Klugscheißer?

Ich habe eine wundervolle Postkarte an meiner Pinnwand hängen, auf der steht:

„Ich bin kein Klugscheißer, ich weiß es wirklich besser.“

Und ich liebe diese Karte, denn wann immer mein Blick darauf fällt, muss ich lachen. Sie erinnert mich liebevoll an eine meiner Schwächen: nämlich dass ich automatisch davon ausgehe, vieles besser zu wissen als andere. Keine Ahnung, wieso, aber irgendwie ist das eingebaut bei mir. Ein internes Programm, das mich annehmen lässt, dass ich grundsätzlich erstmal Recht habe (zumindest so lange, bis mir das Gegenteil bewiesen wird 😉 ).

Ich teile diese doch sehr persönlichen Zeilen mit Euch, weil ich glaube, dass ich damit nicht ganz allein bin. Mindestens wenn es um das Thema Pferde geht, kenne ich jedenfalls viele, viele andere Leute, die offenbar genau ein solches „Ich weiß es besser“-Programm zu laufen haben und damit fröhlich in die Welt gehen, um andere zu belehren oder sich gegen hilfreiche Hinweise von außen zu wehren.

Genauso lange, wie mir dieses innere Programm nun bewusst ist, arbeite ich auch daran. Bewusst gemacht haben es mir tatsächlich vor allem meine Pferde, bzw. mein immer achtsamer werdender Umgang mit ihnen. Denn ich habe inzwischen unzählige Male an dem Punkt gestanden, an dem ich mich innerlich oder auch real bei anderen (und auch meinen Pferden) entschuldigen musste, deren Einschätzung, deren Rat oder deren Anregungen ich einfach in den Wind geschossen habe, denn – ja, Ihr wisst es – ich wusste es ja besser…

Mein internes Klugscheißer-Programm gehört zu mir wie meine Nase. Aber ich achte immer mehr darauf, mich in dieser Hinsicht selbst zu relativieren. Immer dann, wenn ich merke, dass ich mal wieder dabei bin, mein Wissen, meine Ansichten oder meinen Weg als den einzig richtigen zu sehen, halte ich inne und denke nach. Und fühle nach. Frage mich, warum ich meine, dass ich hier im Recht bin und ob es nicht vielleicht auch ganz anders sein kann. Und was es bedeuten würde, wenn ich nicht Recht hätte. Und woher ich eigentlich wissen will, was richtig ist und ob ich mir denn wirklich sicher sein kann.

Häufig muss ich meine Aussagen dann relativieren. Oft muss ich einräumen, dass es auch anders sein kann, als ich es interpretiere bzw. dass andere Einschätzungen vielleicht auch richtig sein können. Und das eröffnet mir neue Lernfelder und Erkenntnis-Chancen.

Oft aber bleibe ich auch bei meiner Einschätzung und sehe mich in ihr bestätigt. Auch das ist gut, denn ich habe mir meine Überzeugungen nicht leichtfertig, sondern durch viel Reflexion, viel Nachdenken und viele Lernschritte erarbeitet. Und so erlaube ich mir dann auch für meine Ansichten einzustehen und sie zu motivieren, wenn sie mir wichtig genug erscheinen.

Der Klugscheißer in mir hat mir in der Vergangenheit manches schwer gemacht und ich bin sicher vielen auf den Schlips getreten. Inzwischen nehme ich ihn mit Humor (und dabei hilft mir oben erwähnte Karte enorm) und ich habe die Hoffnung, er entwickelt sich irgendwann immer mehr zu einem Weisen, der in Gelassenheit ruhen kann und der erkennt, dass wir alle unser Bestes geben.

7. Juli 2011 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse 6 Kommentare »

 

6 Reaktionen zu “Klugscheißer?”

 

Von Nicole • 7. Juli 2011

Hallo Tanja,
na da hast du ja mal ein Thema aufgerollt…
Dass du direkt mal so darüber nachdenkst und zu deinem inneren „Klugscheißer“ eine gesunde Balance aufbauen möchtest ist echt lobenswert, auch ich arbeite schon mein ganzes bisheriges leben daran.
Sehr viele Menschen, auch viele die ich persönlich kenne, denken leider nicht so, und halten das, was sie wissen, als das Einzigste „Nonplusultra“ – sprich, sie können einfach nicht über ihren eigenen Tellerrand drüberwegsehen, um auch andere Ansichten/Gedanken zuzulassen. Im Gegenteil, viele sind dann sogar noch beleidigt, wenn man sie auf ihre Denkfehler hinweisen möchte. Manchmal haben alle Recht, denn: „Viele Wege führen nach Rom“
Ja, so ist der Mensch – leider – gestrickt – immer im Kampf darum, als der Klügste vor allen anderen dastehen zu wollen.

