Eine Frage der Energie

Wenn früher im Reitunterricht die Anweisung kam, ich solle mein Pferd im Trab „frischer“ machen bzw. die Hinterhand mehr aktivieren, habe ich vermehrt getrieben. Das Pferd wurde dann in der Regel schneller, aber die Hinterhand wurde nicht zwingend aktiver. Mir war damals auch der Unterschied nicht wirklich klar und ich denke, das geht vielen so.

Inzwischen weiß ich, was eine aktive Hinterhand im Gegensatz zum schnelleren Rennen ist – und ich glaube, ich habe ein schönes Bild gefunden, wie man den Unterschied veranschaulichen kann.

Neulich habe ich nämlich beim Joggen einmal selbst ein kleines Experiment gemacht: Und zwar habe ich mich dabei erwischt, wie ich recht flach durch die Gegend schlurfte. Meine Hinterhand war da nicht wirklich aktiv 😉

Weil mich das nervte, wie ich so durch die Gegend schlurfte, mobilisierte ich gezielt etwas Energie und lief dann dynamischer – und wow, DAS war ein Unterschied! Ich wurde nicht schneller, sondern kraftvoller. Ich sprang mehr durch, es war mehr Kraft in meinen Schritten und das Ganze fühle sich deutlich besser an als vorher. Aber – es war auch anstrengender 😀

Ich möchte Euch einladen, einmal genau dieses kleine Experiment mit Euch zu machen. Keine Sorge, Ihr müsst dafür keine Jogger sein. Lauft einfach mal ein Stück und bemüht Euch zunächst nicht um viel Energie. Lauft absichtlich flach und unmotiviert. Richtet Euch dann in der Schulterpartie auf (ohne zu verkrampfen) und aktiviert Kraft und Schwung in Euch. Spannt die Bauchmuskeln an, lauft mit geradem Rücken und gebt mehr Energie in jeden Sprung.

Könnt Ihr den Unterschied merken?

Ich glaube, dass es darum geht, genau diese Energie auch im Pferd zu aktivieren. Ein guter Trab mit einer aktiven Hinterhand hat nichts mit einem schnellen Vorwärtsgescheuche zu tun, sondern genau mit dieser kraftvollen Energie, die auch uns selbst unsere eigenen Schritte viel dynamischer setzen lässt. Diese Energie einmal bei sich gespürt zu haben, ist sehr hilfreich für das Reiten.

Bedenkt aber auch, wie anstrengend es ist, so kraftvoll zu laufen und erwartet nicht von Eurem Pferd, dass es so gleich Runde um Runde läuft! Aktiviert diese Energie erst nur kurz und lobt ganz doll, wenn die Antwort energievoll ist. Macht dann eine Pause und fordert erst dann noch eine kleine Einheit. Hier ist mal wieder weniger mehr: einige kurze kraftvolle Einheiten mit aktiver Hinterhand sind sehr viel mehr wert, als eine lange Einheit Geschlurfe.

14. Oktober 2010 von Tania Konnerth • Kategorie: Reiten 8 Kommentare »

 

8 Reaktionen zu “Eine Frage der Energie”

 

Von Milka • 14. Oktober 2010

Hallo Tania,

GENAU DAS habe ich heute beim Joggen auch gemerkt!! 🙂 Ich bin dann auch eine weile so schwungvoll gelaufen und nach ner Zeit wurds mir zu anstrengend.

Da ich keine besonders toll ausgebildete Reiterin bin, stellt sich in mir nur die eine Frage. Wie bekomme ich denn mein Pferd dazu, schwungvoll zu sein, wenn das nicht glwichzusetzen mit mehr Treiben ist? 🙂 Die Frage bleibt irgendwie offen..

Liebe Grüße
Meike

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Entscheidend ist für mich tatsächlich die Erkenntnis, dass Treiben allein nicht die Antwort ist. Diese Energie einmal bewusst zu spüren, kann sehr dabei helfen, sie auch dem Pferd zu vermitteln – spiel mal beim Reiten ein bisschen damit, Dich selbst in verschiedene Energielevels zu versetzen und achte darauf, was passiert. Für mich ist es immer wieder faszinierend, wie fein Pferde auf die eigenen Energien reagieren.
Tania

 

Von Claudia • 16. Oktober 2010

Ich renn auch öfters durchs Haus wenn ich gut draufbin oder zu viel Energie hab – ich find das macht dann richtig Spaß, auch bei jedem Schritt kraftvoll zu „ferdern“ – deswegen mache ich das lieber barfuß oder mit Socken als mit Schuhen. Ich finde das aber einfacher als Schlürfen … ok, auf Dauer hab ichs noch nicht gemacht … wahrscheinlich einfach weils mehr Spaß macht und ich nur schlurfe wenn ich keine Lust auf Laufen hab.
Wie z.B beim Kupertest in der Schule – wo Druck dabei ist und es um Rundenzahl geht, also um Schnelligkeit – da wird man immer ganz demotiviert weil man dauerhaft über seinem eigenem Tempo laufen muss um eine gute Note zu bekommen.
Wenn man Pferde durch Treiben immer schneller laufen lässt, führt das doch eher zu Streß und sinnlosem Gerenne. Eher sollte man sie motivieren, denn durch Spaß am Laufen entsteht diese „Leichtigkeit“ und diese positive Energie – auch die Austrahlung verändert sich.

