Annehmen – Nachgeben oder vielleicht besser: Nachgeben- Annehmen?

In einem Punkt sind sich fast alle Pferdelehren einig: Hilfen (Zügelhilfe, Schenkeldruck, Einwirkung an der Longe/am Strick) sollen immer impulsartig gegeben werden. Die Anweisung des Reitlehrers lautet dann: „Annehmen und Nachgeben“.

Ich finde das absolut richtig, denn es ist wirklich immer wieder gut zu sehen, wie viel besser die Pferde auf eine Hilfe reagieren, wenn wir nach diesem Grundsatz arbeiten.

Pferde reagieren (soweit nicht anders gelernt) auf Druck mit Gegendruck, auf Zug mit Gegenzug. Das Problem dabei ist: Wir Menschen leider oft genug auch 😉 . Und so passiert immer wieder Folgendes:

  • Das Pferd legt sich auf den Zügel und der Reiter zieht dagegen an.
  • Das Pferd packt sich an der Longe auf den Kappzaum und der Mensch versucht, das Pferd mit Kraft und Zug auf dem Kreis zu halten.
  • Das Pferd reagiert nicht auf den Schenkel und der Reiter drückt und presst immer mehr.

Wenn ich nun also sehe, dass ein Pferd unter dem Sattel/an oder an der Hand/Longe fest wird, so weise ich meine Schüler an, in eine weiche, nachgebende Hilfengebung zu gehen um das Pferd aus seinem festen Muster zu holen. Das klappt auch in der Regel sehr gut. Allerdings passiert es dann recht oft, dass der Mensch erst seine Hilfengebung verstärkt (das Annehmen), bevor er nachgibt.

Aus diesem Grund bin ich nun immer mehr dazu übergegangen, die Anweisung umzudrehen und erst den Menschen zum Nachgeben zu bringen, um dann in eine weiche Hilfe zu gehen. Ich finde, das klappt noch besser als das übliche „Annehmen-Nachgeben“!

Wichtig: „Nachgeben“ heißt im übrigen nicht zwangsläufig, dass Sie die Zügel komplett wegschmeißen, die Hand mit der Longe einen Meter vor geben oder den Schenkel vom Pferd entfernen müssen. Nachgeben ist oftmals nicht mehr als ein „Spannung rausnehmen“.

Probieren Sie doch mal aus, wie Ihr Pferd reagiert, wenn Sie mit diesem „Nachgeben“ spielen. Wie reagiert Ihr Pferd auf ein deutliches Nachgeben? Wie viel „Nachgeben“ braucht Ihr Pferd, um selber nachgeben zu können? Versuchen Sie erst bei sich Ihre Reflexe von „drücken“, „ziehen“ und „festhalten“ aufzulösen und beobachten Sie, wie Ihr Pferd darauf reagiert. Vielleicht werden Sie dann erstaunt feststellen, dass Ihr Pferd viel weniger zieht und drückt. Woran das dann wohl liegt? 😉

10. August 2010 von Babette Teschen • Kategorie: Aus dem Reitunterricht und Coaching 11 Kommentare »

 

11 Reaktionen zu “Annehmen – Nachgeben oder vielleicht besser: Nachgeben- Annehmen?”

 

Von Johanna • 10. August 2010

Das ist mir auch schon aufgefallen, zumindest rückblickend. 😉
Dass mein Pferd nach gibt, wenn ich nachgebe.
Und da dachte ich immer, dass das eigentlich nicht richtig ist, weil ich es immer so verstanden hab, dass das Pferd am angenommenen Zügel nachgeben soll und dafür mit der nachgebenden Hand belohnt wird. Bei uns läuft das ja etwas anders.
Aber ich bin beruhigt, dass das wohl doch ok ist, so. 😉

Danke für einen weitern Eintrag hier, der zum Nachdenken anregt!
_____________________________________________
🙂
Sehr gerne!
Liebe Grüße,
Babette

 

Von Beate • 10. August 2010

Wie Johanna schon schreibt: Wir haben noch gelernt, dass das Pferd dem Druck nachgeben muss.
Das das nie klappen kann, weil unsere Hände/Arme ein Witz sind, gegen den Kopf-Arm-Muskel des Pferdes,wenn dies genauso stur ist 😉 wie wir, hat damals keiner beachtet. Dabei gibts doch eigentlich schon lange den Spruch
Der K l ü g e r e gibt nach.

