Passt der Sattel? Ein kleiner Leitfaden

Von Babette Teschen

Welcher Sattel ist der Beste? Western, Spanisch oder Englisch? Baumlos oder mit Baum? Maßgefertigt oder von der Stange? Kaum ein Thema, bei dem sich die Geister mehr scheiden als bei diesem.

Aber in einem Punkt sind wir uns doch alle einig: Passen muss er!

Wozu ein unpassender Sattel führen kann

Ein unpassender Sattel kann die Ursache für verschiedenste Rittigkeitsprobleme und sogar für schwerwiegende Erkrankungen sein.

Folgende Auswirkungen kann ein unpassender Sattel haben:

  • Das Aufwölben des Rückens kann verhindert werden
  • Die Hinterhand kann nicht optimal untertreten
  • Das Pferd läuft auf der Vorhand
  • Es können sich Krankheiten entwickeln, u.a.  Kissing Spines, Hufrollenerkrankungen, Arthrosen, Headshaking und Muskelatrophie (Muskelschwund).
  • U.a.

Anzeichen, die Sie nachdenklich machen sollten

Wenn Ihr Pferd eines oder mehrere der folgenden Symptome zeigt, sollten Sie auch immer abklären, ob das Problem vielleicht vom Sattel ausgelöst wird:

  • Schwund des Trapezmuskels (neben dem Widerrist wie ausgehöhlt),
  • Schwund des Rückenmuskels,
  • Rücken festhalten und/oder wegdrücken,
  • Taktunklarheiten bis hin zu Lahmheiten,
  • kurzer, gebundener Gang,
  • Buckeln, Steigen, Durchgehen,
  • Zähneknirschen und Zungerausstrecken (durch Druck auf sog. Triggerpunkte),
  • Stolpern oder gar Hinfallen,
  • Probleme bei Biegungen,
  • Triebigkeit,
  • Rennigkeit,
  • Rückenempfindlichkeit,
  • Schweifschiefhaltung,
  • Kopfschlagen.

Kleiner Leitfaden, mit dem Sie herausfinden können, ob Ihr Sattel passt

Ob ein Sattel für Ihr Pferd gut ist oder nicht, können Sie anhand folgender Punkte kontrollieren:

Schritt 1: Betrachten Sie zunächst den Sattel selbst

Bevor Sie den Sattel auf das Pferd legen, betrachten Sie das gute Stück kritisch:

Ist der Sattel symmetrisch?

Nehmen Sie den Sattel in die Hand wie auf dem Foto gezeigt:

Schauen Sie von oben den Verlauf der Sattelpolster an. Die Polster sollen gleichmäßig weich und dick gepolstert sein.

Betrachten Sie den Sattel auch von vorne. Es ist erstaunlich, wie schief ein Sattel sein kann!

Wie ist die Polsterung?

Die Polsterung darf nicht zu hart, sollte aber auch nicht zu weich sein. Wichtig ist, dass der Sattel gleichmäßig gepolstert ist.

Eine Grundregel dazu lautet: Im Idealfall ist das Polster des Sattels weicher als die Muskulatur.

Ist der Sattelbaum heil?

Dazu nehmen Sie den Sattel an Vorder- und Hinterzwiesel und versuchen, ihn zusammenzudrücken. Wenn der Sattel nachgibt, besteht der Verdacht, dass der Sattelbaum gebrochen ist. In diesem Fall sollten Sie den Sattel von einem Sattler prüfen lassen.

Schritt 2: Betrachten Sie den Sattel auf dem stehenden Pferd

Nun folgt die Betrachtung auf dem Pferdekörper. Dazu legen Sie den Sattel ohne Decke und zunächst ohne anzugurten auf Ihr Pferd.

Prüfen Sie:

Die Länge des Sattels

Ertasten Sie den Rippenbogen der letzten Rippe. An diesem Rippenbogen fühlen Sie hoch zum Rücken des Pferdes. Dort wo Ihr Finger ankommt, ist der Punkt, über den die Tragfläche des Sattels nicht hinausragen soll:

Ein zu langer Sattel behindert das Pferd in seiner Biegefähigkeit. Das Gewicht des Reiters kommt zu sehr auf den Teil der Wirbelsäule, auf dem das Pferd den Reiter nicht mehr mit seinem Skelett tragen kann. Dadurch kommt es zu Verspannungen der Rückenmuskulatur, das Aufwölben des Rückens wird verhindert (kleine Bemerkung am Rande: dieses gilt auch für Islandpferde…).

