Das gute Laufen ist ein Dauerthema

Wir haben uns ja  sehr ausführlich mit der Frage beschäftigt, wie man einem Pferd das gute Laufen auf der gebogenen Linie vermitteln kann. Dieses Vermitteln einer guten Laufmanier ist dabei weniger als eine Art Lektion zu sehen, sondern es ist vielmehr ein dauerhafter Prozess.

Was wir damit meinen? Lesen Sie weiter. 

Pferde laufen in der Natur keine Kreislinien, sondern vor allem in gerader Richtung und wenn sie die Richtung wechseln wollen, sieht das meist so aus:

wechselSie stoppen schlagartig und drehen auf der Stelle. Dabei fallen sie extrem auf eine Seite. Da Pferde das in der freien Natur nicht ständig tun, wirkt sich das in der Regel nicht gesundheitsschädigend aus. Lässt man nun aber ein ungeschultes Pferd an der Longe (oder unter einem Reiter) unbeeinflusst auf der Kreislinie laufen, zeigt sich dasselbe Bild:

kurveWieder kippt das Pferd extrem auf die innere Schulter. Muss es dann so Runde um Runde und Trainingseinheit für Trainingseinheit und oft auch noch in einem viel zu hohen Tempo laufen, sind auf diese Weise Gesundheitsschädigungen vorprogrammiert. 

Ein Pferd muss erst lernen, wie es eine gebogene Linie in einer Manier bewältigen kann, die seiner Gesundheit nicht schadet –  siehe dazu unseren Longenkurs und Sehen lernen. Wir können dem Pferd Schritt für Schritt zeigen, dass es dafür im Genick nachgeben, sich stellen und biegen, die innere Schulter anheben, den Rücken mehr anheben und mit dem inneren Hinterbein mehr Last aufnehmen kann, um die gebogene Linie zu meistern:

gebogenDas Entscheidende bei der Sache ist aber die: Es ist beim guten Laufen mit einem einmaligen Lernen nicht getan! Wenn ein Pferd das Grundprinzip verstanden hat, ist natürlich schon viel gewonnen. Deshalb wird es aber dennoch immer wieder ganz schnell in die alten Bewegungsmuster geraten, also vielleicht auch nach monatelangem Training plötzlich wieder nach innen fallen oder sich nicht stellen lassen. Das tut es NICHT, um uns zu ärgern, weil sie stur sind oder dumm, sondern weil bewusste Bewegungen anstrengender sind als die natürlichen Bewegungsmuster (oder weil es z.B. auch körperliche Beschwerden hat, die sich dann so zeigen). 

Das ist nicht viel anders als bei uns: Denken Sie einfach nur mal an das gerade Sitzen. Vielleicht waren Sie bei der Krankengymnastik und haben gezeigt bekommen, wie Sie idealerweise sitzen sollen. Dann machen Sie das vielleicht in den ersten Tagen, aber ganz schnell schleichen sich die alten Gewohnheiten ein und Sie hängen wieder durch. Genauso ist es auch bei Pferden, denn das, was wir ihnen zeigen, entspricht nicht ihrer natürlichen Bewegungsweise. Wenn wir möchten, dass unser Pferd dauerhaft gut läuft, ist es wichtig, immer wieder von den Grundlagen an das Laufen neu aufzubauen. Selbst mit echten Longierprofis beginnen wir, wenn es nötig ist, mit den Basisübungen wie „Führen in Stellung“ und „Anschraten“.

Das gute Laufen ist also als Lernaufgabe ein Dauerthema und wird das Pferd, solange es gearbeitet werden soll, begleiten. Und dabei müssen wir auch immer wieder bereit sein, bei Null anzufangen.

10. Februar 2015 von Tania Konnerth • Kategorie: Anatomie und Körper, Longieren 8 Kommentare »

 

8 Reaktionen zu “Das gute Laufen ist ein Dauerthema”

 

