So bereiten Sie sich und Ihr Pferd sinnvoll auf die Teilnahme von Kursen vor – Teil 2

Sie planen, auf einen Kurs zu gehen und möchten, dass das so entspannt abläuft wie bei diesen beiden hier?

Dann haben Sie in der letzten Woche dafür schon 6 Tipps von mir bekommen – hier folgen nun 7 weitere, mit denen Sie vor Ort das Ereignis für Sie selbst und für Ihr Pferd positiv  gestalten können.

Tipp 7: Gehen Sie verständnisvoll mit den Ängsten des Pferdes um

Sie wünschen sich ein ruhiges, entspanntes Pferd? Dann seien Sie selbst ruhig und entspannt, auch wenn es Ihr Pferd momentan noch nicht ist. Stellen Sie sich vor, Ihr Pferd wäre ein kleines, ängstliches Kind. Wie würden Sie mit ihm umgehen? Würden Sie es anschnauzen, hauen, am Arm rucken? Oder wäre Sie liebevoll zugewandt, würden mit warmer, sanfter Stimme mit ihm sprechen und ihm erklären, dass alles gut ist? Was glauben Sie, welches Verhalten Ihrem Pferd besser helfen wird, sich zu entspannen?

Versetzen Sie sich in die Situation Ihres Pferdes: Eines Tages kommt sein aufgeregter Besitzer an und packt es in eine holpernde Transportbox. Weg von seinen Kumpels wird es in einem fremden Stall untergebracht. In einer fremden Halle mit vielen fremden Menschen soll es konzentriert mitarbeiten… Das ist eine ganz schön aufreibende Angelegenheit für ein Lebewesen, das jede Trennung von seiner gewohnten Herde als echte Bedrohung wahrnimmt! Manche Pferde brauchen nach einem Stallwechsel bis zu einem Jahr um „anzukommen“, bis sie sich am neuen Ort sicher und zu Hause zu fühlen. Vergessen Sie nicht: Sie wissen, dass Ihr Pferd übermorgen wieder nach Hause kommt – Ihr Pferd weiß das nicht.

Tipp 8:  Üben Sie Rituale ein, die Sie mit Ihrem Pferd durchführen, wenn es nervös wird

Denken Sie sich zu Hause eine kleine Abfolge von Übungen aus, die Sie beide gut können und von denen Sie wissen, dass Ihr Pferd sie mag und entspannt ausführt. An der Hand könnte diese Übungsabfolge z.B. so aussehen:

  • Gehen Sie 10 Schritte im „Führen in Stellung“,
  • wechseln Sie dann für 5 Schritte zum „Übertretenlassen“,
  • halten Sie an,
  • lassen Sie Ihr Pferd zwei Mal nach rechts und zwei Mal nach links „tanzen
  • und führen Sie die Übung „Kopf tief“ durch.
  • Wiederholen Sie diese Abfolge.

Das Abrufen einer gut sitzenden, entspannenden Übungsabfolge gibt sowohl Ihnen als auch Ihrem Pferd ein Gefühl von Sicherheit. Sie gehen in eine positive, aktive Rolle anstatt nur hilflos auf das nervöse Verhalten Ihres Pferdes zu reagieren. Sie strahlen dadurch Souveränität und Stärke aus und werden zu einer Autorität, dem sich ein unsicheres Pferd gerne anvertraut. Gewohnheiten und Rituale geben Ihnen beide Sicherheit!
(Lesen Sie dazu auch: „Nutzen Sie Lieblingsspiele zur Bewältigung schwieriger Situationen“.)

Tipp 9: Schrauben Sie Ihre Erwartungen runter

Sehen Sie die Teilnahme an Ihren ersten Kursen in erster Linie als eine Übung zum Thema „Kursteilnahme“ an. Erwarten Sie nicht, dass Sie schon an schwierigen Lektionen arbeiten werden. Das Pferd entscheidet, wie weit Sie kommen werden!

Setzen Sie sich bewusst Ziele, die Sie betreffen, wie z.B. „Auch wenn mein Pferd nervös ist, bleibe ich in der Rolle des geduldigen Lehrers.“

Tipp 10: Rechnen Sie damit, dass Ihr Pferd sich anders benehmen wird als zu Hause

Ein sehr häufiger Satz, den ich auf Kursen höre, ist: „Zu Hause ist er/sie ganz anders! Da hört er/sie auf leichteste Zeichen und ist sehr gut erzogen.“

Keine Bange! Ich glaube Ihnen das, auch wenn sich Ihr Pferd gerade aufführen sollte wie das letzte Wildpferd. Manche Pferde werden durch das Herausreißen aus ihrer gewohnten Umgebung und durch die ungewohnte Anspannung, die ihr Besitzer ausstrahlt, so aus der Bahn geworfen, dass ihre Besitzer sie nicht wiedererkennen.

Tipp 11: Nehmen Sie die Situation und Lernaufgabe, die sich stellt, mit Humor an

Vielleicht war Ihre Vorstellung als Sie sich zum Kurs angemeldet haben, dass Sie am Thema „Seitengänge“ arbeiten möchten. Nun kann Ihr Pferd vor lauter Anspannung aber nicht mal eine Runde Schritt am langen Zügel gehen. Was tun?