Kammerhöhe (Widerristfreiheit) und Wirbelsäulenkanal

Hat der Widerrist genügend Platz, auch wenn das Pferd den Hals anhebt?

Hat die Wirbelsäule genügend Platz (ca. 3 Finger breit)? Der Sattel darf an keinem Punkt auf der Wirbelsäule aufliegen.

Heute werden die Sättel mit einem viel breiteren Wirbelsäulenkanal als früher gebaut. Alte Englischsättel sind dort häufig zu eng.

Kammerweite, Verlauf des Kopfeisens und Schulterfreiheit

Das Kopfeisen soll immer parallel zum Schulterblatt des Pferdes verlaufen. Fühlen Sie, ob der Sattel auf oder an die Schulter stößt.

Nach der Betrachtung im Stehen, führen Sie Ihr Pferd im Schritt an und gucken, ob der Sattel deutlich von der Schulter angehoben wird. In diesem Fall behindert der Sattel die Bewegung der Schulter.

Gleichmäßige Auflage

Fühlen Sie mit Ihrer flachen Hand unter dem Sattelpolster entlang. Häufig finden sich Sättel, die wie eine Brücke auf dem Pferd liegen, d.h. sie tragen nur vorne am Widerrist und im Bereich des Hinterzwiesels.

Wölben Sie Ihrem Pferd den Rücken etwas auf (z.B. durch Kitzeln an der Bauchnaht), so weit, wie es das im optimalen Fall unter Ihnen bei der Arbeit tun sollte. Wie ist es jetzt? Kippelt der Sattel, wenn Sie wechselseitig Druck auf Vorder- und Hinterzwiesel geben?

Schwerpunkt

Prüfen Sie, wo der tiefste Punkt des Sattels ist. Nehmen Sie dazu eine Gerte, legen Sie diese quer auf den Sattel und schauen Sie, wo sie hinrollt:

Der Schwerpunkt des Sattels ist dann korrekt, wenn der tiefste Punkt des Sattels in der Mitte des Sattels liegt und der Reiter weder in einen Stuhlsitz, noch in einen Spaltsitz gesetzt wird.

Nun gurten Sie den Sattel an.

Dabei achten Sie darauf, ob der Sattel gleichmäßig tiefer kommt.

Die vordere Gurtstrupfe, soll im angegurteten Zustand, lotrecht nach unten zeigen:

Schritt 3: Der Sattel auf dem Pferd in der Bewegung

Dann nehmen Sie Ihr Pferd an die Longe, ohne es auszubinden. Betrachten Sie Ihr Pferd im Schritt, Trab und Galopp.

  • Liegt der Sattel ruhig?
  • Bleibt er da liegen, wo Sie ihn hingelegt haben?
  • Läuft Ihr Pferd genauso entspannt und losgelassen wie ohne Sattel?

  • Oder wandert der Sattel?
  • Beginnt er zu hüpfen?
  • Läuft Ihr Pferd angespannter?

Dann liegt die Vermutung nahe, dass der Sattel nicht passt.

Schritt 4: Testen des Sattels beim Reiten

Wenn Ihr zu testender Sattel bis hierhin gut abschneidet, setzen Sie sich hinein.

  • Fühlen Sie vorne in die Kammer: Haben der Widerrist und die Wirbelsäule auch jetzt noch genügend Platz?
  • Ist der Sattel auch für Sie bequem? Fühlen Sie sich wohl darin oder zwängt er sich vielleicht ein (was auf eine zu kleine Sitzgröße hinweisen kann) oder fühlen Sie sich durch die Pauschen behindert?
  • Setzt der Sattel Sie in einen geraden, lotrechten Sitz?
  • Liegen Schulter, Hüfte und Fußgelenk auf einer Linie?

Reiten Sie Ihr Pferd dann in allen Gangarten. Welchen Eindruck haben Sie?

Wenn möglich, lassen Sie sich von jemandem beobachten. Sich filmen zu lassen ist ebenfalls eine gute Möglichkeit, die Zufriedenheit Ihres Pferdes, Ihren Sitz im Sattel und das Liegen des Sattels zu beurteilen.