LG Nicole

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Danke, Nicole, für Deine Zeilen. Ich denke, das ist mal wieder eines der Themen, bei denen es kein „entweder-oder“ gibt, sondern nur ein Abwägen je nach Situation. Wer immer alles sofort annimmt und nie davon ausgeht, auch mal Recht zu haben, wird schnell zum Fähnchen im Wind und muss seine Meinungen oder Beschlüsse ständig ändern. Auch nicht gut. Es gilt, denke ich, ein gesundes und vor allem nützliches Maß dazwischen zu finden.
Tania

 

Von Rosalie • 8. Juli 2011

Hallo Tania,

ein „heißes“ Thema, finde ich. Ich schmeiße meinen Klugscheißermodus an, wenn ich mich im „Recht“ glaube, ansonsten würde ich es ja anders machen.Und so denke ich, ist es bei Anderen auch oft. Meist mache ich mir nicht mehr die Mühe andere von etwas überzeugen zu wollen.
Einmal ist es mir oft zu nervig, zum anderen überzeugen Tatsachen nunmal mehr. Und wenn die Tatsachen übersehen werden, dann ist auch jedes Wort zuviel.
Ich halte mich da lieber an das Lied der Ärzte:
„Lass sie reden“ und beobachte mein Umfeld.
Aber es ist gelegendlich auch spannend zu beobachten wieviel Energie manche verschwenden um anderen ihr Meinung von etwas „nahe zu bringen“…
Wie gesagt, ein spannendes Thema und ich werde sicher mein Umfeld und auch mich weiterhin diesbezüglich beobachten 😉

Liebe Grüße Rosalie

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Jep, ich finde es auch immer wieder spannend! Bei mir und bei anderen 😉
Tania

 

Von Catja • 8. Juli 2011

Liebe Tania,
Ich bin auch ein bekennender Klugscheißer 🙂
Aber ich habe dazu mein eigenes Motto was lautet „Wenn ich schon etwas falsch machen muss, dann tu ich das lieber mit meinem eigenen Kopf, als mit dem von jemand anderes“.
Andere Meinungen hör ich mir gerne an, speichere sie auch, lass sie aber wo sie sind, solange nicht Tatsachen eintreten, die meine Überzeugungen widerlegen.
Hauptsache man hängt nicht so sehr an seinen Ideen, das man versäumt, sie ständig mit den Fakten zu vergleichen.
Ciao 🙂
Catja

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Gimme Five, Catja! 😀
Tania

 

Von Claudia • 11. Juli 2011

Liebe Tania,

das sind tolle Zeilen und erstmal möchte ich Dir gratulieren, dass Du mit einer etwas herausfordernden Charakterseite so ehrlich und humorvoll umgehen kannst. Find ich super! Weil,so wie sich das anhört, hast Du Dir damit ein tolles Analyseprogramm entwickelt.

Bei mir ist es andersrum. Weil ich nicht, wie viele die ich kenne, bereits seit 20 Jahren im Sattel sitze sondern eine etwas längere Pause zwischen meinen Reitzeiten hatte, denke ich immer, ich weiss eh nix.
Von daher habe ich viele Meinungen und Anregungen von anderen ohne Prüfung sofort für wahr befunden und übernommen. Und da war auch echt viel Mist dabei. Was einem dann im Endeffekt an den ähnlichen Punkt bringt, den Du auch beschrieben hast: zur Entschuldigung beim Pferd.

Wie man sieht gibt es viele menschliche Eigenschaften, die sehr unterschiedlich sind aber zum Schluss in die ähnliche Richtung bzw. beim ähnlichen Ergebnis landen 🙂 aber: es muss ja nicht so bleiben!

Eine schöne Woche
Claudia

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Jep, Claudia, danke für dieses Aufzeigen der anderen Seite – genau DAS habe ich auch schon oft bei anderen erlebt. Wie so oft gilt es wohl, das Maß in der Mitte zu finden,
Tania

 

Von Nadine • 11. Juli 2011

Wahre und sehr ehrliche Worte!

Danke dafür 🙂

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Danke Dir,
Tania

 

Von Martina • 7. August 2011

Hi!

Jo leider gehöre ich auch manchmal zu denn Klugscheißern dazu! Bei mir ist es eigentlich eher so, wenn mich am Stall paar Leute auf mich zu gerannt kommen und mich um mich besseres zu belehren wie ich denn mein Pferd zu erziehen habe etc. dann kommen halt schon mal Sprüche von mir rüber und auch solche die dann Personenbezogen sind die bei uns am Stall sind mit ihrem Pferden! Ich finde auch nicht alles richtig von ihnen, aber nur weil ich halt „jünger“ bin (17) und ich ein junges Pferd habe meinen alle, alles besser zu wissen! Letztens hat mich eine gefragt, warum ich denn kein Gebiss für mein Pferd denn habe?! Ich habe halt da drauf gesagt, wieso mit Gebiss wenn´s auch ohne geht, bei jungen Pferden ist es ja lobenswert wenn man sie auch Ohne Gebiss unter Kontrolle hat! Antwort von ihr: ja aber da kann man im Notfall am besten Bremsen mit Gebiss und ohne Gebiss haut er dir einfach ab! Und an und für sich brauchen sie es einfach das Gebiss, dafür sind sie ja da, das man sie ihnen reinsteckt! Da gab es die Antwort von mir:“Jedes Pferdemaul hat einen Schlüssel, denn findet man aber nicht in der Sattelkammer, sondern bei den Händen des Reiters! Denk mal darüber nach!“ Meine Meinung! Meine Klugscheißerei ist eher ein Schutz für mich und mein Pferd!! Ich verteidige alles!! Mein Problem ist eher das, ich lasse mir auch nicht´s so schnell reinreden und das ärgert die anderen auch! Manchmal ist doch besser, denke und mache das, das du für richtig hälst und lass die anderen einfach weiter herumbasteln!!

Gruß
Martina

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Hallo Martina,

ich denke, ein gesundes Selbstbewusstsein ist vollkommen in Ordnung, genauso wie Dinge zu verteidigen, über die man sich viele Gedanken gemacht hat. Wenn es Dir dabei auch noch möglich ist, hin und wieder zu überlegen, ob eine neue Anregung gewinnbringend sein kann, dann ist doch alles bestens – über etwas nachzudenken, heißt ja nicht, dass man es auch annehmen muss.

Herzlich,
Tania

 

 

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