Nehmen Sie die Lernaufgabe an, die sich Ihnen stellt, in diesem Fall lautet sie dann eben: „Ruhigen Schritt in einer Kurssituation vor Publikum gehen“. Wenn Sie lernen, mit einer angespannten Situation, evtl. sogar unter Leistungsdruck, positiv umzugehen, haben Sie mit großer Wahrscheinlichkeit mehr in diesem Kurs gelernt, als wenn Sie an den Feinheiten des Schulterhereins geschliffen hätten. Seien Sie also flexibel, was die Lernaufgabe angeht!

Und versuchen Sie, die Situationen nicht zu ernst zu nehmen. Klar, kein Mensch steht gerne vor einer Kursgruppe wie ein hilfloser Anfänger da! Aber glauben Sie mir: Kaum ein Pferdemensch stand nicht selber schon mal so da 🙂 Nehmen Sie es mit Humor. Ein Spruch wie z.B. „Vielen Dank mein liebes Pferd. Nun weiß ich wie man sich als vorgeführter Mensch fühlt.“, kann Ihnen mehr Sympathien und Anerkennung bringen als Sie glauben 🙂

Tipp 12: Loben Sie jeden guten Ansatz und ignorieren Sie so weit wie möglich Fehlverhalten

Die meisten Pferde sind in einer fremden Umgebung nervöser als zu Hause. Nervöse Pferde werden wegen der Anspannung mehr Fehlverhalten zeigen. Dinge, die zu Hause kein Thema sind, wie z.B. das Stillstehen, funktionieren dann nicht mehr. Wenn Sie auf Fehlverhalten Ihres Pferdes mit Strafe reagieren (am Strick rucken, anschreien, mit der Gerte schlagen), ist die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Pferd noch verunsicherter, angespannter und noch widersetzlicher wird, sehr groß.

Konsequentes und liebevolles Lob von guten Ansätzen und positive Verstärkung (Clickertraining), auch in Form von Futterlob, erhöhen die Chance, dass sich Ihr Pferd bald entspannt. Gucken Sie also nicht zu den „Fehlern“, sondern halten Sie bewusst Ausschau nach guten Ansätzen, die Ihr Pferd zeigt, und loben Sie diese. Das tut Ihnen beiden gut!

Stellen Sie Ihrem Pferd keine Aufgaben, die es gerade nicht erfüllen kann. Für ein sehr angespanntes Pferd ist es eine fast unlösbare Aufgabe, still zu stehen. Anstatt nun hier einen Streit zu riskieren, gehen Sie erstmal etwas mit Ihrem Pferd wandern. Dabei kann sich das Pferd das Adrenalin im Blut ablaufen und später auch wieder denken und zuhören.

Tipp 13: Bleiben Sie bei einem gewaltfreien Umgang und fordern Sie diesen auch von den anderen Menschen, die mit dem Pferd umgehen

Wenn die eigenen Nerven schon bis aufs Äußerste gespannt sind und einen das Pferd dann noch gepflegt über den Haufen rennt, passiert es leicht, dass man seine gewaltfreie Grundeinstellung mal kurz vergisst. Und so sehe ich leider häufig wie die Pferde deutlich am Halfter/Trense/Kappzaum „geruckt“ werden, die Stimme sehr laut wird, oder auch die Gerte nicht als feiner Zeichenstock, sondern als Strafwerkzeug eingesetzt wird.

Bitte bleiben Sie ruhig und gewaltfrei! Lassen Sie auch nicht zu dass ein anderer – auch nicht der Kursleiter selbst! – Ihr Pferd über den Weg der Gewalt „erzieht“. Suchen Sie nach besseren Wegen.

Wenn Sie merken, dass es keinen Sinn hat, mit einer Einheit mit Ihrem Pferd weiterzumachen, brechen Sie ab und bringen Ihr Pferd wieder auf seinen Auslauf/in seine Box. Arbeiten Sie unter einfacheren Bedingungen wieder an der Grundkommunikation und an der Vertrauensbasis.

Denken Sie daran, das ist mit Sicherheit nicht Ihr letzter Kurs! Je häufiger Sie solche Aktionen mit Ihrem Pferd machen, umso besser wird es werden. Sehen Sie die Kurse als Training an mit dem Ziel, dieses Training ohne zu großen Stress, ohne Vertrauensverlust zu absolvieren.

Irgendwann werden auch Sie mit Ihrem Pferd so entspannt auf Kursen sein, dass solche Bilder wie hier auch von Ihrem Pferd und Ihnen auf einem Kurs entstehen können 🙂

Ich wünsche Ihnen und Ihrem Pferd viel Vergnügen auf Ihrem nächsten Kurs!

