Wie wir wirken oder: Die Sache mit den anderen, Teil 2

In der letzten Woche habe ich beleuchtet, was andere Leute im Stall für mich bedeuten und wie ich damit umgehe. Heute möchte ich den Blick auf die andere Seite lenken: nämlich was meine eigene Anwesenheit vielleicht für andere mit sich bringt.

Jeder kennt das Gefühl beobachtet zu werden und meist ist das kein angenehmes Gefühl. In Pferdeställen wird das Unbehagen oft noch durch eine Portion Missgunst, durch allgegenwärtige Lästereien und zum Teil auch durch handfeste Feindseligkeiten verstärkt. So kann das Reiten oder Zusammensein mit dem eigenen Pferd zu einer Qual werden und manch einer hat sich sicher schon entschieden, lieber nichts zu machen, wenn zu erwarten ist, dass bestimmte Leute zuschauen…

Ich habe das große Glück in einem kleinen, ruhigen und sehr friedvollen Stall zu sein. Bei uns steht niemand an der Bande und lästert und das ist etwas sehr Kostbares. Und dennoch kann jeder von uns für andere eine Quelle an Unsicherheit sein, das ist mir neulich sehr klar geworden.

Es sollte eine Sattelmessung mit einem Impression-Pad stattfinden und da ich noch etwas Zeit hatte, schaute ich zu. Während wir zu zweit an der Hallentür standen, wurde die Stute, für die die Sattelmessung gemacht wurde, geritten. Irgendwann sagte die Reiterin: „Ihr macht mich ja ganz nervös!“ Gut, dass sie das so sagen konnte, denn tatsächlich war mir nicht bewusst gewesen, dass wir durch unser interessiertes Schauen und unser Reden eine verständlicherweise verunsichernde Wirkung hatten – prüfend, kritisch, abschätzend. Und damit veränderte sich die Stimmung für die Reiterin ganz wesentlich.

Wie schön, dass dieses Erlebnis genau nach dem Schreiben meines letzten Blogbeitrags kam, denn so bewusst ich mir auch darüber war, wie andere auf mich wirken, so hatte ich mir bisher eher wenige Gedanken über meine eigene Präsenz gemacht. Zwar lasse ich Leute, die gerade etwas mit ihrem Pferd machen, in der Regel ganz bewusst in Ruhe, aber allein mein Schauen und ganz sicher auch meine Gedanken, die ich oft automatisch habe, haben dennoch eine Wirkung. Ich werde in Zukunft versuchen, hier achtsamer zu sein und, wenn ich schon gucke, ganz gezielt gute Gedanken zu senden. Vielleicht kann Euch Text Euch dazu anregen, mal zu überlegen, wie oft Ihr selbst mit anderen zusammensteht und anderen beim Reiten zuschaut und dabei vielleicht auch noch miteinander über die Person redet – und wie das möglicherweise wirkt. Ich denke, ein etwas achtsamerer Umgang untereinander kann die Stimmung in vielen Ställen nur verbessern, meint Ihr nicht?

28. April 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Allgemein, Erkenntnisse, Sonstiges 4 Kommentare »

 

4 Reaktionen zu “Wie wir wirken oder: Die Sache mit den anderen, Teil 2”

 

Von Eva • 28. April 2015

Hallo Tania,

das ist wirklich interessant und hilfreich, sich auch mal Gedanken über die andere Seite zu machen! Ich habe bisher immer nur gesehen, dass die anderen mich stören und verunsichern. Dass meine eigene Zurückhaltung wiederum bei den anderen ein negatives Gefühl von Abgelehntwerden oder nicht Wahrgenommen/Wichtiggenommen werden und somit ebenfalls Unsicherheit hervorrufen kann, war mir so noch gar nicht bewusst. Achtsamkeit, Bewusstheit und Selbstreflexion macht vermutlich in allen Lebenslagen Sinn;-). Dann noch die Balance halten zwischen Selbstreflexion und übertriebenem Grübeln und Sich-in-Frage-Stellen – das ist zumindest für mich auf jeden Fall eine Herausforderung:-)

 

Von Margot • 30. April 2015

Ein toller Beitrag. Man kann so viel zu einer guten Atmosphäre beiragen.
Mir fiel bei einem Ausritt mit einer Stallkollegin mal auf, dass wir den ganzen Ritt lang uns kein Wort über andere Einsteller ausgetauscht hatten. Es war gleich viel entspannter und gemütlicher. Seither achte ich darauf, mehr „mit anderen statt über andere“ zu reden, wie man so schön sagt.

 

Von Diana • 1. Mai 2015

Hallo Tanja,
kurz zu den gezielten Gedanken…
vor 2 Wochen habe ich bei einem Ausritt, ich mit Pferd und mein Mann mit Fahrrad, erlebt, wie Gedanken das Pferd (oder auch mich ?) beeinflussen.
Während wir einen Berg hochtrabten fiel mein an diesem Tag sehr braves Pferd von selbst in Galopp( ich ließ es zu, ts,ts!). Mein Mann kam nicht mehr mit und dachte: Ach ich streng mich jetzt nicht an den steilen Berg da auch so schnell hochzuradeln. Diana wird jetzt schon nicht runterfallen.) –Und was passierte? Pferd hat voll gebockt und ich flog im hohen Bogen…
Daß diese Art Telepathie zum Pferd sogar von einer anderen Person stattfindet hat uns nachher der Hufpleger bestätigt. Das war zwar jetzt kein zwischenmenschlicher Vorfall aber schon in der gleichen Richtung.
Ich denke auch, wenn wir selbst positive Gedanken haben von anderen (Mitmenschen) oder positive Gedanken aussenden, strahlen wir auch etwas Beruhigendes , Gutes aus. Das gibt den Anderen Vertrauen in uns.
Möge es uns immer besser gelingen,gell?!
Viele Grüße, Diana

 

Von chrissie • 11. Mai 2015

Liebe Tanja,
ich bin immer wieder überrascht wie oft Montags ein Beitrag von Dir erscheint der zu einem Erlebnis in der Woche paßt. Bevor ich auf mein Pferd steige gehe ich immer 20 min. zu Fuß durch die Halle und gönne uns die Zeit um zu überlegen wie sind wir drauf und was könnten wir heute miteinander machen. Dabei bin ich immer sehr mit uns beschäftigt und blende alles um mich herum aus. Sozusagen komplett in Gedanken versunken und mein Blick schweift so umher.
Bislang war das auch kein Problem da wir an dem „alten Stall“ viel alleine in der Halle waren. Vor drei Monaten mußten wir nun leider den Stall wechseln und wir gehen jetzt morgens immer in eine seeeehr große Reitanlage wo viele Profi- und Turnierreiter sind.
Ich bin die einzige die 20 min. läuft ohne direkt „Gas“ zu geben und diese Woche entschuldigte sich eine junge Frau bei mir das ihr Pferd am Anfang immer so steif läuft. Ich wußte gar nicht warum sie sich entschuldigt bis sie mir sagte „Du guckst die ganze Zeit so“. Mir war bis dahin gar nicht bewußt das ich so rüber komme, da ich nur mit meinem Pferd und mir beschäftigt war.
Ich habe ihr versichert das ich völlig wertfrei und in Gedanken versunken die nächste Trainingseinheit durchgehe. Seitdem versuche ich möglichst auf mein Pferd oder den Boden zu schauen. Sicher ist sicher ;-))

 

 

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