Lustig, was ich jetzt alles zamphilosophiert hab o.O
Lg, Claudia

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Ich find es sehr spannend und zutreffend!
Tania

 

Von Sylvia • 18. Oktober 2010

Hallo Tania,

also in der letzten Zeit ging es mir öfter so, dass mir beim Longieren der Pferde ein „beschwingter Gang“ (wie unser Reitlehrer das nennt) aufgefallen ist! Das ist ein gleichmäßiges und sehr angenehmes Tempo im Trab und man kann förmlich sehen, wie schwungvoll der Rücken des Pferdes sich hebt und senkt und die Hinterhand unter den Schwerpunkt tritt! Das war ein tolles Erlebnis, das inzwischen auch bei unserem Hafi zu sehen ist!!! Da war soviel Energie und Leichtigkeit! Da hatte ich gestern direkt Lust, mich sofort drauf zu setzen! *lach*
Aber mal ehrlich! Das ist von oben sicher nicht leicht hin zu bekommen….ich rätsel da noch etwas herum. Aber wichtig ist, dass beide Pferde es beim Logieren für ca. 10 Tritte schon mal zeigen. Ich nehme an, dass das Anfang von einem sehr schönen beschwingten Gang wird. Wenn wir weiter trainieren, wird es sicher auch mal für ein paar Tritte von oben klappen. Da unsere Pferde noch relativ jung sind mit 6 Jahren, kann ich mir vorstellen, dass das auch in der Skala der Ausbildung erst mal erreicht sein muss, dass ein Pferd das kann!
Ich bin guter Hoffnung, dass wir das eines Tages auch reiten können. Es fühlt sich bestimmt toll an !

LG Sylvia

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Das bekommt Ihr hin, da bin ich sicher! Der Clou ist aus meiner Sicht, dass man das nicht erzwingen, sondern nur geschenkt bekommen kann.
Tania

 

Von Heidi Gold • 18. Oktober 2010

Hallo Tanja,
ich habe eine Quarterhorse Stute, sehr großrahmig, etwas langer Rücken, sehr flache Gänge und sie ist auch noch stark überbaut. Ja und der Hals ist sehr flach angesetzt, da diese Pferde mit dem Genick kaum höher als der Widerrist kommen sollen.
Das ist Zuchtbedingt, da sie speziel für Westernpleasure gezogen ist. Das heißt, sie kann sich sehr langsam in allen Gangarten bewegen.
Wenn Du Dir ein Bild von einer Westernpleasure machen möchtest, dann schau mal auf YouTube.
Ja genau da hätte ich jetzt eine Frage an Dich.
Ich reite Joy, so heißt meine Stute, vermehrt vorwärts, da sie eher zu langsamen, schleifenden Gängen tendiert und keine aktive Hinterhand hat. Da sie sehr überbaut ist, tut sie sich damit auch sehr schwer.
Wenn sie aber den Rücken nicht aufwölbt
(das macht sie nur wenn ich mit den Beine dran gehe, dann senkt sie auch den Kopf und mit den Händen halte ich Kontakt zum Maul, dann läuft sie rund)
und nicht rund so dahin rennt, dann habe ich kein gutes Gefühl. Dann hängt der Rücken durch.
Wie soll ich Joy reiten,ohne mit den Beinen den Rücken zu heben und mit dem Zügel zu arbeiten, dass sie trotzdem rund wird?
Die Sporen habe ich schon weg gegeben.
Die Westernplearure wird halt ganz anders trainiert und ich möchte mich da verändern, weil mir diese Methode nicht mehr gefällt.
Und ich finde es auch nicht sehr pferdefreundlich ständig mit den Beinen, auch mit den Sporen, den Pferdekörper anzustechen!
Jetzt suche ich nach neuen Möglichkeiten, mein Pferd mehr vorwärts zu reiten und die Wölbung des Rückens auf eine andere Art zu erreichen. Über den Schwung.Auch von der Halshaltung kann ich kaum eine Aufrichtung verlangen, sondern eher Vorwärts- Abwärtshaltung, da ja der Hals sehr flach angesetzt ist. Ob sich Joy richtig Versammeln kann (Hankenbeugung), mit so einem Gebäude, weiß ich nicht.
Ich möchte meine alte, angelernte Methode ablegen und Joy mit ihrem Gebäude, so gesund wie möglich reiten lernen.Die Westerndiziplin Pleasure wird halt ganz anders trainiert und darin bin ich leider noch sehr stark verwurzelt.
Den Longenkurs habe ich schon und wende ich erfolgreich an.
Wäre für mich der Longenkurs Teil 2 geeignet um reiterlich umdenken zu können?
Vielen Dank für Deine Hilfe!

