. Die wahre Pferderealität sieht ja aber oft anders aus. 😉

 

Von Sonja • 11. März 2014

Toller Artikel. Ich werde oft komisch angeschaut. Ich habe 2 Hafis. Es hat sich einfach so ergeben. Lange hab ich gezögert, ob ich überhaupt über das Wissen verfüge, Pferde gesund zu halten. Nach um die 29 Jahren als Reiter hat mich mein Großer angelacht. Über die Zeit landete auch der Kleine bei mir.

Ich liebe beide sehr. Deswegen habe ich sie so eingestellt, dass sie mit so wenig wie möglich menschlichem Eingreifen so gut wie möglich zu Hause sind.

Selbst unsere Huforthopädin sagt, dass die Jungs nun wirklich keine Bewegung unterm Sattel brauchen. Für sich nicht. Denen geht es auch ohne mich gut.

Umso mehr freue ich mich, wenn ich sie besuchen gehe und sie lachen mich an. Ganz aufs Reiten verzichten will ich trotzdem nicht. Ich habe halt keinen Druck, es auf Teufel komm raus tun zu müssen. Wir haben dadurch, dass ich lange nicht geritten bin eine ganz andere Basis als andere, die täglich reiten müssen und/ oder die ihre Ambitionen an ihren Pferden ausleben. Mein Anspruch an uns ist, dass sie das, was ich möchte freiwillig machen mögen. Und mit Freude. Da sie mich immer wieder anstrahlen und aus der hintersten Ecke der Weide oder von der vollen Heuraufe weg angerannt kommen, scheint da was richtig dran zu sein. Und dennoch werde ich von anderen angefeindet. Wozu ich die Pferde denn hätte. Ich würde ja nix mit ihnen machen.

Naja, sie machen was mit mir. Und miteinander. Leben. Wieso reicht das so vielen nicht? Und wieso wird so oft nicht akzeptiert, dass jedes Tierchen auf seine eigene Fasson glücklich sein kann? Dass ein Pferd zum Glücklichsein alles braucht…bloss keinen Menschen.

 

Von Sandra • 11. März 2014

Sehr schöner Artikel und voll auf den Punkt gebracht. Wir Menschen haben dafür zu sorgen, dass unsere Pferde glücklich sind und sie pferdegerecht zu halten. Wenn mein Pferd glücklich ist, erst dann bin ich es auch. Und glückliche Pferde geben so viel!

 

Von Martina • 13. März 2014

Sonja, was für ein schöner Satz:

„Dass ein Pferd zum Glücklichsein alles braucht…bloss keinen Menschen.“ 🙂

 

Von Claudia • 17. März 2014

Ich stimme 100% zu in allen Punkten.
Ich glaube diese Erkenntnisse erfordern einen bestimmten Reifeprozess. Wir müssen erkennen dass nur wir selber „uns glücklich machen“ können und wir müssen die Verantwortung für unser Leben selber übernehmen.
Eine Lebensaufgabe ;-))

 

Von Ute • 17. März 2014

JAAAAA, Deine Erkenntnisse kommen mir so bekannt vor, hat dieser „Prozeß“ vor 6 Jahren bei mir bewußt angefangen. (Der beinhaltet aber alle „Beziehungen“, nicht nur die zum Pferd 😉 )
In vielen Deiner anderen Berichte finde ich mich auch wieder und Du fomulierst nicht „scharf“, sondern treffend.
Durch verschieden Lebensumstände habe ich gelernt für mich selber zu „sorgen“ und auf meine Beürfnisse Rücksicht zu nehmen. Für mein Wohlergehen habe ich selber Sorge zu tragen, dass kann ich auf niemand Anderen abwälzen. Daraus resultierend arbeite ich jetzt immer wieder bewußt an meiner „Erwartungshaltung“ meinem Pferd gegenüber und erst wenn ich die abgelegt habe, bin ich in der Lage zu erkennen was er mir zu geben bereit ist. Je mehr ich seine Bedürfnisse respektiere und erkenne, um so treffender gibt er mir gerade dass, was ich in dem Moment brauche. Oft kommen dadurch ganz andere Dinge zustande, als ich mir „vorgenommen“ habe. Das schafft tiefes Vertrauen beidseitig und macht uns sehr viel Spaß. Bestätigt werde ich durch die Aussagen von anderen Pferdebesitzern: „Du und Dein Pferd, ihr wirkt immer so harmonisch und ausgeglichen“ oder „Euch Beiden sieht man den Spaß mitteinander richtig an“ oder „Ihr Beide habt Euch gesucht und gefunden“ Das sind für mich die tollsten Komplimente! 😀