Danke wieder mal für diese Anregung. Die Anweisung „Spannung rausnehmen“ hilft einem dabei, wirklich nicht das Nachgeben mit wegwerfen zu verwechseln. LG Beate
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Fragt sich nur, wer in der Mensch/Pferd-Beziehung tatsächlich der Klügere ist…
Manchmal kommen mir da so echte Zweifel 😉 ,
dicke Umarmung,
Babette

 

Von Manuela • 10. August 2010

Hmm – mir geht es wie Johanna und Beate: Ich habe gelernt, nachzugeben, wenn das Pferd nachgibt.

Und ich verfahre immer noch genauso – nur: in vielen vielen kleinen Nuancen und je nach Pferdetyp.
Nicht immer gebe ich erst dann nach, wenn es für andere offensichtlich ist – ich belohne jedes Gramm nachgeben beim Pferd – auch wenn es noch nicht das optimale Endbild abgibt.

Das Wichtigste beim Annehmen finde ich die eigene Entspannung und Losgelassenheit. Wo auch das Atmen dazu gehört. Annehmen hat nichts mit der eigenen Anspannung oder Luft anhalten zu tun *lächel*

Ganz wichtig finde ich den Hinweis mit dem nicht wegwerfen der Zügel – dann damit tut man den Pferden häufig keinen Gefallen. Nachgeben kann ich auch im Gramm- und Millimeterbereich – und Pferd wird es merken und danken!

Babette – Dir danke ich für den tollen Blog!

Liebe Grüsse aus Bayern
Manuela
_____________________________________________
🙂
Freut mich, dass er Dir gefällt!
Ganz liebe Grüße und einen dicken Drücker nach Bayern 😉 ,
Babette

 

Von Wiebke • 10. August 2010

Danke für den Beitrag, Babette!

Ich habe auch gelernt, erst nachzugeben, wenn das Pferd nachgegeben hat. Jetzt hoffe ich, dieses Muster immer wieder bewusst durchbrechen zu können – werds morgen gleich anfangen. Herr Plüsch wirds mir hoffentlich danken, der zieht/drückt nämlich gern dagegen…
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Da bin ich gespannt wie er reagiert! Berichte bitte 🙂 ,
liebe Grüße,
Babette

 

Von Lizzy • 11. August 2010

Oh ja, mit Sicherheit ist der Weg die Geschichte so herum anzugehen der erfolgsversprechendere, wenn sich das Pferd auf die Hand lümmelt und der Reiter verzweifelt versucht, dagegen zu ziehen.
Die Floskel „Annehmen-Nachgeben“ ist meiner Meinung nach aber viel zu oberflächlich, weil sie eher die bedient, die gern einen Dritten Gang beim Pferd hätten. Also tu ides, dann macht Pferd das.
Glücklicherweise kommunizieren wir aber mit Persönlichkeiten und da sollte sich jeder immer wieder, egal wei gut er ist fragen: „Was möchte ich meinem Pferd sagen/vermitteln udn wie kommt das an?“. Denn wenn ich zB einem Anfänger nachgeben-Annehmen mitgebe, kann es sein, dass er nachgibt, dass Pferdchen folgt diesem Angebot, möchte in eine vermehrte Dehnungshaltung gehen und genau in dem Moment nimmt der Reiter wieder an. Pferdchen bekommt für seine gute Reaktion eins auf die Zähne und mag fortan nimmer.
Überspitzt gesagt. Klar! Daher ist es ebene so wichtig, immer mitzudenken. Auch wenns dann anstrengender wird. 😉
Aber dazu gehört dnn eben auch solche Floskeln mal zu hinterfragen und vielleicht eben auch mal was grad anders rum zu machen!
Viele Grüße, Lizzy
____________________________________________
Danke für Deine Anregung!
Liebe Grüße,
Babette