Herzliche Grüße aus Österreich
Heidi

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Hallo Heidi,

so eine Umstellung ist ganz sicher möglich. Du wirst Zeit und Geduld brauchen, um dem Pferd neue Muster zu vermitteln und ich denke, die Longenkursarbeit ist dafür bestens geeignet. Der Aufbaukurs zeigt Dir viele weitere Wege, Dein Pferd zu gymnastizieren und jep, er geht auch auf die Umsetzung unter dem Sattel ein. Ich kann mir gut vorstellen, dass Dir das noch mal viele neue Impulse für Eure Arbeit gibt.

Schau doch auch mal in unser Forum – da gibt es eine Extra-Kategorie für die Longenkursarbeit, wo viele über ihre Fortschritte berichten. Da wirst Du sehen, dass auch Pferde mit weniger guten Grundvoraussetzungen für eine aktive Hinterhand diese durchaus entwickeln können.

Herzlich,
Tania

 

Von Raifi • 18. Oktober 2010

Hallo Tania,

ein schönes Beispiel hast da gefunden. Gerade in der englischen Reitweise ist es noch so ein Ammenmärchen, das Zulegen mit vermehrt treiben gleichzusetzen ist oder Mitteltrab = vorwärts, vorwärts, vorwärts.
Da finde ich es sehr schön, wenn du diesem Irrglauben so anschaulich zu Leibe rückst.

Mich würde interessieren, wie du es schaffst, dass deine zwei Hafis ihre Hinterhand aktivieren ohne schneller zu werden und wie du ihnen beigebracht hast, dass nicht Tempo, sondern mehr Kraft das Ziel ist.

Hast du einen Tipp für mich?

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Ich nutze Übergänge (in und zwischen den Gangarten), Seitengänge und den Wechsel von gebogenen Linien und kleinen Stücken geradeaus. Jedes „Rennen“ beende ich möglichst schon bevor es anfängt und lobe jedes Mehr an Energie. Auch versuche ich hier viel mit meiner eigenen Energie zu arbeiten.

Tania

 

Von Molitor Maria • 21. Oktober 2010

Meine Frage?
Ich reite zur Zeit einen Spanier, der schon bei der kleinsten Berührung mit dem Schenken los stürmt. Natürlich ohne seine Hinterhand deswegen mehr zu benutzen. Muss dann vorne zurück halten, weiss nicht wie
ich ihn dazu bewegen kann beim reiten mehr unterzutreten.Vielleicht weis jemand einen Tip für mich.
Maria

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Hallo Maria,

so wie man mit der eigenen Energie spielen kann, um ein Pferd zu aktivieren, so kann man auch versuchen, es durch die eigene Energie zu beruhigen. Für mich klingt das aber nach einem weit komplexeren Problem. Ich bin mir nicht sicher, ob Du das einfach so vom Sattel aus lösen kannst – das würde jetzt hier aber in dieser Kommentarfunktion zu weit führen.

Schau doch mal in unser Forum – da findest Du viele kluge Pferdeleute, sicher bekommst Du da viele Anregungen. Und kennst Du unseren Longenkurs? Mit dieser Arbeit kannst Du gerade auch sehr unruhige Pferde gut vermitteln, wie sie lernen, mit mehr Balance und gut zu laufen.

Herzlich,
Tania

 

Von Nicole • 11. April 2013

Hallo,

ich nutze für solches Training gern die Hügel im Gelände, um meinen Hafi (z.Z. 6 Jahre) zu schwungvolleren Tritten zu animieren, egal ob an der Longe oder unter dem Sattel. Gerade bei denjenigen, die sich mit der Schwungentfaltung schwer tun – sei es der Reiter oder/und das Pferd – eine gute Trainingserleichterung. Das schöne dabei ist, dass man das Pferd dabei vorn am Gebiss nicht festhalten muss, bzw. stärker gegenhalten muss, als die erwünschte leichte Anlehnung und dadurch selbst lockerer bleibt. So kommt man dann auch leichter weg von dem Reiten mit „angezogener Handbremse“, was ja bei manchen Reitern, die den Bogen mit der richtigen Anlehnung, noch nicht raus haben, gern in Zügelziehen endet.

Da die Hügel leicht überschaubar sind von der Höhe(zumindest in meiner Gegend), sind es meist nur ein paar wenige Tritte, sodass das Pferd nicht überanstrengt wird und dadurch schnell der entsprechende Muskel verspannt. Beim anschließenden hügelabwärts muss es ja dann die Muskulatur anders benutzen, was gut den Schwung und die Hinterhand abwechselnd trainiert und sich erst gar keine Verspannung aufbauen dürfte. Eine gute Anleitung dazu findet man auch bei K. A. von Ziegler mit seinem Hangbahntraining. Wer in der glücklichen Lage ist, solch ein ideales Gelände nutzen zu können, sollte es sich nicht entgehen lassen.

Viel Spaß beim ausprobieren
LG Nicole

 

Von Kerstin • 15. April 2013

Ich empfehle die Mary Wanless (Bücher) für diese Zwecke mal zu lesen – da geht einem zumindest erstmal theoretisch ein riesen Licht auf. Die Umsetzung ist aber sicher heavy…

Viel Spass dabei

LG
Kerstin

 

 

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