 

Von Beate • 17. März 2014

Danke, wunderbar, so ist es.
eine Welt ohne Erwartungen wäre sehr viel reicher, bunter und vor allem leichter für uns alle – Menschen, Tiere, Pflanzen, alle Wesen

Danke

 

Von Rebecca • 18. März 2014

Wieder mal wundervoll geschrieben, Tania!
Und du hast so recht…

Mir fällt dazu noch der Satz ein: Wenn du am wenigsten erwartest, bekommst du am meisten!

Und mir hat der schon oft geholfen! In den letzten Wochen hat sich bei uns sehr viel entwickelt, irgendwie… Und zwar so, dass mir Piri gestern ein riesengroßes traumhaftes Geschenk gemacht hat: einen Spaziergang ohne Führstrick! ♥

 

Von Ann-Christin • 17. April 2014

Das ist so ein wahrer Artikel, der es wirklich auf den Punkt bringt. Und er hat mich mal wieder zum Nachdenken gebracht – denn ohne es zu merken, hat sich auch bei mir diese „Mach mich glücklich“- Erwartung mal wieder eingeschlichen gehabt. Kaum habe ich darüber wieder aktiv nachgedacht, hatte plötzlich auch unsere Zusammenarbeit wieder wunderbar funktioniert. Ich war nämlich einfach mal ohne Druck und ohne Erwartung am Stall – und bin wunderbar und reich beschenkt worden! Vielen Dank also für die Erinnerung gerade zur rechten Zeit – wir Menschen sind es doch so gewohnt unter Leistungsdruck zu arbeiten, dass wir kaum noch auskönnen. Dabei ist das einfache „SEIN“ für alle doch am erholsamsten…

 

Von Constanze • 19. Mai 2014

Ja, super Artikel und allerdings unbedingt zu Übertragen in alle Lebensbereiche und Beziehungen. Wobei ich sagen muss, dass mir das einfache Zusammensein mit unserer Stute oder das Beobachten der kleinen Herde auf der Weide einfach immer wieder gut tut und mir auch schon sehr oft über Tiefpunkte hinweg geholfen hat. Das aber nicht durch eine Erwartung an das Verhalten oder das eine Lektion klappt, sondern einfach nur, weil ich den Kopf frei bekomme dadurch, dass ich mich darauf konzentriere, auf mein Pferd einzugehen. Da schließe ich mich Ann-Christin an das einfache „SEIN“

 

Von Jana • 13. August 2014

Ein sehr schöner Artikel, der wiedermal zum Denken anregt.
Bei mir selber kann ich immer wieder beobachten, dass wenn ich gerade durch eine schlechte Phase gehe, mir das sehr wichtig ist was mein Pferd kann. Damit kann ich zeigen wie toll ich doch einem Wesen etwas beibringen kann, wenn ich schon sonst nichts auf die Reihe bekomme. In guten Phasen ist mir das völlig egal und ich genieße einfach nur das zusammensein.
Es gibt mir Zuversicht, das es nicht nur mir so geht und durch eure Artikel bin ich auf den Weg mein nerviges Muster zu durchbrechen! Danke dafür und weiter so!

 

