Ich kenn doch mein Pferd! Oder etwa nicht?
Die meisten Menschen, die öfters mit einem Pferd zu tun haben oder denen es sogar gehört, würden sicher mit dem Brustton der Überzeugung sagen: „Ich kenne dieses Pferd!“ Mir ging es zumindest so. Ich habe Aramis jetzt seit 1999 und ja, ich dachte, ich kenne ihn ziemlich gut…
Gerade die letzten ein, zwei Jahre haben mich aber mein Pferd ganz neu kennen lernen lassen. Und ich muss gestehen, dass ich ihn in einigen Punkten leider falsch eingeschätzt bzw. Wichtiges übersehen habe.
So ist mir z.B. bis vor kurzem nicht wirklich bewusst gewesen, wie sensibel mein Großer ist und wie sensibel er auf mich und meine Stimmungen reagiert. Aramis ist ein gestandener Haflinger-Mann mit einer starken Ausstrahlung. Er ist ein echtes Verlasspferd und eine Seele von Pferd. Ich habe schon immer genau diese Stärke an ihm bewundert und dabei übersehen, dass sich darin ein höchst empfindsames Pferd verbirgt.
So bin ich z.B. auch davon ausgegangen, dass er gar nicht sehr auf mich fixiert ist, bis mir eine Freundin, die Fotos von uns machte, einmal sagte, dass Aramis stark auf mich ausgerichtet ist. Da war ich ehrlich gesagt baff, ein blinder Fleck sozusagen. Und in der Arbeit mit Babette kamen und kommen wir immer wieder an Punkte, wo Aramis etwas auffängt, was in mir stattfindet – z.B., dass ich mich über einen Fehler ärgere, den ich gemacht habe und er denkt, ich bin unzufrieden mit ihm. (Manch einer mag jetzt denken, dass das doch arg vermenschlicht sei, aber ich konnte nun mehrfach die Erfahrung machen, wie viel es bewirkt, wenn ich meine Gedanken, meine Einstellung, meine Ausrichtung ändere, wie viel anders dann mein Pferd reagiert – aber das ist ein anderes Thema, über das ich sicher noch öfters schreiben werde. 🙂 )
Was ich sagen will: Ich denke, es passiert relativ oft ganz automatisch, dass wir Pferden bestimmte Eigenschaften zuordnen, manchmal bedingt durch die Rasse oder durch den Körperbau, manchmal durch ihr Verhalten oder durch das, was andere uns über ein Pferd erzählen und manchmal wohl auch durch unsere eigenen Erwartungen oder Hoffnungen. Diese Einschätzung muss ja auch gar nicht grundlegend falsch sein, sie kann aber eben manchmal zu kurz greifen. Mein Aramis IST ein starkes Pferd, er ist aber eben AUCH hochsensibel. Nur wenn ich beides erkenne, kann ich beidem gerecht werden.
Und so möchte ich mit diesem Text dazu anregen, einfach hin und wieder mal genauer hinzuschauen und zu versuchen, sein Pferd aus anderen als den gewohnten Augen zu sehen, um so sich und ihm die Chance zu geben, einander noch ein Stückchen besser kennen zu lernen.
23. Juli 2008 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse • 2 Kommentare »