Tipp

Probieren Sie ruhig auch verschiedene Sättel aus. Es ist erstaunlich, wie unterschiedlich ein Pferd unter verschiedenen Sätteln laufen kann!

Denn: Nicht das Modell ist entscheidend, sondern ob der Sattel passt!

Ich habe in meinem Reiterleben schon auf so vielen Sätteln Platz genommen und die verschiedensten Modelle besessen. Für mich ist entscheidend, dass der Sattel mir und meinem Pferd passt und dass ich darin gut sitzen kann. Deswegen ist es für mich auch kein Problem, wenn meine Schüler in einem baumlosen Westernsattel mit englischer Reithose zu mir in den Unterricht kommen 🙂

Schritt 5: Der Sattel nach dem Reiten

Nach dem Reiten nehmen Sie den Sattel vorsichtig nach oben ab. Betrachten Sie das Fell in der Sattellage:

  • Ist es gegen den Strich verstrubbelt, bedeutet dies, dass der Sattel nach vorne gewandert ist.
  • Wenn Ihr Pferd geschwitzt hat, soll die Sattellauflagefläche gleichmäßig verschwitzt sein, der Wirbelkanal jedoch trocken bleiben.

Und noch etwas: Die Sache mit der Muskulatur

Wenn Sie ein Pferd mit Rückenproblemen haben oder Ihrem Pferd fehlt die Muskulatur am Rücken und Widerrist, ist für mich der einzige sinnvolle Weg, dem Pferd erst ohne Reitergewicht mittels Longenarbeit, gymnastizierende Bodenarbeit usw. Muskulatur aufzubauen. Einem schlecht bemuskelten Rücken kann kein Sattel passen und wenn er doch passt, wird er keinen Raum für Muskelzuwachs bieten.

Also: Erst Muskulatur aufbauen, dann einen passenden Sattel besorgen!

 

Ich möchte an dieser Stelle noch ausdrücklich darauf hinweisen, dass diese Anhaltspunkte auf keinen Fall die Anprobe und Beratung durch einen guten Sattler ersetzen können! Aber ich hoffe, sie nutzen Ihnen für eine erste Einschätzung, ob ein Sattel passt oder nicht.

Ganz herzlichen Dank meinem Sattler Wolfram Lüders für die vielen lehrreichen Sattelanproben und die fachliche Beratung.

 

Wenn Sie Fragen oder Anregungen zu diesem Thema haben, schreiben Sie mir bitte.

 

Checkliste Satteltest

Hier finden Sie eine Checkliste für den Satteltest zum Herunterladen. Sie können diese Checkliste auch gerne bei sich im Stall aufhängen – so wird vielleicht manch unpassender Sattel erkannt, bevor er Schaden anrichten kann.

Zum Download der Checkliste.

 

Der Longenkurs

Longieren kann jeder? Von wegen! Wie Sie Ihr Pferd nach biomechanischen Grundsätzen longieren können, erfahren Sie hier.

Der „Wege zum Pferd“-Shop

Selbstlernmedien und Seminare für eine sinnvolle Ausbildung, einen pferdegerechten Umgang und mehr Harmonie im Miteinander mit dem Pferd. 

Weitere Artikel

Vom Hungerhaken zum Seelenpferd – eine Erfolgsgeschichte zum Longenkurs

Die Ausbildung zum Verlasspferd – Verfolgen Sie hier einen Fall aus Babettes Praxis.

Kennen Sie die Muskulatur Ihres Pferdes? Stresspunkte und ihre Bedeutung – Verspannungen frühzeitig erkennen!

Gedanken über eine pferdegerechte Ausbildung – Hier lernen Sie zwei Grundelemente der pferdegerechten Ausbildung kennen.

Wie bringen Sie Ihrem Pferd das Spielen mit einem Gymnastikball bei? – Antischeutraining und Spielspaß zugleich.

Auf der Suche nach der Magie – ein persönlicher Seminarbericht – Ein Zwei-Tages-Seminar mit Jean François Pignon.

Buchtipps

Hier finden Sie unsere Lieblingsbücher – Titel, die jeder Pferdemensch kennen sollte.

Nichts verpassen?

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Newsletter. Damit bekommen Sie unsere Tipps und Anregung direkt in Ihr Mailfach.

Pferdige Grüße verschicken

Versenden Sie doch mal wieder einen netten Gruß und zwar mit einer unserer ECards. Viele, schöne Motive stehen zur Auswahl.