Von Ruth • 3. November 2014

Hallo an alle, die hier so schöne Beitrage geschrieben haben. Ich heiße Ruth und ich habe seit 14 Jahren eine sehr sensible Trabermix Stute, die mir sehr am herzen liegt und für die ich schon so manch einen Weg eingeschlagen habe, der so nicht geplant war. Nun geht es mir schon seit einigen Jahren psychisch nicht so gut und ich habe irgendwie immer gehofft den Ausgleich dafür bei Lisa finden zu können und bin daran, wer hätte das gedacht, natürlich gnadenlos gescheitert. Vor einigen Wochen habe ich mich nun entschieden Lisa zu verkaufen. Irgendwie aus Frust, weil ich glaube sie brauch und liebt mich nicht, dann weil ich einfach viel Zeit für mein Studium aufwenden muss und die Zeit, die ich mir für Lisa nehme als nicht erholsam empfinde. Heute habe ich nach langem mal wieder den Newsletter gelesen und ausgerechnet heute habt ihr das Thema mit „Liebt mein Pferd mich nur wegen der Leckerlis?“ aufgegriffen.
Witzig, denn diese Frage hat unter anderem dazu geführt, dass ich entschieden habe, dass Lisa mich gar nicht wirklich mag sondern nur die Leckereien, die sie von mir bekommt. Was sich nun soweit entwickelt hat, dass ich sie gerne hergeben möchte.

Vielleicht könnt ihr mir mit meiner Entscheidung oder vielleicht eher mit meinem Problem weiterhelfen?
Eigentlich find ich Lisa super und eigtl möchte ich sie auch nicht hergeben, aber was kann ich machen, wenn ich es einfach nicht schaffe mit mir ins Reine zu kommen?
Was ist nun die richtige Entscheidung für Lisa?
Soll ich einen neuen Besitzer suchen, oder gibt es eine alternative, die mir und Lisa gerecht wird?
Ich hab seit Januar konsequent nach dem Longenkurs mit ihr gearbeitet und das hat auch super geklappt und Lisa läuft mittlerweile schon so schön an der Longe und an den vielen anderen Übungen hat sie auch ihren Spaß, aber z.B spazieren gehen mag sie nur sehr ungern mit mir und auch wenn ich einen kleinen Ausritt machen möchte muss ich sie eher zwingen. Das ist aber so gar nicht meine Art und so hab ich dann auch nach und nach die Freude daran verloren etwas mit ihr zu machen. Ich weiß, dass es an mir liegt, aber ich kann meine Gefühlslage nicht ändern, so sehr ich es auch versuche…
Und wenn Lisa dann so unaufmerksam ist und gefühlt 5 Minuten mitarbeitet um dann wieder 10 Minuten zu schauen was außerhalb des Platzes passiert, dann zehrt das wirklich schwer an meinem Nervenkostüm…

Ohje ich hoffe es ist ok, wenn ich euch an dieser Stelle um Hilfe bitte. Die Entscheidung Lisa herzugeben macht mich so traurig und ich hab so angst, sie an einen Menschen abzugeben, der am Ende nicht mal im Ansatz meine Vorstellung, wie man mit Pferden umgehen sollte, teilt.

 

Von Andrea Galik • 17. Januar 2015

Liebe Ruth
Ich finde du solltest dir zeit lassen.
Du kannst doch auch die Studienunterlagen mit zum Pferd nehmen.
Ohne Zeitdruck zu lernen und zu arbeiten tut allen gut.
Trink doch mal „mit“ Lisa Kaffee und lass dir die Freiheit um die Nase wehen.
Wenn Du das Gefühl hast, es liegt an den Leckerli verzicht doch mal drauf, Du wirst sehen das sparsame Verteilen macht viel mehr Spaß, Du kannst dabei von Herzen umarmen.
Du kannst auch ruhig darauf verzichten zu sagen, es geht dir psychisch nicht so gut.
Manche Menschen sind eben sensibler, als andere und Erlebnisse im Leben unterscheiden sich.
Das heißt aber nicht, daß frau dann kein Pferd haben soll.
Ihr habt doch alle Zeit der Welt,
Pferde erreichen doch ein hohes Lebensalter.
Versuch doch auch mal die Guete eines Monty Roberts und einer Linda Tellington in Dich aufzunehmen, sie sind großartige Lehrer und können auch ein Vorbild sein sein Leben zu meistern, was ja jeder einzelne von uns Menschen tun muss.
Das ist unsere echte Verpflichtung, das merkt man aber als junger Mensch noch.
Da Weiss man oft nicht, was mit dem Leben anfangen.
Da ist der Weg zu suchen, wie geht’s mir am besten, was tue ich am liebsten.
Ich wünsche dir und deinem Pferd mit allen Menschen drumherum herum eine schöne Verbundenheit und noch ein Rat.
Jane Goodall hat auch so ein schönes Leben.
Ihre Biographie ist bemerkenswert.
LG. Andrea

 

 

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