Das Auge schulen – Teil 1: Schwingt der Rücken?

Vor einiger Zeit habe ich schon einmal einen Artikel zur Frage geschrieben, wie man erkennen kann, ob ein Pferd auf der Vorhand läuft – hier nachzulesen. Da diesen Artikel viele sehr hilfreich fanden und immer wieder Fragen zum „Sehenlernen“ aufkommen, habe ich mir überlegt, hier noch ein bisschen tiefer einzusteigen und mit Euch gemeinsam das Auge zu schulen.

Beginnen wir mit der Frage: Wie erkenne ich, ob der Rücken eines Pferdes nach oben schwingt?

Babette hat in ihrem Artikel zur Biomechanik des Pferdes ausführlich beschrieben, warum es so wichtig ist, dass ein Pferd lernt, den Rücken aufzuwölben. Wie aber erkennt man nun, ob ein Pferderücken tatsächlich nach oben schwingt?

Ausgesprochen hilfreich ist, sich dafür eine Orientierungslinie hinter dem Pferd zu suchen. Das kann die Bande der Reithalle sein, ein Zaun oder irgend eine optische Linie, mit der man den Pferderücken optisch in eine Beziehung setzen kann.

Zur Illustration habe ich Euch hier mal die optische Linie rot gepunktet eingezeichnet, die in diesem Fall zur Einschätzung der Rückenaktivität dient:

Es ist deutlich zu sehen, wie Aramis Rücken hier beim Traben über die Cavalettis nach oben, sogar noch einen Hauch über die Linie schwingt.

Hier noch einmal die Tätigkeit des aufgewölbten Rückens mit der Bande im Hintergrund auf der anderen Hand:

Und hier noch einmal zum Üben für Euch Bilder ohne die eingezeichnete Linie, aber mit Hilfspfeilen auf die Punkte, auf die es zu achten gilt:

Natürlich passt es mit der Bande nicht immer so schön, wie es hier in dem Video der Fall war, aus dem die Bilder stammen. Aber achtet mal ganz bewusst darauf – es gibt viel mehr optische Hilfslinien, als man denkt!

Hier folgt der zweite Teil dieser kleinen Serie.

6. Oktober 2011 von Tania Konnerth • Kategorie: Allgemein, Anatomie und Körper, Longieren 12 Kommentare »

 

12 Reaktionen zu “Das Auge schulen – Teil 1: Schwingt der Rücken?”

 

Von Alex • 6. Oktober 2011

Hallo Tania,

ich hatte mich sehr auf den Beitrag gefreut, da du den ja auch im Forum schon angekündigt hattest. Aber um ehrlich zu sein: ich kann zumindest anhand der Referenzlinien da keinen schwingenden Rücken erkennen? Da es ganz unterschiedliche Trabphasen sind, „muss“ sich der Rücken ja anheben in Relation z.B. zur Bande, weil sich das Pferd bewegt. Genauso hebt sich auch der Hals an (vor allem auf den ersten und letzten Bildern sehr gut an der Oberlinie zu sehen) und die Kruppe. Und das auch um genau den gleichen Betrag wie der Rücken, d.h. daraus allein kann ich nicht so richtig ableiten, ob der Rücken wirklich nach oben schwingt. Oder habe ich da jetzt einen Denkfehler drin?

Viele Grüße, Alex

 

Von Pia • 6. Oktober 2011

Guten Tag,

ich hatte genau den gleichen Gedanken wie Alex. Also habe ich versucht, bei Youtube Videos zu finden, in denen die Situation der in diesem Blogbeitrag entspricht und wo das Pferd meiner Meinung nach nicht gut läuft. Und wenn man dann so ein Video in den passenden Momenten stoppt, könnte man das Ganze genau so als gut schwingenden Rücken interpretieren. Ich finde, es ist in der Tat eine schwierige Angelegenheit es richtig zu sehen oder es erklären zu wollen. Aber wir sind ja auch erst bei Teil 1 der Reihe. Als alleiniges Kriterium würde ich diese Methode nicht für ausreichend halten.

 

Von Tania • 6. Oktober 2011

Ok, ich antworte da mal gleich auf Euch beide.

Danke für die Anregung – ich sollte dann wohl nochmal einen Artikel mit Beispielbildern für einen nach unten schwingenden Rücken machen. Mal schauen, ob ich dafür Anschauungsmaterial bekomme. Tatsächlich schwingt der Rücken bei einem solchen Pferd eben NICHT nach oben, sondern bleibt auf der gleichen Linie oder geht sogar tiefer.

Wie gesagt, ich schau, was ich machen kann,
Tania

 

Von Manuela • 6. Oktober 2011

Hallo und guten Abend,

Tania hat absolut Recht mit ihren Ausführungen!

