Gewalt gegen Pferde ist falsch

Geschrieben von Tania Konnerth

Tania ist Autorin und Pferdecoach. Sie schreibt seit vielen Jahren für Blogs und Zeitschriften, hat diverse Bücher veröffentlicht, gibt Webinare und coacht Pferd-Mensch-Paare. Sie wünscht sich vor allem, dass Pferde besser verstanden werden.

Inspiration des Monats

Mit dem Thema „Gewalt gegen Pferde“ haben wir uns schon häufig befasst, zum Beispiel hierhierhier und hier. Aus aktuellem Anlass gibt es nun auch eine Inspiration des Monats zu diesem Thema.

Vor einigen Tagen wurde bei den Olympischen Spielen ein Pferd im Fünfkampf von seiner Reiterin nach mehreren Verweigerungen auf Zuruf der Trainerin („Hau mal richtig drauf!“) geschlagen. Das löste eine Welle der Empörung aus. So wichtig es ist, das Fehlverhalten einzelner Personen zu ahnden, so greift die Empörung allein über die Reiterin zu kurz. Das Problem liegt viel tiefer: Nämlich im (Reit-)System selbst und in den Glaubenssätzen und Überzeugungen, die diesem System zu Grunde liegen. Ein System, das Gewalt gegen Pferde zum Zweck der Ausbildung und des Trainings billigt, als notwendig bezeichnet und sogar gutheißt, ist ein krankes System. Die Tatsache, dass Reiterin und Trainerin der Meinung sind, nichts Falsches getan zu haben, zeigt das mehr als deutlich.

Durchsetzen über Verständnis

Fakt ist: In der konventionellen Reiterei wird noch immer das „Durchsetzen“ über das Verständnis für das Tier gesetzt, was zwangsläufig zu Gewalt führen muss. Was bei den Olympischen Spielen zu sehen war, ist in vielen Reitställen „normal“: Pferde werden geschlagen, sie werden getreten und es wird an Zügeln gerissen. Zahlreiche Reiter/innen nutzen Hebelgebisse, Flaschenzüge, Sporen und Ähnliches, um Pferde zu kontrollieren. Und zahlreiche Trainer und Ausbilderinnen setzen Rollkur, Strom und andere schmerzauslösende Mittel sowie psychische Gewalt ein, um Pferde zu gewünschten Leistungen und Aktionen zu bringen. Schon Reitanfänger/innen und Kinder werden frühzeitig angeleitet, Gewalt zu nutzen, um Pferde zu dem zu bringen, was als Aufgabe gestellt ist.

Auch wenn sich schon manches zum Guten geändert hat, so sind es immer noch viel zu viele, die diesen Weg gehen. Und viel zu viele von uns schauen weg, wenn es passiert. 

Gewalt gegen Pferde ist immer der falsche Weg

Ob Profi oder Anfänger, ob Jung oder Alt, ob Schüler oder Trainer, ob auf einem Turnier oder im Gelände, ob am Boden oder im Sattel: Gewalt ist immer der falsche Weg.

Wenn ein erfolgreicher Turnierreiter ein Pferd mit der Gerte schlägt oder mit Sporen sticht, ist das für das Pferd genauso schlimm, wie wenn es ein Freizeitreiter tut. Die Schmerzen, die durch ein Hebelgebiss oder Schlaufzügel ausgelöst werden können, sind für das Pferd dieselben, egal ob sie eine erfahrene Reiterin oder ein Anfänger verursacht. Jeder „Experte“, der Gewalt gegenüber Pferden für angemessen hält, disqualifiziert sich selbst. Außer in echten Notfällen (wenn es also darum geht, schlimme Unfälle zu vermeiden oder gar Leben zu retten) gibt es keine Rechtfertigung für den Einsatz von Gewalt gegen Pferde, um sie gefügig zu machen und die eigenen Ziele durchzusetzen. Pferde dürfen nicht geschlagen oder getreten werden und Werkzeuge, die dazu geeignet sind, Pferden Schmerzen zuzufügen, können niemals zu einem harmonischen Miteinander führen. Wir alle, die wir mit Pferden zu tun haben, tragen hier eine Mitverantwortung.