 

Von Claudia • 16. August 2010

Hi Babette und alle,

wieder mal ein super Beitrag.
Ich finde, das kann man auch ab und zu beim Führen beobachten. Man will nach „A“ mit dem Pferd laufen und das Pferd denkt, hm nö jetzt grad nicht. Dann erhöht man den Druck am Führstrick und soll erst nachgeben wenn das Pferd antritt ( bzw. das Pferd gibt sich selber nach weil der Strick dann wieder durchhängt ) Aber was mir schon aufgefallen ist, ist dass es oft viel besser geht, wenn man den Zug am Strick kurz loslässt und dann nochmal anfrägt. In der Regel läuft mein Pferd dann immer mit (hm na gut ich komme )
Mir fällt, dazu ein, dass man manchmal viel zuwenig das Pferd bittet oder fragt wenn wir etwas machen möchten sondern eher verlangen. Obwohl die Tiere uns nur gern fast jeden Gefallen tun, wenn man höflich drum bitten. Ob am Boden oder zu Gast im Sattel, oder?
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Hallo Claudia,
das hast Du super schön geschrieben und ja, ich stimme Dir zu 100% zu!
Liebe Grüße und vielen Dank für Deine Zeilen,
Babette

Eine schöne Woche
Claudia

 

Von Lucia Brack • 16. August 2010

Seit einiger Zeit habe ich zu einem anderen Reitstil gefunden. Gebe mit der Hand wechseln bei jedem Schritt des Pferdes ganz leicht nach. Quasi lasse ich die Bewegung heraus. Immer dort, wo die Schulter des Pferdes nach vorne geht. Statt annehmende Hilfen, lasse ich dann einfach dort das Nachgeben weg. Auf diese Weise wirkt meine Hand nie annehmend sondern nur passiv statt nachgebend. Meine Isistute findet das super. Besonders der Tölt ist viel lockerer und freier geworden. Es ist sehr schwierig anfangs, den richtigen Rhytmus zu finden, aber die Wirkung ist toll, es lohnt sich. Anfangs rauchte mir der Kopf, jetzt geht es immer besser. Komme ich durcheinander, konzentriere ich mich kurze Zeit nur auf eine Schulter und habe ich den Takt dort gefunden, nehme ich die andere dazu. Seitwärtsgänge klappen so schon viel besser und ohne „Murks“. Wichtig ist eine verhältnismässig hohe Hand und der Reiter muss in der Schulter locker und frei „mitgehen“. Aufgepasst, NICHT gleichzeitige Vor-Bewegung von Hüfte/Bein und Hand auf der selben Seite! Also quasi der Reiter im „Passgang“. Das ist falsch und macht eher steif.
Zum üben stelle ich mir vor meine Hände halten Pistolen und ich „schiesse“ mit ausgestrecktem Zeigefinger, das hilft ;o)
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Spannend! Das muss ich glatt mal ausprobieren 🙂 ,
vielen Dank für die Anregung,
Babette

 

Von no0815girl • 17. August 2010

Ich habs zum Glück von Anfang an so gelernt. Wenn ein Pferd sich auf den Zügel legt oder eben nicht nachgibt, dann überstreiche ich und gebe damit nach. Am Anfang noch übertrieben, dann mit der Zeit immer weniger, so dass das Pferd lernt, wenn ich überstreiche (also nachgebe), soll es auch nachgeben. Und erstaunlicherweise funktioniert das viel besser, als alle anderen Methoden, die nur dazu führen, dass ich noch mehr Gewicht in den Händen habe. Aber wenn ich nachgebe und weich werde – manchmal reicht schon die Vorstellung von weich werden – gibt das Pferd auch nach. Halte ich dagegen, hält das Pferd ebenfalls dagegen und es artet in einen Ziehwettkampf aus. Das hatte ich sogar mal an einem Kurs ausprobieren dürfen, am Ende taten mir die Arme und Schultern weh und ich konnte gar nicht mehr entspannt im Sattel sitzen, was mir deutlich zeigte, dass ich nicht so reiten will.
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Ja, solche Reitstunden hatte ich auch und nein, so will ich auch nicht reiten!
Liebe Grüße,
Babette