Wichtig ist bei der Betrachtung der Bilder der Rücken nach dem Widerrist: Hier muss er heben und hier hebt er auch bei Aramis. Das sieht man vor allem bei den letzten drei Bildern, wo der Rücken schon fast „gerade“ nach dem Widerrist wird.

Fehlerhaft schwingende Rücken schwingen nach unten unter die Ausgangsposition und dann wieder hoch auf die Ausgangsposition – das ist der Unterschied. Und dieses „Hochschwingen“ wird dann fälschlicherweise als „hochschwingender Rücken“ bezeichnet…

Schönen Abend
Manuela

 

Von Nicole • 7. Oktober 2011

Hallo Leute,
dieser Beitrag ist sehr interessant für sich. Allerdings sollte man bei einem schwingenden Rücken nicht den Hintergrund dazu einbeziehen, wie einige sehr gut erkannt haben, sondern nur die Linie zwischen dem Widerrist und dem Kreuzbein betrachten. Das wäre meiner Meinung richtiger, denn der Rücken soll ja reell nach oben schwingen. Und da der Trab eine Schwebephase über dem Boden hat, ist logischerweise der Rücken – besser gesagt das ganze Pferd in dieser Phase höher, als der Fixpunkt/-Linie im Hintergrund.
Ich hoffe, alle können verstehen, wie ich das meine?

LG Nicole

 

Von Tanja • 10. Oktober 2011

Guten Morgen,
zum reinen „Sehen“- resp. Erkennen ist aber schon die Bande nicht ganz verkehrt miteinzubeziehen, denke ich. Es gibt auch Pferde, die total flach traben und wo sich nur die Beinchen zu bewegen scheinen.
Für jemanden, der gar nicht weiss, wo er hinschauen und an was er sich orientieren soll, wäre es vielleicht auch ein bisschen viel verlangt, gleich die Linie der Punkte Widerrist und Kreuzbein in Bezug zur Bewegung zu vergleichen.. irgendwie so.
Ich denke gerade an ein spanniges, vom Reiter abwesendes Pferdchen, das mit hohem Kopf die Umgebung im Auge behält… da schwingt bestimmt alles, aber nicht der Rücken 😀
LG Tanja

 

Von François • 10. Oktober 2011

Guten Morgen,
Eine gute Methode um das Schwingen des Pferderückens zu sehen ist wenn man beim Führen in Stellung auch mal Trab verlangt und neben dem Pferd herläuft (in Augenhöhe). Wenn das Pferd das Führen in Stellung kennt und leicht in der Stellung bleibt kann man dann bei leichter und ruhiger Handhabung des Kappzaumes mit der inneren Hand (die zum Kreismittelpunkt hin zeigt) nebenherlaufen. Dreht man sich nun langsam gegen die Laufrichtung kann man anfangen rückwärts zu laufen und das Pferd trabt weiter in Stellung auf einen zu. Macht man es vorsichtig, in einen ruhigen Tempo anfangs (fast „Schrab“) lernt das Pferd schnell dass ihm nichts schlimmes passiert und trabt gelassen weiter. Da man ganz vorne am Kopf steht kann man Hals, Widerrist, Rücken und Kruppe ganz genau sehen und das Muskelspiel beobachten. Bei einem Pferd das schwingt kommt selbst dann wenn das Pferd einen Senkrücken hat in den Bewegungsphasen der Rücken im Bereich der Mitte der Sattellage bis an die Waagerechte. Die Kruppe kann da als Hintergrund schön als Referenz dienen. Man kann so leicht sein Auge schulen weil diese Perspektive es ermöglicht das ganze Pferd zu sehen. Man sieht auch in dieser Führposition schön die Art und Weise wie das Pferde das innnere Vorderbein aussetzt und auch die Spurigkeit des äusseren Hinterfusses ist perfekt erkennbar. Neben der Rückenaktivität kann man dann also auch schön die Geraderichtung bewerten. Ich selbst nutzte diese Stellung auch dazu behutsam mit der Touchiergerte an der inneren Schulter einzuwirken um Biegung und Geraderichtung zu verbessern und dem äusseren Hinterfuss nach Bedarf mehr Last zuzuschieben. Da man rückwärtslaufen muss verlangt es ein bischen Übung (kann man ja anfangs ohne Pferd mal testen) und man sollte es halt nicht zu lange machen weil man sonst das Gleichgewicht verliert und es dann zu ungewollten Einwirkungen am Kappzaum kommt. Generell habe ich das Führen in Stellung auch im Trab in meine Arbeit mit allen Pferden die ich trainiere ingeführt. Da ich direkt am Pferdekopf mitlaufe kann ich ganz genau das losgelassenee Ohrenspiel sehen, die Unterkieferbewegungen wie Kauen und Schlucken sind auch deutlich erkennbar und ich höre ebenfalls die Atmungsgeräusche gut die mir ebenfalls als Messlatte für die Losgelassenheit dient. Wenn man das ein paar mal gemacht hat ist es gar nicht mehr notwendig sich umzudrehen weil ma an diesen Zeichen schon genau merkt wie losgelassen und entspannt das Pferd läuft. Auch leichte Verwerfungen im Genick können in dieser Position leicht korrigiert werden. Dazu kann man mit der zum Pferd hin gewandten Hand leichte Massagen an Hals und Genick machen (oder bestimmte Punkte aktivieren) und man kann mit der Longenhand auch korrigierende Aufwärtsimpulse gegen. Ich nutze daher das Traben in Stellung sehr gerne. Es macht nicht nur die Pferde fit sondern hilft auch dem Reiter eine schlanke Linie zu halten. Ausserdem kommt man wenn man nebenherläuft nicht in Versuchung hunderte Runden zu verlangen sondern arbeitet gezielt an bestimmten Verbesserungen solange die eigene Luft und die des Pferdes reichen.

