Was läuft alles gut?
Wenn Ihr mal schätzen solltet, wie ist wohl das Verhältnis von den Sachen, die im Miteinander mit Euren Pferden gut klappen zu denen, die nicht so gut klappen? Klappen in der Summe mehr Dinge? (Vielleicht sogar deutlich mehr?) Und wenn Ihr mal schätzen sollt, wie zufrieden oder unzufrieden Ihr oft mit Euch und/oder Eurem Pferd seid, seid Ihr dann öfter zufrieden oder eher unzufrieden?
Tatsächlich beobachte ich immer wieder, dass mit einem Blick von außen bei sehr vielen Pferd-Mensch-Paaren der Großteil wunderbar klappt, die Menschen aber leider zum Großteil unzufrieden sind, weil ihr Fokus immer auf dem liegt, was noch nicht perfekt ist. Mich macht das zunehmend traurig, weil ich denke, dass wir vor allem unseren Pferden damit ein großes Unrecht tun.
Sehr viele Menschen sind es gewohnt, den Fokus auf das zu legen, was nicht klappt. Das lernen wir bereits in der Schule, da dort unsere Fehler angestrichen werden und nicht etwa all das, was wir richtig gemacht haben. Keiner mag rot Striche und schlechte Noten und so werden wir darauf trainiert, Fehler um jeden Preis zu vermeiden. Wir gewöhnen uns an, auch bei anderen Fehler zu sehen, weil wir uns meist ein bisschen besser fühlen, wenn auch andere etwas (oder sogar noch mehr als wir) falsch machen.
Beim Reitunterricht ist es nicht anders: Da liegt fast immer der Fokus auf der Korrektur und nicht auf der Betonung der Dinge, die schon gut laufen. Also lernen wir auch hier, unsere eigenen Fehler und die anderer wie unter einer Lupe wahrzunehmen und übertragen das auch auf unser Pferd. Unser Pferd kann zu 90% der Reiteinheit superschön laufen, wir werden unseren Blick garantiert auf die 10% legen, in denen es kleine Fehler macht, etwas spannig ist oder im falschen Galopp angesprungen ist. Fragt uns dann jemand im Anschluss der Reiteinheit, wie sie war, sagen wir nicht: „Oh, es war einfach super, mein Pferd hat seinen Job fast zu 100% toll gemacht!“, sondern wir sagen so etwas wie: „Ach, der war heute wieder so flippig“ oder „Das mit dem Galopp werden wir nie hinbekommen“
Wie schade, dass das so ist! Schade, weil wir uns damit schlecht fühlen und weil auch unsere Pferde unsere Unzufriedenheit mitbekommen. Schade, weil es einfach unfair ist. Schade, weil wir so die Chance verspielen, mit unserem Pferd wirklich Freude und Spaß zu erleben. Schade, weil wir einfach oft viel zu hart mit uns und anderen sind. Ich glaube, wenn wir hier ansetzen, können wir sehr viel Gutes erreichen.
Es geht dabei nicht darum, Sachen zu beschönigen. Das ist gar nicht nötig! Es reicht vollkommen aus, fair und mit einem offenen Geist hinzuschauen, um wahrzunehmen, was wirklich ist. Wer sich einmal wirklich bewusst darauf einlässt, zu sehen, was alles gut läuft im Umgang oder im Training mit dem eigenen Pferd, wie viele Sachen kein Problem sind (und damit von uns gar nicht realisiert werden) und wie viel man tatsächlich schon gemeinsam erreicht und gelernt hat, wird sehr, sehr viel Anlass zur Freude und zum Stolz finden. Und ja, wir dürfen stolz sein! Stolz auf unsere Pferde, die so viel für uns tun und die sich immer wieder Mühe geben, unseren Forderungen nachzukommen. Aber auch stolz auf uns selbst, wenn wir etwas gelernt und umgesetzt haben, wenn wir umgedacht und unser Verhalten in Richtung „pferdegerecht“ verändern konnten. Wir alle haben immer einige Lernfelder und Baustellen und jeder macht Fehler. Die aber sind nicht schlimm, sondern gehören schlicht und einfach zu jeder Entwicklung dazu. Sie werden nur dann so riesig, wenn wir sie durch unseren Fokus in den Mittelpunkt stellen und über sie den Blick auf das Wesentliche verlieren: nämlich auf all das, was gut ist!
Ich kann nur aus meiner eigenen Erfahrung sagen: Wenn wir lernen, immer mehr auf das zu schauen, was prima läuft und schön ist, kann sich das Verhältnis zu unserem Pferd grundlegend und fundamental positiv verändern – probiert es aus und seid gespannt!
16. Oktober 2012 von Tania Konnerth • Kategorie: Erkenntnisse, Umgang • 9 Kommentare »