Bitte seid bereit,

  • immer wieder selbstkritisch Euer eigenes Tun zu überdenken und ggf. zu ändern,
  • nein zu sagen, wenn Trainer oder Lehrerinnen Euch auffordern, gegenüber einem Pferd Gewalt anzuwenden, und
  • Euch zu Wort zu melden, wenn Ihr Gewalt gegen Pferde beobachtet.

Gewalt darf einfach nicht länger als „normal“ gelten, denn es geht auch anders! Wie? Das erfahrt Ihr hier im Blog und in Versteh Dein Pferd.

Gewalt gegen Pferde

5 Kommentare

  1. Unsere Gesellschaft ist immer noch in einem sehr grossen Bewusstseins-Notstand, und die Tiere und die Natur bezahlen unendlich grossherzig dafür. Danke für eure Arbeit. Alle, die ihr Bestes tun, um diese traurige Tatsache Schrittchen für Schrittchen zu ändern, sind die Hoffnung für diesen wunderbaren Planeten.Es gilt, die Zuversicht zu behalten und die Menschen erfahren zu lassen, wie wichtig Fühlen, das eigene Herz, sind. Statt sich davon abzuschneiden, was so oft geschieht, weil man die Schmerzen nicht aushalten mag. Uns somit anderen Lebewesen Schmerzen zufügt, sogar ohne es selber zu spüren… Für das sogenannte „Erfolgreich Sein“. Konkurrenz, das „Geschwür der Menschheit“… Statt gemeinsam mit offenem Herzen kreativ zu sein.

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  2. Vor zig Jahren habe ich bei einem Westernturnier zugeschaut und war davon überzeugt, dass diese Reiter mit Pferden „anders“ umgehen. Nachdem ich die aufgerissenen Augen und das blanke Entsetzen/Angst bei einem Pferd im Parcour gesehen, ganz laut STOPP gerufen und zur Richtertribüne auf eine Reaktion gewartet habe……es kam NICHTS, bin ich nicht mehr auf Turniere gegangen.
    Heute und JETZT wohl wieder doch um bei so einem Verhalten sofort in den Parcour zu gehen um einen Abbruch dieser Veranstaltung herbei zu führen. Ein lautes Aufschreien bewirkt nichts! Es müssen Taten folgen!

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  3. Mich hat das ganze Thema sehr zum Reflektieren angeregt. Ich habe in einem ganz „normalen“ Reitstall mit knapp 18 mit dem Reiten angefangen. Es wurde uns beigebracht, dass man sich auf jeden Fall durchsetzen muss, zur Not auch mit Gewalt, weil sonst das Pferd die Herrschaft übernimmt und das dann lebensgefährlich wird. Ich hab also auch mal draufgehaut (ist ja nicht so schlimm, der kann das schon ab), zu Hilfsmitteln gegriffen (Sporen, Ausbinder etc.) und da mitgemacht. Es war mir zwar irgendwie zuwider, aber das Pferd muss ja gehorchen.

    Nach ein paar Jahren bin ich in einem klassischen Reitstall gelandet, da sah das Ganze dann schon etwas pferdefreundlicher aus in Bezug auf Hilfengebung und feines Reiten. Aber der Grundsatz war der Gleiche: das Pferd MUSS tun, was der Reiter sagt, ansonsten – siehe oben.

    Irgendwann bin ich dann auf dich und Babette gestoßen und das hat mein Denken verändert. Ich habe verstanden, dass ich mich nicht grundsätzlich durchsetzen muss, dass es legitim ist, dem Pferd Zugeständnisse zu machen, wenn es mal einen schlechten Tag hat. Den Charakter des Pferdes voll und ganz zu respektieren und meinen Kopf einzusetzen, um eine Lösung zu finden. Dafür bin ich euch bis heute unendlich dankbar.