Gruss,

François

 

Von Sonja • 11. Oktober 2011

Hallo!
Vielleicht eile ich vorraus… dies ist erst Teil eins…
Aber ein durchlässiges Pferd (was ja eigentlich gemeint ist, mit einem korrekt schwingendem Rücken) kann man auch sehr gut daran erkennen, dass der ganze Körper „schwingt“ und locker bewegt, nur der Kopf bleibt ‚praktisch‘ an der gleichen Stelle. Das ist auch an diesen Bildern zu erkennen, auch wenn durch die Bewegung des Pferdes die Kamera einen anderen Abstand bekommt, und damit das Bild verfälscht.
Es ist sehr gut zu erkennen bei den 2 Bildern rechtsherum.

LG aus Belgien!

 

Von Christl • 11. Oktober 2011

Ich würde, gerade bei Unsicherheiten, sogar weniger auf die Oberlinie als vielmehr auf die Muskeln an der Bauchseite achten… Gerade auf den Fotos von Aramis hier sieht man deutlich, wie diese arbeiten.
Hoffe, ich liege nicht falsch mit dieser Einschätzung, dass man gute Rückenarbeit an guter Baucharbeit erkennen kann!
Liebe Grüße!

 

Von Tania • 13. Oktober 2011

Also,

mir ging es tatsächlich genau darum, eine Linie im Hintergrund als Orientierung zu nehmen 🙂 Und zwar, um das Sehen zu vereinfachen.

Wenn der Rücken aufgewölbt über so eine Linie schwingt, schwingt er hoch. Wenn das Pferd den Rücken wegdrückt, wird er sicher auch in einer bestimmten Bewegungsphase etwas gehoben, aber das eben tendenziell durchhängend und nicht, wie auf den Fotos gezeigt.

Wohl gemerkt: Natürlich ist eine korrekte Ganganalyse deutlich komplexer und man muss in der Summe viele, viele Faktoren beachten. Aber manchmal ist es sinnvoll, Dinge erst einmal zu vereinfachen, um überhaupt einen Zugang zu bekommen. Und viele tun sich tatsächlich schon schwer damit, überhaupt eine Rückentätigkeit zu sehen (ob nun gut oder schlecht) – und dafür ist meiner Erfahrung mein Vorschlag hilfreich.

Herzlich an alle,
Tania

 

Von Anna • 9. Januar 2012

Hallo, ist es nicht richtiger zu sagen, dass auf den Bildern der Rücken aufgewölbt ist?
Ein schwingener Rücken muss in jeder Bewegung des laufens ´´schwingen´´, nicht nur , wenn das Pferd über Cavalettis trabt?

Ist aber nur meine Annahme 😉
Ich lasse mich gern aufklären, dachte aber bisher , dass es da unterschiede gibt.
Also ´´aufwölben´´ war für mich nie gleich ´´schwingen´´.

Grüße aus der Pfalz und lob an Euer Forum.

________________________

Herzlichen Dank für Deinen Kommentar, Anna. Ich denke, Du beschreibst genau das Problem, dass ein Foto immer nur einen Augenblick dokumentiert und da ist das Wort „aufgewöblt“ natürlich vollkommen korrekt. Ein „Schwingen“ kann man auf einem Foto nicht sehen, nur in der Bewegung.

Tania

 

Von kiki • 24. Februar 2014

Danke, François, das ist eine tolle Erklärung!

 

 

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