12. Oktober 2010 von Babette Teschen • Kategorie: Umgang 5 Kommentare »

 

5 Reaktionen zu “So bereiten Sie sich und Ihr Pferd sinnvoll auf die Teilnahme von Kursen vor – Teil 2”

 

Von Catja • 13. Oktober 2010

Darf ich noch den Tipp 14 hinzufuegen?
Es kann auch alles anders kommen 🙂 Als ich mit Pferd zum ersten Mal zu einem Kurs gefahren bin, durfte ich staunen was ich da fuer einen artigen, freudig engagierten Kumpel hatte. Sogar das Verladen ging bei der Rueckreise ganz reibungslos. Er war die ganze Zeit als wuerde er denken „na endlich ist mal was los“.
Ciao 🙂
Catja
_________________________________________________
Super!
Dann kannst Du ja zukünftigen Aktionen völlig entspannt entgegen sehen 🙂 ,
liebe Grüße,
Babette

 

Von Nicole • 13. Oktober 2010

Zu Tipp 10 kann ich nur sagen, dass ich mein Pferd auf Kursen tatsächlich nicht wiedererkenne, aber witzigerweise ist sie in der Fremde viel anständiger und kooperativer als zuhause!!!!! 🙂
______________________________________________
So kann es natürlich auch sein…
🙂
Liebe Grüße,
Babette

 

Von Biggi • 15. Oktober 2010

Aus den zusammengestellten Punkten könnte man einen eigenen Kurs machen:“ Entspannt an Kursen und Reiterspielen teilnehmen“ zum Beispiel. Vor allem auf Reiterspielen habe ich bisher selbst schon viele chaotische Erlebnisse gehabt. Deine Tipps haben mir gezeigt, die Situation aus den Augen des Pferdes zu betrachten, z.B. Tipp 7. Während unsere Pferde auf dem heimischen Übungsplatz alle Trail-Hindernisse perfekt und suverain meisterten, konnten sie am Tuniertag nicht mal mehr grade in ein Stangen-L gehen. Und ganz vielen anderen Teilnehmern geht es ähnlich. Danke für die Tipps
______________________________________
Sehr gerne 🙂

Birgit

 

Von Ksenja Kuralt • 18. Oktober 2010

Hallo!
Ich musste grinsen, als ich den Beitrag gelesen habe. Wie wahr! Habe dieses Jahr angefangen, Turniere zu reiten und musste ebenfalls meine Erwartungen stark anpassen und mir neidische Blicke auf vollkommen relaxte Pferde verkneifen, die auf die nächste Prüfung im Pferdeanhänger warten und Heu knabbern… whrend ich mein Pferd nicht einmal anbinden kann!
Da mein Pferd sehr extrovertiert und explosiv sein kann (in bekannter Umgebung ist er natürlich ein Lamm), habe ich aber in vielen Jahren Bodenarbeit die Erfahrung gemacht, dass in Situationen, wo er Panik bekommt, nur ein sehr dominantes Auftreten meinerseits (z.B. bei den Parelli Spielen, wo ja auch im äußersten Fall Körperkraft angewandt wird), seine Aufmerksamkeit überhaupt wieder auf mich lenkt und ein Umrennen/Losreissen zuverhindern. In Parelli Kursen lehrte man uns, dass die Energielevel immer gleich sein müssen. Je mehr Energie das Pferd zeigt (auch negative), desto mehr Energie muss man selbst an den Tag legen. Nun bin ich verunsichert, wie ich mich verhalten soll. Die Kopf-Tief Übung habe ich schon miteingeflochten und sie funktioniert auch auf dem Turnier, nur, dass der Kopf halt nur den Bruchteil einer Sekunde unten bleibt. Ich hoffe, dass mehr solcher bekannten Rituale bald das rüde Auftreten (meins) als Herdenchef (a la Parelli) ersetzen werden, denn ich bin kein 100% Parelli Anhänger, aber es half einfach, um zu überleben 🙂 Früher wäre er mir sonst z.B. über den Zaun aus dem Reitplatz gesprungen, wenn seine Weidekumpels zum Füttern reingebracht wurden, hätte sich im Gelände beim Anblick einer Kutsche losgerissen und wäre heimgelaufen, etc…
Ich mache auch Übungen mit unbekannte Objekten, Planen, aber daran gewöhnt er sich sehr schnell, vor allem mit Futterlob. Er vertraut mir anscheinend wenigstens etwas, und geht auch auf den gefürchteten Anhänger, durch die dunkle Pfütze,… wenn ich vorgehe! Niemals würde er allene reingehen.
Über weitere Tipps bin ich immer dankbar. Einfach öfter üben oder was?
Gruß
Ksenja
____________________________________________
Jep, genau! Üben, üben und üben!
🙂
Liebe Grüße,
Babette

 

Von Birgit • 18. Oktober 2010

Liebe Babette,
Du schreibst über meine Trabernase, richtig? ;:) Er war auf dem Kurs genau so, wie Du das beschreibst und trotzdem war ich rasend stolz auf ihn, ich hatte noch viel Schlimmeres erwartet.
Wir sind „Spätabschöpfer“, alles was wir auf dem Kurs gelernt aber nicht umsetzen konnten, können wir jetzt zu Hause im eigenen Reich problemlos liefern. Es lohnt sich also immer!!!
_______________________________________
Glaub mir, Deine Trabernase hat viele Brüder im Geiste 😉 …
Liebe Grüße,
Babette

 

 

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