    Wenn ich die bis heute noch in vielen Reitställen gängige Praxis sehe, kann es mir nicht vorstellen, nochmal so mit einem Pferd umzugehen und ich schäme mich immer noch dafür, dass ich das auch so gemacht habe. Auf meinem reiterlichen Weg haben mich meine sehr unterschiedlichen Pferde gelehrt, dass ich an mir arbeiten muss und dass es eigentlich immer mein Fehler ist, wenn es nicht funktioniert. Ich habe gelernt, ruhig und geduldig zu bleiben und wenn mir das mal nicht gelingt, auch einfach aufzuhören und an dem Tag halt nichts zu machen.

    Inzwischen traue ich mich auch, was zu sagen, wenn ich sehe, dass Pferde schlecht behandelt / geritten / gehalten werden. Ich bemühe mich möglichst um einen sachlichen Ton und gute Argumente. Denn still sein kann ich nicht mehr, dazu denke ich schon viel zu lange „Wege-zum-Pferd“.

    Ich hab euch sehr viel zu verdanken, ihr macht eine großartige und wichtige Arbeit, es ist so schön, dass es euch gibt.

    Melanie / Melinoliesl

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  4. Ich wohne auf dem Land – umgeben von Pferden und ihren Haltern. Die grobe und herablassende Art mit Pferden umzugehen, sehe und höre ich beinahe täglich von unseren Nachbarn, die eine kleine Oldenburger-Zucht betreiben. Gewalt Pferden gegenüber in jeder Form – psychisch und physisch – ist hier überall an der Tagesordnung. Letztes Wochenende bin ich mit meiner Hündin an einem Turnier vorbeigelaufen – ein Provinz-Tournier mit überschaubarer Teilnehmerzahl. Dennoch ein Anblick, der mich so wütend gemacht hat, dass ich weinen musste. Es ist einfach überall das gleiche. Ich möchte ja gerne hoffnungsvoll sein und glauben, dass sich etwas ändert. Aber feststellen kann ich es hier nicht. Reden hilft nicht. Die „Begründungen“ sind immer dieselben und jedes Gespräch oder jede Diskussion zum Thema wird schnell beendet. Auch wenn es bei den Freizeitreitern nicht automatisch besser läuft, ist es doch der Leistungsdruck, das Prestige und das Geld des Pferdesports, was jeden Tierschutzansatz im Keim erstickt. Meiner Meinung nach müsste man den Einsatz von Tieren im Leistungssport schlichtweg verbieten. Da würde Reiten für viele gleich viel unattraktiver werden und Menschen aussieben, denen es nicht um den Umgang mit diesen faszinierenden Tieren geht – der von Boden aus, auf Augenhöhe, doch nochmal so viel schöner ist …

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  5. Die Gewalt gegen Pferde beginnt für mich nicht erst bei körperlichen Sanktionen.
    Alleine schon Ungeduld, erst recht dann unter Wut, die Ausstrahlung eines Menschen dadurch auf das Pferd, sehe ich als Problem an.
    Das wirkt schon sehr auf Pferde ein, kann mental viel negativ auslösen.

    Ein Tierarzt, Pferdeklinik Hattersheim, wurde zu den Vorfällen beim Fünfkampf in Tokio interviewt, ausgestrahlt im TV. Er sah nun kein Problem darin, dass ein Pferd mal was mit der Gerte etc abbekommt. Denn, was die untereinander so abbekommen, das könne ja kein Mensch so stark ausführen und somit sei das nicht so schlimm. Puh.

    Unfassbar. Unreflektiert bis ins Detail.
    Und leider ein Freibrief für machen Menschen, es genauso weiterzuverbreiten und vielleicht so zu leben. Denn – das hat ja schließlich ein „Fachmann“ so gesagt.

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