Von Manuela • 12. Februar 2015

Liebe Tania,

das ist ein absolut wichtiges Thema, schön, dass ihr das mal wieder aufgreift. 🙂
Das „richtige Laufen“ ist nicht nur vom Boden aus wichtig, sondern auch und gerade im Sattel. Mein Hafi ist sehr hoch ausgebildet und geht spielend Seitengänge und Galopp-Pirouetten. Trotzdem arbeite ich immer und ständig an der Basis – und die ist einfach „gutes Laufen“.
Anstatt ihn z.B. von der Aufstieghilfe „wegschluren“ zu lassen, tippe ich ihn hier schon mit der Gerte an der Schulter an, um ihn direkt in einen erhabenen Schritt zu lenken. „Eiert“ er erst einmal auf der Vorhand herum, ist es für ihn viel schwieriger, die Schulter anzuheben, als wenn ich ihn direkt vom Start aus darauf aufmerksam mache. Und das muss ich tatsächlich jedes Mal machen! Von alleine macht er das nicht. 😉
Zum Glück habe ich eine sehr akribische und genaue Reitlehrerin, die mich immer wieder darauf hinweist, sodass es mir langsam in Fleisch und Blut übergeht. Manchmal vergesse ich es trotzdem, merke es aber direkt nach ein paar Schritten, halte an und starte noch einmal neu. Das funktioniert bei ihm besser, als ihn aus dem „Geschlurfe“ heraus zu korrigieren.
Natürlich bummeln wir auch oft am langen Zügel in der Gegend herum, dann aber hauptsächlich im Gelände, wo es sowieso meist geradeaus geht. 😉
Die Schulterkontrolle ist sehr wichtig bei meinem Süßen, da er sehr lang und vorhandlastig ist und schon Arthrosen in den Vorderbeinen hat – mit nunmehr 20 Jahren. Umso schöner ist es zu sehen, wie die Korrekturen (natürlich immer sanft ausgeführt, ohne Gebiss geritten und ausführlich geclickert 😉 )ihm helfen und ihn in seiner Erscheinung um gut fünf Jahre verjüngen. 🙂

Lieben Gruß Manuela

 

Von G. • 16. Februar 2015

Hallo,

genau so ein Bild wie dieses hab ich kürzlich von meinem Wallach gemacht, als er auf die Koppel durfte. Das Foto zeigt, wie total schief er „liegt“, als er den Abhang hinauf galoppiert. Fast meint man, er würde kippen- dachte, dass wäre okay so, aber jetzt sehe ich das dank eurer Bilder anders.
Vielleicht hat er diese Angewohnheit aufgrund einer „Haltungsschwäche“, die sich evtl. ändern lässt? Ich hab sowieso schon die Ostheopatin bestellt.

Ansonsten läuft er sehr schön und ästhetisch „mit hohen Beinen“ in der Reithalle. Er schlurft nie.

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Hallo,

wie oben geschrieben, ist dieses schräge Abwenden ein vollkommen natürliches Verhalten bei Pferden, dass sie frei so laufen, wirst Du kaum ändern können – das schadet ihnen in der freien Natur ja auch meist nicht. Nur beim Laufen auf einem eher engen Raum (also Reitplatz, Halle) und auf gebogenenen Linien muss man ihnen dann eben das korrekte Laufen (immer wieder) vermitteln.

Herzlich,
Tania

 

Von Frauke Mayer • 16. Februar 2015

Liebe Babette,

es ist schön zu sehen, dass Du die Dual-Aktivierung mit den Farben Gelb und Blau beim Longieren nutzt – das Thema Longieren beschäftigt mich seit Jahren und ich habe bei Dir mit dem alten Longenkurs (2009, damals ganz neu) in Eigenregie begonnen und den neuen Longenkurs begeistert gelesen.
Dort habe ich erstmalig eine korrekte Anregung für das richtige Laufbild und das korrekte Longieren in Stellung erhalten – letztendlich bin ich deshalb im Laufe der Jahre bei der Dual-Aktivierung und aktuell bei der Equikinetic gelandet, denn sie vereint beides!

Wenn Du ein solches Foto veröffentlichst, wäre es da nicht fair und korrekt, dass Du erklärst oder zumindest erwähnst, warum Du die Unterstützung durch die Balken & Pylonen nutzt?

Denn das Longieren in der Equikinetic vereint die Dual-Aktivierung (Aktivierung beider Gehirnhälften durch die Farben Gelb/Blau) und korrektes Longieren mit Stellung und Biegung. Zur Entwicklung eines selbst”bewußt” laufenden Pferdes in Balance, der Entlastung/Hebung der inneren Schulter, Entwicklung der Tragkraft und Erhöhung der Tragdauer der inneren Hinterhand, Bauchmuskeltraining durch eine aktive Hinterhand und letztendlich das gesunde, anatomisch gute Laufen um die Kurve beim Pferd?

