Der Einsatz der Gerte
Wie auch zu den Sporen finden sich auch zum Thema Gerteneinsatz sehr unterschiedliche Einstellungen. Für die einen ist sie ein brutales Schlagwerkzeug, mit dem Pferde misshandelt werden, für die anderen fungiert die Gerte als verlängerter Arm, mit dem das Pferd gestreichelt werden kann und mit dem feinste Zeichen möglich sind – in der Praxis finden sich beide Extreme und alles dazwischen.
Ich selbst nutze die Gerte als feines Kommunikationsmittel, eben als Verlängerung meines Armes. Tatsächlich gehe ich fast nie ohne Gerte ans bzw. aufs Pferd (nur bei Pferden die noch sehr ängstlich auf die Gerte in der Hand reagieren).
Um die Gerte allerdings überhaupt stressfrei einsetzen zu können, nehme ich dem Pferd als erstes die Angst vor ihr. Hier gehe ich den Weg des weichenden Gegenstandes (s.a. Wie Ihr Pferd lernt, die Trense zu nehmen) und arbeite mit dem Clickertraining.
Wie Sie dem Pferd die Angst vor der Gerte nehmen
Um die Gerte als etwas Positives für das Pferd einzuführen und eventuell vorhandene Ängste zu nehmen, können Sie so vorgehen:
Sie nehmen etwas Futter in die eine Hand und halten in der anderen eine Gerte. Nun locken Sie mit der Futterhand die Nase des Pferdes zur Gerte hin (Wichtig: nicht die Gerte hin zum Pferd führen!). Jeder Millimeter, jede Aufmerksamkeit des Pferdes Richtung Gerte wird nun von Ihnen positiv bestärkt.
Erstes Lernziel: Sie möchten, dass Ihr Pferd von sich aus den Kontakt zur Gerte sucht (auch ein eventuelles Beißen in die Gerte wird von mir belohnt. So kann ich später aus diesem Spiel heraus, gleich das Aufheben von Gegenständen üben 🙂 ). Wenn Sie das erreicht haben, probieren Sie, ob Ihr Pferd es entspannt annehmen kann, dass Sie es mit der Gerte streicheln.
So erlernt Ihr Pferd die Gertensprache
Erst wenn Sie in der Lage sind Ihr Pferd überall mit der Gerte abzustreichen, beginnen Sie ihm die Gertenzeichensprache zu erklären. D.h., wenn Sie Ihr Pferd im Schritt anführen wollen, tippen Sie es leicht an der Kruppe an, so dass Ihr Pferd versteht, Kruppe antippen bedeutet losgehen. Sie können dieses Gertenzeichen auch in der Schenkellage einbauen und somit das Verständnis für den Schenkeldruck aufbauen. Wenn Ihr Pferd beim Führen zu Ihnen hin drängelt, also auf die innere Schulter fällt, tippen Sie mit der Gerte an die entsprechende Schulter.
Wenn Ihr Pferd nicht auf ein leichtes Tippen reagiert, können Sie das zarte Tippen leicht etwas stärker werden lassen, bis Ihr Pferd reagiert. In dem Moment, in dem das Pferd eine Reaktion zeigt, mag diese Reaktion auch noch sehr schwach sein, hört das Touchieren sofort auf und Ihr Pferd wird begeistert belohnt. Erkennen Sie das kleinste JA Ihres Pferdes!
Verinnerlichen Sie die Skala der Einwirkung
In Bezug auf das Verstärken einer Hilfe gibt es leider sehr ungute Ansichten. Man kann sich eine Skala von 1-10 vorstellen, dabei darf die 10 aber niemals ein Schlagen sein, sondern die 10 stellt die höchste Stufe dar, die dem Pferd noch keine Schmerzen bereitet! 1 ist also ein federleichtes Antippen und 10 nie stärker als das, was noch als „Klaps“ durchgeht. Ein Schlagen lehnen ich komplett ab. Wenn die „klapsartige 10“ nicht die gewünschte Wirkung erzielt, müssen wir nach einem anderen Weg suchen, dem Pferd zu erklären, was wir möchten.
Gehen Sie bei einem Ausbleiben der gewünschten Reaktion immer sanft ansteigend die Skala hoch, bis Ihr Pferd eine Reaktion in die gewünschte Richtung zeigt. Wiederholen Sie dann die Übung, um zu überprüfen, ob Ihr Pferd Sie verstanden hat.
Ganz entscheidend ist, dass Sie bei jeder Wiederholung wieder bei 1 anfangen! Ansonsten machen Sie einen ganz gravierenden Fehler: Stellen Sie sich vor, Ihr Pferd reagiert beim ersten Übungsversuch erst bei 8. Sie merken sich jetzt, „Ah, so stark muss ich mein Pferd touchieren damit es reagiert“, und geben nun gleich immer die Hilfe in Stärke 8. Damit wird 8 zu 1 und Sie geben Ihrem Pferd keine Chance, auf ein feineres Signal zu reagieren. Das ist nicht fair und führt dazu, dass Ihr Pferd immer mehr abstumpft.
Wenn Sie diese Technik gut verwenden, lernt fast jedes Pferd auf Gertenzeichen zwischen 1-4 zu reagieren. Dann ist die Gerte in meinen Augen ein feines, pferdefreundliches Lehrwerkzeug. Die Gerte als Strafwerkzeug oder sie dem Pferd als „Verstärkung der Schenkelhilfe“ überzuziehen, lehne ich ab, denn ich bin gegen Prügelstrafe – egal ob mit Gerte, Peitsche, Sporen oder Hand!
17. Juni 2008 von Babette Teschen • Kategorie: Ausrüstung • 3 Kommentare »