 

Von Sonja L. • 25. August 2010

Ein ganz, ganz toller Beitrag!
Ich hab ihn mir ausgedruckt und an die Schranktür im Stall gehängt. 😉

Vielen Dank dafür!
____________________________________________
🙂
Sehr gerne!
Liebe Grüße,
Babette

 

Von Angela • 21. November 2010

Hallo, sehr schöner Beitrag,
tut mir leid so verspätet noch einen Kommentar zu schreiben, aber ich wollt so gernöö….

Beim Westernreiten ist es grundsätzlich genauso wie du oben beschreibst Babette, das Pferd lernt auf Druck nachzugeben.

Ich glaube, dass das Prinzip Annehmen-Nachgeben grundsätlich nicht falsch ist, jedoch der ausschlaggebende Punkt, der dieses System bombensicher funktionieren lässt ist 1. Das Timing und 2. Die Dosierung.

Die meisten Reiter bemerken einfach nicht dass das Pferd schon nachgegeben hat, manchmal fast nur mental im Pferdehirn. HIER muss bereits vom Reiter nachgeben werden. Jede TENDENZ des Pferdes nachzugeben muss schon seinerseits mit Nachgeben belohnt werden.

Ebenso, wie du beschreibst, das oft gesehene „Festziehen“. Definitiv muss hier zuerst vom Reiter nachgelassen werden und dann ein „Neubeginn“ angestrebt werden. Vielleicht hast du bei Westernreitern schonmal das „Zuppeln“ gesehen? Ein Annehmen-Nachgeben in kurzen Abständen. Funktioniert auch am Boden beim Führen oder Longieren.

Darauf reagiert das Pferd von Natur aus leichter als auf stetigen Zug, gegen den es sich eher durch dicht machen absichert.

Soviel aus meinem Nähkästchen,
LG,
Angela
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Liebe Angela,
danke für Dein plaudern aus Deinem Nähkästchen 🙂 ,
liebe Grüße in den Süden,
Babette

 

Von Britta • 5. Juli 2014

Ein nettes Hallo an Babette und alle anderen –
dieses Thema ist wohl immer aktuell! Ich habe den Stall gewechselt und die erste Stunde bei der neuen Reitlehrerin gehabt. Die hat mich eine Stunde lang immer wieder die innere Hand zum Oberschenkel ziehen lassen, damit das Pferd durchgestellt wird und im Hals nachgibt. In der Stunde hat das irgendwie auch funktioniert, aber es hat länger als sonst gedauert, bis das Pferd nachgegeben hat – kein Wunder, meine Zügelführung war total verkrampft und ich dachte die ganze Zeit, dass ich so irgendwie nicht reiten kann. Also wurde mir geraten, mir doch bessere Mitreiter zu suchen, damit das Pferd besser ausgebildet wird. Heute hat meine junge Stute empört den Kopf hoch gerissen, als ich nur die Zügel aufgenommen habe und mir gezeigt, dass sie so nicht geritten werden will. Sobald ich wenigstens ein wenig weicher geworden bin, hat sie mit etwas mehr Ruhe reagiert. Ich habe dann keine Kampf angefangen, sondern eine entspannte halbe Stunde Schritt geritten und gehofft, dass die Reitlehrerin nicht ankommt und fragt, warum ich das Pferd so wenig „trainiere“. Ich glaube, dass das Pferd völlig genervt ist, weil es noch nicht wirklich versteht,was ich da genau will.Ich würde gerne die Entspannung und gute Beziehung, die wir uns am Boden erarbeitet haben, mit ins Reiten nehmen, weiß aber noch nicht so recht, wie. Da im Stall Ausbinder, Gerte und Sporen normal sind, finde ich auch nicht wirklich Unterstützung, da herrscht leider noch „old school“ …
Habt ihr einen Tipp für mich?
LG Brit

 

 

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