Liebe Grüße
Frauke Mayer
Trainerin für Dual-Aktivierung und Equikinetic

_______________________

Hallo Frauke,

keine Sorge, im Kurs weisen wir vollkommen korrekt auf die Verwendung der Materialien aus der Dual-Aktivierung nach Michael Geitner hin und dort wird auch der Einsatz erklärt. Danke für den Hinweis hier.

Herzlich,
Tania

 

Von Sabine • 16. Februar 2015

….“ Und dabei müssen wir auch immer wieder bereit sein, bei Null anzufangen.“

Genau diesen Satz hab ich gebraucht!!!! 😉 DANKE!

 

Von Hauptstadttraber • 16. Februar 2015

Hallo Tania,

gut lesbarer, knackiger Artikel zu einem Thema, dass mich erst kürzlich wieder kurz beschäftigte. Mein Traber genoss eine Geländeberittstunde und ging zunächst wie ein Sternengucker. Es wurde dann Gott sei Dank im Laufe der ersten 10 Minuten schon besser und dann nachher ging er auch reell über den Rücken.
Dennoch wandte ich mich mit der Frage an meine Trainerin (die draufsaß), warum er das nach ca.1,5 Jahren Training mit ihr (als Reitlehrerin, dazu wenig Beritt) immer noch macht. Antwort: Es ist halt das erlernte Muster und es braucht lange um es von der Festplatte zu löschen.

Zum Beitrag von Frauke Mayer erlaube ich mir eine kleine Anmerkung: Jeder Freizeitreiter kennt doch die gelb-blauen Balken und Herr Geitner benötigt in meinen Augen keine Werbung mehr. Auch nicht für sein „neuestes“ Longiersystem namens Equikinetic. Der Artikel hatte im Übrigen einen ganz anderen Fokus und ist auch ohne Schleichwerbung prima gelungen:)

 

Von Jana • 17. Februar 2015

Sichlich stimmt das mit dem Laufen an der Longe. Aber woamders liest man, das Pferde in Natur eher selten geradeaus laufen und fasst nur auf gebogenen Linien. Und wenn ich mir die Laufpfade auf unserer Koppel anschaue, sind es harmonische Biegungen und nie geradeaus auch nicht am Zaun entlang!

___________________

Hallo Jana,

diese Wege entstehen, wenn Pferde gemütlich im Schritt „wandern“, so wie sie sich in freier Natur meistens bewegen (Flucht und Haken sind ja Ausnahmen, nicht die Regel). Diese Wege sehen harmonisch aus, sowie aber Tempo dazukommt (im Schritt haben Pferde auch an der Longe nicht allzu große Probleme) oder die gebogenen Linien so klein werden, wie wir sie von unseren Pferden auf einem Reitplatz verlangen (so zeigt sich auf einer Volte selbst im Schritt schon oft, dass das Pferd sich eben nicht korrekt biegen kann), wirst Du natürlicherweise auf der einen Hand ein Kippen nach innen haben und auf der anderen ein Driften nach außen. Die Art gebogener Linien, die wir von Pferden bei der Arbeit an der Longe oder auf dem Reitplatz verlangen, kommt natürlicherweise tatsächlich nicht vor, deshalb können wir auch nicht erwarten, dass sie das gleichsam von selbst hinbekommen.

Herzlich,
Tania

 

Von Christine • 26. März 2015

Liebe Babette,
Vielen lieben Dank für die tollen Tips und Anregungen!
Seid einem 3/4 Jahr bin ich stolze Besitzerin einer Traberstute, die 8 Jahre Rennen gelaufen ist….

 

Von Susanne Röhrig • 5. Dezember 2016

Hallo Babette,hallo Tania,
seit ca.5 Wochen arbeite ich nach dem Longenkurs und ich habe schon sehr viel mehr verstanden dank Eurer guten „Bilder“. Es wird noch ein langer Weg sein die alten Muster aufzubrechen!! Mein Isländer spurt mit der inneren HH fast immer einen Hufbreit nach außen. Ich gehe davon aus das er damit nicht wirklich Last aufnimmt? Habt Ihr außer „Übertreten lassen“ noch einen anderen Tipp für mich ?
LG Susanne

 

 

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